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Die deutschen Bischöfe warnen vor Gefahren für die Gesellschaft [] Stellungnahme der Bischofskonferenz zur Strafrechtsreform [] Zum Abschluß Ihrer Herbstvollversammlung in Fulda hat die Deutsche Bischofskonferenz am Freitag, 25. September, in Fulda eine Verlautbarung zur Strafrechtsreform, insbesondere zum Schutz des werdenden Lebens, und zur Verbreitung von Pornographie veröffentlicht. Die Verlautbarung hat folgenden Wortlaut: [] Ein beim Kommissariat der deutschen Bischöfe in Bonn bestehender Arbeitskreis für die Strafrechtsreform hat seit mehr als einem Jahrzehnt zu vielen Fragen der Gesamtreform sachkundige und im einzelnen begründete Vorschläge gemacht, die bei den Vorbereitungen der Reform weitgehend verwertet worden sind. Wir danken dem Arbeitskreis für seine Gutachten und Stellungnahmen. [] Zwei Tendenzen der gegenwärtigen Diskussion über die Strafrechtsreform sind für unser Volk und für jeden Christen von solchem Gewicht, daß wir Bischöfe uns verpflichtet sehen, zu ihnenöffentlich Stellung zu nehmen. Gewisse politische Gruppen versuchen, die Strafbestimmungen zum Schutze des werdenden Lebens für die ersten drei Monate der Schwangerschaft und die Vorschriften gegen die Verbreitung der Pornographie abzuschaffen oder einzuschränken. [] Hier handelt es sich um zwei entscheidende Fragen des Schutzes menschlichen Lebens und menschlicher Würde in unserem Volk. [] Wir Bischöfe erhalten in den letzten Wochen und Monaten eine steigende Zahl von Zuschriften, in denen wir - oft in geradezu beschwörender Weise - darum gebeten werden, den bezeichneten Tendenzen eine klare Haltung und ein deutliches Wort der Kirche entgegenzusetzen. [] Der Schutz des werdenden Lebens [] Die Frage, ob und in welchem Umfang der Staat auch das werdende Leben durch sein Strafgesetz schützen muß, ist in den letzten Jahren viel diskutiert worden. Die Diskussion bezog sich in der Vergangenheit auf Grenzfragen, etwa die der sog. "ethischen Indikation", d. h. auf die Tötung des durch Vergewaltigung gezeugten menschlichen Lebens im Mutterschoß. Jetzt wird darüber hinaus öffentlich für eine generelle Straflosigkeit der Abtreibung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft und für eine wesentliche Ausweitung der Abtreibungsvoraussetzungen in den späteren Monaten der Schwangerschaft plädiert. [] Sollten solche Bestrebungen Gesetz werden, würde der Staat eine seiner wesentlichsten Pflichten, die Pflicht zum Schutze des Lebens, in unverantwortlicher Weise verletzen. Das werdende Leben bedarf vom Augenblick der Empfängnis an des Schutzes. Es ist unantastbar wie das Leben des schon geborenen Kindes. An diesem Grundsatz, der der beständigen Lehre unserer Kirche entspricht, müssen wir unverbrüchlich festhalten. [] Die Betonung dieses sittlichen Grundsatzes allein genügt aber nicht zum Schutz des Lebens. Ohne eine Strafbestimmung kann die Verpflichtung der Rechtsgemeinschaft und jedes einzelnen ihrer Glieder gegenüber dem keimenden Leben nicht hinreichend gesichert werden. Der strafrechtliche Schutz ist um so angemessener und notwendiger, als das geschützte Rechtsgut, das ungeborene Leben, besonders gefährdet und ganz auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Das ungeborene Leben ist nicht Teil des Körpers der Mutter, über den sie frei verfügen könnte. [] Hier geht es um die sittliche Grundordnung unserer Gesellschaft und um den Anspruch auf Humanität in unserem Staat. Wir Bischöfe fühlen uns in unserem Gewissen verpflichtet, allen Bestrebungen zu widersprechen, die die Tötung werdenden Lebens, auch im Frühstadium, straffrei werden lassen. [] Die Verbreitung pornographischer Erzeugnisse [] Weite Kreise unseres Volkes sehen sich gegen ihren Willen einer erheblichen Belästigung durch pornographische Erzeugnisse ausgesetzt. In steigendem Maße