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Die Fackel [] Nummer 2 [] Wählerzeitung für die Kommunalwahl [] 1956 [] Seit 1952: Die Zeit steht still [] In diesen Tagen standen die Zeiger der Rathausuhr mal wieder still, die Zeit ging darüber hinweg. Aber dieser Fehler ist durch einen geschickten Uhrmacher zu reparieren. [] Anders ist es mit der Tatsache, daß nicht nur am Rathaus die Zeit still steht, sondern im Rathaus selbst ist der Uhrzeiger seit 1952 auch stehen geblieben, nämlich der Zeiger jener Uhr, die die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Wilhelmshaven mit all ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung dieser Stadt anzeigt. [] Trotzdem - oder gerade deswegen - schlägt jetzt die Stunde, die Stunde der Abrechnung für die, die mit ihrer nicht auf das Wohl der Allgemeinheit, sondern auf das Interesse des einzelnen abgestellten Politik die Zeiger auf dem Null-Punkt anhielten. Da hilft kein noch so geschickter Uhrmacher, da kann nur der Wähler mit einem radikalen Kurswechsel selbst korrigierend eingreifen. Und das soll und wird am 28. Oktober 1956 geschehen. Die Neuwahl des Rates der Stadt wird die große Abrechnung werden. Das Schicksalsjahr 1952 [] 1952 "siegte" der "Antimarxistische Wahlblock". Dieser "Sieg" trug jedoch den Stachel des eigenen Zusammenbruchs in sich. An der Frage "Wer soll Oberbürgermeister werden?" zerbrach der "Block". [] 1952 wurde der wirtschaftliche Aufbau Wilhelmshavens jäh unterbrochen. Auf Antrag des Ratsherrn Wussow wurde sogar von der Rechtsmehrheit im Wirtschaftsausschuß beschlossen, keine weiteren Betriebe mehr nach Wilhelmshaven zu holen. Grund: Man wollte sich für die bestehenden Betriebe eine Arbeitslosenreserve erhalten, damit die inzwischen Beschäftigung gefundenen Arbeiter und Angestellten keine Möglichkeit zum Arbeitsplatzwechsel fanden. Was sagen die über 4000 Arbeitslosen in Wilhelmshaven zu dieser Interessentenpolitik? [] 1952 ging das gute Ansehen Wilhelmshavens verloren. Die Stadt hatte sich unter sozialdemokratischer Führung einen guten Namen gemacht. Die Trümmer des mörderischen Krieges waren viel schneller als in anderen Städten beseitigt worden, eine große Anzahl von Betrieben mit weit mehr als 18000 Arbeitsplätzen angesiedelt. Der soziale Wohnungsbau wurde mit Energie betrieben. Bis Ende 1952 wurden insgesamt 2559 Wohnungen errichtet, weitere hunderte befanden sich noch im Bau. Die CDU ist jetzt stolz darauf, in den letzten vier Jahren ganze 5000 Wohnräume (wohlverstanden "Wohnräume", keine Wohnungen) geschaffen zu haben. Von dieser Zahl sind noch die "Räume" abzuziehen, für deren Schaffung die SPD-Mehrheit die Voraussetzungen geschaffen hatte. 4000 Familien sind immer noch ohne eigene Wohnung, ebenso viele ohne ausreichende Wohnung. [] 1952 und in den folgenden vier Jahren galt nicht mehr das Wohl der B+rger, sondern das eigene Wohl. Die Rechtsparteien sprechen zwar immer vom "Wohl der Stadt", aber nur dann, wenn es um Wahlen geht. Sie unternahmen in den letzen Jahren auch viele Reisen nach Hannover und Bonn und machten damit klanvolle Propaganda. Was brachten sie aber für die Stadt wirklich mit? Nur leere Versprechungen - keine Tatsachen! Daher: Keine