Beate Reiser sprach für Euch Frauen und Mütter

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Beate Reiser [] sprach für Euch [] FRAUEN UND MÜTTER [] Wenn ich zu den Forderungen, zu einigen Abschnitten des Aktionsprogramms der SPD aus der Sicht der Frau, der Kriegshinterbliebenen und der Heimatvertriebenen Stellungen nehme, darf ich...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Druckhaus Deutz
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 10.05.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/62B5FE9F-920C-4276-A1AD-2DCC758E16A9
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Beate Reiser [] sprach für Euch [] FRAUEN UND MÜTTER [] Wenn ich zu den Forderungen, zu einigen Abschnitten des Aktionsprogramms der SPD aus der Sicht der Frau, der Kriegshinterbliebenen und der Heimatvertriebenen Stellungen nehme, darf ich aus der bitteren Erfahrung meines eigenen Schicksals sprechen. [] Nach dem Verlust der Heimat, der mich - wie die meisten Heimatvertriebenen - einer Lebensgrundlage (einer eigenen Landwirtschaft) beraubte, ohne die Hilfe des Lebensgefährten, der in Rußland verschollen ist, erlebte ich, wie ungeheuer schwer es für eine Frau ist, wieder zu einer menschenwürdigen Existenz zu kommen. Da ich zunächst keine andere Arbeitsmöglichkeit bekam, arbeitete ich nach 1945 drei Jahre lang in der Landwirtschaft, im Gartenbau und als Hausgehilfin. In dieser Zeit lernte ich erkennen, was es bedeutet, mit einem Stundenlohn von 50 bis 60 Pfennig sein Leben fristen zu müssen. Auch heute noch arbeitet der größte Teil der erwerbstätigen Frauen - das sind über 50 vH - in diesen ungelernten schweren und schlechtbezahlten Berufszweigen (Land- und Forstwirtschaft, häusliche Dienste). [] Ich glaube, daß diese Tatsache so deutlich wie nichts anderes zeigt, wie berechtigt unsere Forderungen sind, auch für die Frau das Recht auf einen Arbeitsplatz zu sichern und die Entlohnung lediglich von der Art der Arbeit bestimmen zu lassen, unabhängig davon, ob ein Mann oder eine Frau diese Arbeit verrichtet. Wesentlich erscheint mir als Frau weiterhin die Forderung, daß keine Mutter vorschulpflichtiger und schulpflichtiger Kinder aus wirtschaftlicher Not gezwungen sein sollte, einem Erwerb nachzugehen. [] Dieses ist einer der wesentlichsten Grundsätze zum Schutze der Familie und zum Schutze der heranwachsenden Kinder. [] Besonders die Kriegshinterbliebenen, die mit völlig unzureichenden Renten abgespeist werden und die Familien, in denen jahrelange Arbeitslosigkeit des Mannes oder der Verlust aller Habe die Frau und Mutter zum Mitverdienen zwingt, können die nachteiligen Folgen der Berufsarbeit (und der damit verbundenen Abwesenheit der Mutter) auf die sich selbst überlassenen Kinder bestätigen. Daher müssen wir für Bereitstellung von Kindergärten und -horten, für ausreichende Arbeits- und Mutterschutzgesetzgebung, Müttererholungsheime und viele andere Einrichtungen mehr sorgen. [] Vor allem aber auch für ausreichende Versorgung der Kriegshinterbliebenen und Kriegsgeschädigten! Die Lasten des Krieges sollen nach unserer Meinung von allen gemäß ihrer Kraft und nicht von den am meisten Geschädigten allein getragen werden. Ziel aller Maßnahmen für die Schwerbeschädigten muß ihre Wiedereingliederung in das praktische Leben sein. Diese Menschen, denen der Staat das Leben so schwer macht, möchten sich doch einmal eine Existenz aufbauen wie andere auch, denn es zur ja nicht ihre Schuld, daß sie in diese Situation geraten sind. [] Stärksten Widerhall in der Bevölkerung hat aber der Einsatz der Sozialdemokratischen Partei für die Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und Verschleppten gefunden. Und wenn ich hier ganz besonderen Nachdruck darauf lege, so möchte ich noch einmal betonen, daß ich es selbst erfahren habe, was es bedeutet, von Tag zu Tag warten zu müssen und nichts zu wissen und heute noch zu warten und nicht zu wissen, ob die Menschen, die verschwunden sind, noch leben oder tot sind. Und ich glaube, wir sollten es nicht vergessen, daß zu einer Zeit, als erst ganz zögernd einzelne Stimmen nach Gerechtigkeit für die Gefangenen und für die Aufklärung des Schicksals Vermißter laut wurden, die Sozialdemokratische Partei schon die Forderung nach Rückgabe der Gefangenen erhoben und darüber hinaus mit einer großen Hilfsaktion gearbeitet hat, das Schicksal Vermißter und Gefangener aufzuklären. Ich glaube, das sollten wir der