wird die Bundesrepublik in den letzten Jahren auch aus dem Ausland von einer Welle grob unzüchtigen Materials in Schrift, Bild, Film und Schallplatten überschwemmt. Zahlreiche deutsche Filmgesellschaften, Buch- und Zeitschriftenverlage sowie Schallplattenhersteller beteiligen sich an dem offensichtlich einträglichen Geschäft mit der Pornographie. Während bei den meisten, die pornographisches Material herstellen und verbreiten, reine Profitgier das ausschlaggebende Motiv ist, muß bei manchen angenommen werden, daß sie mit dieser Pornographiewelle die gesellschaftliche Ordnung bewußt zerstören wollen. [] In dieser Lage muß es befremdlich erscheinen, daß die bestehenden Strafvorschriften gegen die Verbreitung unzüchtiger Gegenstände In einem weiten Umfange abgeschafft oder eingeschränkt werden sollen. Wir wissen, daß der strafrechtliche Schutz allein nicht ausreicht und daß zuständige Behörden selbst bei beachtlichen Anstrengungen der Flut unzüchtigen Materials nicht Herr werden können. Aber niemand, der etwa für die Bekämpfung der Rauschgiftsucht verantwortlich ist, wird eine Erleichterung seiner Aufgabe darin sehen, die strafrechtlichen Bestimmungen gegen die Verbreitung von Rauschgift einzuschränken oder aufzuheben. [] Der Öffentlichkeit wird vielfach die Meinung aufgedrängt, daß Pornographie ein legitimer Ausdruck menschlicher Sexualität sei. Wer sich ihrer ungehinderten Verbreitung widersetzt, gerät in den Verdacht, prüde zu sein und die Freiheit des Bürgers einschränken zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Pornographie ist nicht nur eine Verletzung der echten Werte menschlicher Geschlechtlichkeit. Sie stört die Einordnung der Geschlechtlichkeit in die Ganzheit der menschlichen Person. Sie hindert die Entwicklung zu menschlicher Partnerschaft in Liebe und Ehe. Sie widerspricht dem Dienst am Leben des einzelnen und der Gesellschaft. Dabei wissen wir wohl, daß die Pornographie nicht nur ein strafrechtliches Problem ist, sondern vor allem auch Rückfragen an die Gesamtsituation der heutigen Gesellschaft erfordert. Pornographie ist nicht die Krankheit selbst, sondern Symptom einer tiefen Unordnung im Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zum Mitmenschen und zu Gott. [] Die Aufdringlichkeit, mit der die Pornographie in Filmen, Büchern, Zeitschriften, in manchen Wochen- und Tageszeitungen, in der Kinoreklame und auf andere Weise in dieÖffentlichkeit getragen wird, ist ein unverantwortlicher Angriff auf die Freiheit und Würde des Menschen. Der Staat ist gerade um der Freiheit und Würde seiner Bürger willen verpflichtet, dem Einhalt zu gebieten. [] Ein wirksamer Schutz der Jugend vor der Pornographie, den viele anerkennen, wird noch weniger als bisher gewährleistet, wenn die Strafvorschriften fallen oder auf den Jugendschutz beschränkt werden. Der Jugendschutz darf nicht unter dem Verdacht einer doppelten Moral stehen. [] Wir appellieren mit allem Nachdruck an die Bundesregierung, an den Bundestag und an die gesamte Öffentlichkeit, den Tendenzen, den Schutz des werdenden Lebens zu vermindern und die Bestimmungen gegen die Verbreitung pornographischen Materials einzuschränken oder abzuschaffen, um der Würde des Menschen willen entschieden entgegenzutreten. [] Wir bekräftigen aber auch unsere eigene Verpflichtung und die Verantwortung aller Christen: Menschenleben und Menschenwürde, diese Grundwerte jeder freien sittlichen Ordnung eines Volkes, bleiben nur unangetastet, wenn sich die Staatsbürger als einzelne und in ihren vielfältigen Gruppierungen zu ihrem Anwalt machen. Es ist Auftrag der Christen, dieser Aufgabe mit Mut und in Verantwortung vor Gott gerecht zu werden. [] Fulda, den 25. September 1970 [] Für die Deutsche Bischofskonferenz [] Julius Kardinal Döpfner [] Erzbischof von München und Freising
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