Werft, keine neuen Betriebe, schleppender Wohnungsbau. [] Wir Wilhelmshavener wissen: [] Wer nach dem Kriege sofort die Karre aus dem Dreck gezogen hat, [] wer nicht nur neue Industriebetriebe versprochen, sondern auch wirklich neue Arbeitsplätze geschaffen hat, [] wer im Schul-, Wohnungs- und Straßenbau auf größte Erfolge zurückblicken kann, [] wer stets hielt, was versprochen wurde, [] wer nicht an Werftgefühle appellierte, sondern Taten für sich sprechen ließ. [] Wir Wilhelmshavener wissen: [] Unter der SPD war's besser! [] Wir wollen keine Interessentengruppen im Rathaus, sondern Ratsherren, die für des Wohl aller Wilhelmshavener Bürger handeln. [] Darum wählen wir diesmal wieder die SPD [] So sieht die Praxis aus [] Seit die Rechtsparteien im Wilhelmshavener Rathaus alleinbestimmend sind, hat sich bei der Vergebung öffentlicher Aufträge folgende Praxis entwickelt: [] - Keine öffentlichen Ausschreibungen mehr, die Ausschreibungen werden nur noch beschränkt auf einen kleinen Kreis von Handwerkern und Unternehmern. [] - Die öffentlichen Aufträge werden zu großen Teil an solche Gewerbetreibenden vergeben, die in den Ausschüssen an den Auftragsvergebung bzw. deren Vorbereitung mitwirken. [] - Erfolg: Ansehnliche Umsätze von Ratsherrn mit der Stadt Wilhelmshaven. [] Was sagen die übrigen Handwerksmeister und Unternehmer zu einer solchen Praxis? Als Steuerzahler haben alle das gleiche Recht auf die Aufträge der Stadt. Die SPD wird wieder Sauberkeit und Anständigkeit in den Rat und seine Ausschüsse bringen. Die SPD verlangt öffentliche Rechenschaftslegung über die Verwendung der städtischen Gelder mit Angaben darüber, wem Aufträge im Rahmen der Millionenbeträge, die in den letzten vier Jahren verausgabt wurden, erteilt worden sind! [] Das Vertrauen der Wähler hat die SPD [] Die Zahl der im Stadtgebiet für die SPD abgegebenen Stimmen ist seit 1946 von Wahl zu Wahl gestiegen. Hier die Tatsachen, die für sich selbst sprechen: [] 13.10.46 Kommunalwahl (45699:3) [] 15233 Stimmen [] 20.4.47 Nieders. Landtag [] 15480 Stimmen [] 28.11.48 Kommunalwahl (52388:3) [] 17463 Stimmen [] 14.8.49 Bundestag [] 17650 Stimmen [] 6.5.51 Nieders. Landtag [] 18600 Stimmen [] 9.11.52 Kommunalwahl (63321:3) [] 20107 Stimmen [] 6.9.53 Bundestag [] 21788 Stimmen [] 24.4.55 Landtag [] 22783 Stimmen [] Bei der Landtagswahl am 24.4.1955 stimmten 45,24 Prozent der Wilhelmshavener Wähler für die Liste 1 der SPD. Die Misswirtschaft des Rechtsblocks wird Tausende von Wählern veranlassen, am 28. Oktober 1956 ihre Stimme ebenfalls der SPD zu geben. [] Unsere Kandidaten bürgen Ihnen für die weiter friedliche Entwicklung Wilhelmshavens. [] Verlogene Werftpropaganda [] Ob Kommunalwahlen, Landtagswahlen oder Bundestagswahlen vor der Tür standen, immer wieder versuchten die Rechtsparteien der Wählerschaft vorzugaukeln, man könne das in vollem Umfange wieder schaffen. Obwohl bekannt war, daß der Bund eine Staatswerft ablehnt, was verschiedene Minister selbst in Wilhelmshaven und in Bonn öffentlich erklärt haben (Blücher, Seebohm, Blank, Storch), sollen die Wähler weiterhin mit dem Werftversprechen geködert werden. Auch die SPD wünscht für Wilhelmshaven wieder eine große Werft mit vielen