Sozialdemokratie nicht vergessen, gerade wir, die wir als Frauen allein geblieben sind. Die unerhört schweren Opfer des einzelnen und weiter Teile unseres Volkes wären vermeidbar gewesen, wenn die politische Anteilnahme und die demokratische Willensbildung der Bevölkerung in größerem Maße vorhanden gewesen wären. Die Vertreibung von Millionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat war das grausame Schlußkapitel einer Diktaturpolitik. Nicht umsonst hat 1933 die SPD gewarnt: "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" [] Gerade wir Heimatvertriebenen haben alle Ursache, einen der Grundpfeiler der Demokratie, die Arbeiterbewegung, die längst zu einer Volksbewegung geworden ist, zu stärken. Die Sozialdemokratie ist es gewesen, die von Anfang an um das Recht der Heimatvertriebenen, um einen echten Lastenausgleich im Parlament gerungen hat. Es ist nicht ihre Schuld, wenn das endlich zustande gekommene Lastenausgleichsgesetz die sozialdemokratische Forderung nach einem sozialen und gerechten Lastenausgleich in keiner Weise verwirklicht hat. [] An dieser Stelle sei daran erinnert, daß Kurt Schumacher der erste deutsche Politiker war, der nach dem Zusammenbruch die Wiedergutmachung des Unrechts gefordert hat, das den Opfern der Potsdamer Austreibungsbeschlüsse angetan worden ist. [] Wir Sozialdemokraten vertreten mit allem Nachdruck das Recht der Vertriebenen, das Recht eines jeden Menschen auf seine Heimat, sein Volkstum, seine Sprache und seine Kultur. Und ich meine, daß gerade jeder, der von diesem einfachen, selbstverständlichen Menschenrecht ausgeschlossen ist, all seine Kräfte einsetzen müßte, sich einer Partei zur Verfügung zu stellen, die diese Ziele als oberste Ziele kennt. [] Wir wissen aber, daß die Heimführung, die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat eine Frage ist, die wir heute noch nicht behandeln können, und wir sind der Auffassung, daß wir heute und hier dafür sorgen müssen, daß die ihrer Heimat Beraubten eine menschenwürdige Existenz finden können. [] Von welcher Seite aus man das Schicksal der vom Krieg und seinen Folgen Geschlagenen sehen mag, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands vertritt - nicht nur in ihren Forderungen, sondern auch in ihren Handlungen, soweit sie bisher dazu Gelegenheit gehabt hat - das Recht der Frauen, der Kriegsopfer und der Vertriebenen und darüber hinaus die Rechte aller Menschen, die durch ihrer Hände Arbeit leben müssen. [] Um diese Ziele zu erreichen, brauchen wir die Einsicht der Wähler! Und ich möchte von dieser Stelle an alle appellieren, die irgendwie vom Schicksal betroffen sind, daß sie wach werden mögen durch die Schläge des Schicksals. Sie müssen erkennen, daß nicht von selbst sich unsere Lage wendet und sich unser Leben gestaltet, sondern daß wir alle Hände brauchen, um dieses Leben zu einem menschenwürdigen Leben zu machen. Es kommt auf jeden von uns an! Es kommt auf jeden an, der seine Stimme in diese große Waagschale werfen wird, in der in Zukunft entscheidende Fragen des deutschen Volkes gewogen werden, und ich will hoffen, daß sich die Waagschale nach der linken Seite neigt, links, wo das Herz ist, wie der Dichter Leonhard Frank gesagt hat. [] Es liegt in Eurer Hand, ob das Gesicht der Welt von morgen ein anderes werden wird; ob wir in Frieden und Freiheit ohne Ungerechtigkeit und ohne Furcht leben können. [] Denken wir an die Erklärung der Sozialistischen Internationale, die 1951 hier in Frankfurt beschlossen wurde. Sie weist uns Weg und Ziel, und es heißt dort am Schluß: [] "Die Sozialisten ringen um eine Welt des Friedens und der Freiheit; um eine Welt, in der die Ausbeutung und die Knechtung von Menschen durch Menschen und von Völkern durch Völker geächtet wird; um eine Welt, in der die Entwicklung der Persönlichkeit des einzelnen die Voraussetzung ist für die fruchtbare Entwicklung der ganzen Menschheit." [] Das waren die Worte, mit denen Beate Reiser der Not und der Hoffnung von Millionen von Frauen auf dem großen Wahlkongreß der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands am 10. Mai 1953 in Frankfurt a. Main Ausdruck gab. [] Millionen von Menschen teilen ihr Schicksal. Sie ist stark und fest geblieben im Vertrauen auf eine bessere Zukunft, eine Zukunft in [] Frieden [] Freiheit und [] sozialer Gerechtigkeit [] durch die SPD [] Herausgeber: Vorstand der SPD Bonn. Druck: Druckhaus Deutz
Published:10.05.1953