Summary: | Bemerkungen: Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals
Achtung! Achtung! [] An sämtliche in der Binnenschiffahrt beschäftigten Personen und sämtliche Hafenarbeiter in Hamburg. [] Am 2. Oktober d. Js. sind seitens der in der Binnenschiffahrt für das Elbgebiet beschäftigten Steuer- und Bootsleute, sowie der Maschinisten und Heizer an sämtliche in Betracht kommenden Gesellschaften, Firmen und Schiffseigner Tarifentwürfe eingereicht, die für die ebengenannten Kategorien kleine Aufbesserungen der Entlohnungen und bessere Regelungen der Arbeitsverhältnisse enthalten. Die Forderungen sind im Allgemeinen ganz minimale und hätten die Löhne, selbst nach einer Bewilligung der Forderungen, noch weit hinter denen der Hafenarbeiter retour gestanden. [] Jedem, der die Anforderungen kennt, die gerade an diese Arbeiter gestellt werden, muß es unverständlich erscheinen, daß es noch möglich ist solche Löhne, wie die gezahlten, denselben anbieten zu mögen. Die Intensität, das Hasten und Jagen, welches die Binnenschiffahrt mit sich bringt, führt für die in diesem Berufe beschäftigten Personen zu Unregelmäßigkeiten in der ganzen Lebensweise derselben, wie sie in keinem anderen Berufe zu verzeichnen sind. [] Wenn man dann noch in Betracht zieht, daß durch die unsinnige Zollpolitik, die im Reichstage von den Klassengenossen unserer Arbeitgeber getrieben worden ist, eine Verteuerung sämtlicher Bedarfsartikel für den Arbeiter hervorgerufen hat, die in keinem Einklang mit dem gezahlten Lohn zu bringen ist, so kann man Forderungen wie Mk. 10 pro ganzen Monat mehr, doch nicht mehr wie recht und billig finden. Die Bootsleute erhalten z. B. durchschnittlich Mk. 100 pro Monat, haben dann in den meisten Fällen ihre Familien nicht bei sich, da dieses von den Gesellschaften in der Regel nicht gestattet wird, sodaß sie noch gezwungen sind, zwei Hausstände führen zu müssen, was eine bedeutende Mehrausgabe erfordert. Die durch die Fortentwickelung und den Fortschritt in der Binnenschiffahrt gestiegenen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Schiffsmannschaften erheischen doch unbedingt auch eine erhöhte Anforderung auf gute Ernährung, die zu beschaffen bei dem jetzigen Verdienst in Anbetracht der oben angedeuteten öteigerung sämtlicher Lebensmittelvreise fast unmöglich ist. (Das Schweinefleisch ist über 30% und das Ochsenfleisch 17% gestiegen). Die niedrigsten Detailpreise für Schweinefleisch in Hamburg betrugen im Jahre 1904 pr. Pfd. 53 Pfg., 1905 pr. Pfd. 64 Pfg., zur Zeit dagegen pr. Pfd. 80 Pfg. bis 1 Mk. In demselben prozentualen Verhältnis sind die anderen Fleischsorten, Hülsenfrüchte, Mehl, Fische und dergleichen Bedarfsartikel mehr im Preise gestiegen, selbst den Arbeitgebern nahestehende Zeitungen erkennen rücksichtslos an, daß die von den Agrariern ohne Rücksichtnahme auf Handel und Industrie getriebene Politik zu einer Afbesserung der Löhne führen müsse, und jeder anständige Arbeitgeber kann sich unter diesen Umständen den Forderungen der Arbeiter gegenüber auch nicht ablehnend verhalten. Dieses hat ja auch die Mehrzahl der Arbeitgeber der Hafenarbeiter in Hamburg eingesehen und denselben Zulagen gegeben, wenn auch ganz minimale. Nicht so die Arbeitgeber der in der Binnenschiffahrt beschäftigten Schiffsmannschaften. Zunächst hat man mit der Antwort recht lange warten lassen, und dann einen Bescheid gegeben, der sämtliche Forderungen rundweg ablehnt. [] Mit diesem Bescheid haben sich dann am 15. d. M. stark besuchte Schifferversammlungen in Hamburg, Magdeburg, Dresden, Berlin, Lübeck, Aussig u. s. w., befaßt und sind nach einer gründlichen und sachlichen Prüfung der ganzen Verhältnisse zu dem Beschluß gekommen, am 16. d. M. die Arbeit einzustellen. Die Bootsleute, Maschinisten und Heizer werden erklären, wir stellen die Arbeit ein, und warten den Bescheid der Gesellschaft, Eigner u. s. w. ab. Wird ihnen gesagt, daß sie das Fahrzeug zu verlassen haben, haben sie sich [] sofort im Streikbureau, Ohlmeyer "Veddeler Hof", Veddel zu melden, [] wo dann weitere Maßnahmen getroffen werden. [] Die Steuerleute, deren Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist, haben solange auf den Fahrzeugcn zu bleiben, aber strenge darauf zu achten, daß sic keine Bootsmannarbcitcn verrichten. Da bei denselben eine Kündigungsfrist von 30 Tagen besteht, sind sie ja leider nicht in der Lage, sich sofort mit ihren Berufskollegen arisch zu erklären, aber immerhin liegt für sie keine Verpflichtung vor und können sie nicht, dazu gezwungen werden, die Arbeiten der Bootsleute zu verrichten. [] Durch eine Weigerung zur Verrichtung dieser Arbeiten, können sie schon jetzt Solidarität ausüben, und zur schnelleren Herbeiführung eines günstigen Resultats des Streiks beitragen. [] Also noch einmal, kein Steuermann darf Arbeiten der Bootsleute verrichten. [] Sollten Kollegen entlassen werden, so sollen sie den eventuell gebotenen Lohn unter Vorbehalt annehmen resp. den noch zu fordernden Lohn verlangen; wird dieser verweigert, so werden wir die Rechte der Kollegen schon zu wahren wissen. [] Dieses wäre ungefähr die gegenwärtige Situation! [] Kollegen! Binnenschiffer und Hafenarbeiter, wir glauben alles getan zu haben, um einen Streik zu vermeiden. Aber durch die Verhältnisse gezwungen und durch das protzenhafte Verhalten der Arbeitgeber sind wir in von uns gern vermiedene Kämpfe getrieben. [] Wir ersuchen nun sämtliche Berufskollegen sich in dem Kampfe, soweit sie in Frage kommen, uns anzuschließen. [] Die Hafenarbeiter möchten wir ganz besonders auffordern, Eure Solidarität dahin auszuüben, daß Ihr zunächst die Arbeiten, die von uns verrichtet worden sind, nicht vollführt. Dann sämtliche Kollegen im Hafen über den Sachverhalt Aufklärung gebt, und diejenigen, die eventuell Streikarbeiten verrichten sollten, auf das verwerfliche ihrer Handlungsweise aufmerksam macht; und sie auffordert als Klassengenossen sich mit den Streikenden solidarisch zu erklären. [] Allo nochmal, Kollegen im Hafen, begeht keine Streikarbeit und macht jeden Hafenarbeiter, Binnenschiffer usw. darauf aufmerksam, daß wir den Frieden gerne gewollt, aber durch das taktlose Verhalten unserer Arbeitgeber der Kampf uns aufgezwungen ist. [] Kollegen! Wenn Ihr die Solidarität in diesem Sinne ausübt, dann muß der Sieg unser sein. [] Verlag : A. Rocksien, Hamburg. [] Paul Bennschneider, Steindamm 84
|