Arbeitsplätzen. Die Verwirklichung dieses Wunsches hängt aber davon ab, ob sich eine kapitalkräftige Gruppe findet, die die hier gebotenen Möglichkeiten für eine solche Werft auszunutzen gewillt ist. Die Rechtsparteien haben eine solche Gruppe von Interessenten auch noch nicht gefundne, obwohl sie angeblich so gute Beziehungen zu solchen Kreisen haben. [] Eine Marine-Reparaturwerft kann einigen hundert Arbeitern Lohn und Brot geben. Sie wird aber keinesfalls ein Ersatz sein können für den ehemals großen Marine-Werftbetrieb. Wer das verspricht, belügt die Wähler bewußt! [] Die SPD will nicht nur eine neue Werft mit vielen Arbeitsplätzen, Sie will daneben die vorhandene Industrie weiter ausbauen durch Festigung der vorhandenen und durch Heranziehung neuer Betriebe. Jeder arbeitsfähige und arbeitswillige Einwohner der Stadt soll seinen sicheren Arbeitsplatz erhalten. [] Stimme des "Kleinen Mannes": [] Laßt vernünftige Leute im Rathaus schalten [] Ich bin nur ein kleiner Elektriker. Im Rathaus. Ne, nicht verantwortlich für die Schalttafel, sondern nur dafür, daß alles so seinen Gang geht. Da macht man ja was mit in so einer Legislaturperiode. Früher hatte ich bei meiner Arbeit lauter rote Kontrollampen. Da konntest dich drauf verlassen. Aber nach der letzten Kommunalwahl wurden dann plötzlich alles schwarz. Da muß wohl irgendwo ein Defekt in der Leitung gewesen sein. Der Schaden konnte bisher noch nicht wieder behoben werden. Man will nun sehen, ob man am 28. Oktober nicht wieder alles in Ordnung bringen kann. [] Also in der Leitung waren allerhand Defekte. Eines Tages gab es plötzlich einen Kurzschluß. Da war in einem Block eine Sicherung durchgebrannt, und der Strom hatt sich ein anderes Bett gesucht. Das ging ziemlich rasck und ohne, daß man vorher etwas gemerkt hätte. [] Dann kam ein studierter Mann an die Schalttafel. Das ging aber nicht so reibungslos, weil der bisherige Mann auf diesem Posten so überaus gerne an der Schalttafel schaltete und waltete und das ganze Netz des Rathauses bändigen wollte. Der warf dann auch mit "großer Lump" und "Lumpenhund" und "Aufwandsentschädigungsschieber" und anderen höflichen Floskeln, die ein Meister in einer Schlosserwerkstatt nicht einmal zu einem ungeschickten Stift sagt, nur so um sich. Aber er kam nicht wieder an die Tafel. Ich glaube, dasärgert ihn heute noch. [] Eine Zeitlang klappte dann ja alles so einigermaßen, bis einer der Assistenten plötzlich umfiel, an einem Schwächezustand. Aber er kriegte gleich einen Sitz. Im Verwaltungsausschuß. Das war sozusagen ein Geschenk für seine Krankheit. [] Und dann verhagelte auch dem neuen Schalttafelinhaber die Peters-ilie ganz gewaltig. Da kam noch ein neuer. So einen Verschleiß an diesen Posteninhabern habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Aber das lag immer an den Blöcken, die mehrmals ausgewechselt werden mussten. Ich für meinen Teil habe davon genug. Gebt mir im Rathaus bloß wieder Leute, die Wilhelmshaven innen und außen wieder in altem Licht erstrahlen lassen. [] Hein [] Herausgeber: Wahlausschuß der SPD, Kreisverein Wilhelmshaven, Adalbertstr. 2 - Druck: Paul Hug & Co, Wilhelmshaven
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