Eine Lebensfrage für dich - Wer will Inflation?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Eine Lebensfrage [] für dich - [] Wer will die Inflation? [] Frage in deinem Bekanntenkreis diejenigen, die immer mit dem Mund voll Redensarten herumlaufen, die mit einem radikalen Rezept alle Krankheiten d...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Vorwärts Buchdruckerei, Berlin
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: ca. 1931
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D67F1410-EA7D-45D3-B2D2-F6443D214A0A
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; [!] = sic!; [?] = vermutete Leseart Eine Lebensfrage [] für dich - [] Wer will die Inflation? [] Frage in deinem Bekanntenkreis diejenigen, die immer mit dem Mund voll Redensarten herumlaufen, die mit einem radikalen Rezept alle Krankheiten der kapitalistischen Welt heilen wollen, ob sie Inflation wollen, sie werden es sofort bestreiten. [] Frage dich also lieber selbst: [] Was ist Inflation? [] Welche politische Parteien machen immer wieder Vorschläge, deren Durchführung zur Inflation führen müssten? [] Welche politische Partei hat die Forderung von Gelddruck in ihrem Programm? [] Wer hatte den Vorteil und wer trüge die Kosten einer Inflation? [] Was ist Inflation? [] Inflation heißt Aufblähung. Wenn an jeden Zehnmarkschein eine Null oder drei gehängt werden, dann ist der Zehnmarkschein nicht mehr geworden, er sieht für Dumme nur so aus! Und wenn du, wie schon einmal, statt 50 Pfennig wieder fünf Millionen Mark Stundenlohn bekämst, der Bäcker würde dann fünf neumodische Millionen für ein Brot verlangen. [] Seit Ende 1923 darf die Reichsbank nicht mehr beliebig viel Geld drucken, und auch die Regierung kann es ihr nicht einmal durch Notverordnung befehlen. Die deutsche Mark ist nicht etwa deswegen wertbeständig, weil im Keller der Reichsbank ein oder zwei Milliarden Gold liegen, sondern weil wir und die ganze Welt zu der Mark das Vertrauen haben, daß sie nicht plötzlich über Nacht einige Milliarden "Junge" heckt. [] Neu gedrucktes Geld würde uns im Ausland niemand abnehmen, das aus dem Nichts geschöpfte Geld wäre eine Binnenmarkt. [] Wer will eine innere Mark? [] Geheimrat Hugenberg, der Führer der Deutschnationalen Volkspartei, erklärte in einer Kundgebung im Sportpalast in Berlin: "Aber es gibt einen anderen Weg, der unser Volk aus dem Elend herausführen kann. Nur die nationale Opposition kann ihn weisen und gehen. Kurz könnte man ihn mit dem Worte bezeichnen: Zurück zur Helfferich-Mark! Zurück zu einem inneren Umlaufmittel..." [] Die kommunistische Partei [] machte während der vier Tage, die der Reichstag beisammen war, die folgenden "wenigen" Vorschläge: [] [Tabelle] [] Auf ein Jahr umgerechnet, müßten in Zukunft 30 Milliarden statt bisher 10 Milliarden Mark Steuern aufgebracht werden. [] Wie machen das die kommunistischen Vorschläge? Sie enteignen - auf dem geduldigen Papier - die höheren und hohen Einkommen und Vermögen dreimal hintereinander, und dann versteuern sie diese Einkommen und Vermögen noch zweimal nacheinander! [] Das sind nun Volksvertreter aus dem Jahre 1931! Sie haben ihre Anträge nicht mal zusammengerechnet, sonst hätten sie wohl selbst gemerkt, daß bei deren Durchführung das Deutsche Reich das nötige Geld - selbst drucken, also Inflation machen müßte! [] Die Kommunisten sind Inflationsschuster wider Willen... [] Was wollen die Nazis und die Hugenberger? [] Beide [?] wünschen eine Binnemnark, also neben unserer bisherigen [?] international gültigen Mark soll für das Inland [?] noch ein besonderes Geld geschaffen werden. Die Nazis haben nach ihrem Programm, nach ihren Vorschlägen im Reichstag und ihren sonstigen Aeußerungen die Absicht, drei Sorten neues Binnengeld zu schaffen, sobald sie an die Macht kommen. Sie wollen schaffen: [] 1. Reichsdarlehenskassenscheine, [] 2. Baumarkscheine, [] 3. Umwandlung aller öffentlichen Schuldtilel in Zahlungsmittel. [] Die Reichsdarlehenskassenscheine sollen auf die Art erzeugt werden, daß in Zukunft bei der Durchführung aller öffentlichen Aufgaben des Reichs, der Länder und der Gemeinden die Bezahlung durch zinslose Reichsdarlehenskassenscheine erfolgt. Man denke z. B. an den Bau von Kraftwerken, Kanälen, Schulen usw. In allen diesen Fällen sollen die Lieferanten und die Arbeiter mit Reichsdarlehenskassenscheinen bezahlt werden. [] Die Bauaufgaben, die die Wohnungsnot uns immer wieder neu stellt, sollen auf die gleiche Art finanziert werden. Zu diesem Zweck zu gründende Bau- und Wirtschaftsbanken sollen Baumarkscheine ausgeben, die ebenfalls wieder jedem Handwerksmeister und jedem Arbeiter in Zahlung zu geben sind. [] Im übrigen sollen nach dem Vorschlag des nationalsozialistischen Programms die Kriegsanleihestücke und alle übrigen Schuldverschreibungen des deutschen Reiches und der deutschen Bundesstaaten, alle Eisenbahnanleihen und die Schuldverschreibungen aller Selbstverwaltungskörper unter Aufhebung der Zinspflicht zu gesetzlichen Zahlungsmitteln im Nennwerte erklärt werden. Wir haben heute in Deutschland insgesamt etwa sechs Milliarden Zahlungsmittel im Umlauf, ein bestimmter Teil davon ist von ängstlichen Leuten in den Strumpf gesperrt. Die fünf Milliarden, die im Kreislauf des täglichen Verkehrs sich bewegen, entsprechen der in der Krise zusammengeschrumpften Wirtschaft. [] Kämen die Nationalsozialisten an die Macht und ließe man sie an die Währung, dann würden durch die Umwandlung der öffentlichen Anleihen in gesetzliche Zahlungsmittel aus einen Schlag 23 Milliarden Mark neue innerdeutsche Umlaufsmittel geschaffen. [] Dazu kämen die Baumarkscheine und die Reichsdarlehenskassenscheine. Wir hätten also sofort weitere sechs Milliarden Mark Papiergeld. Das Exempel ist sehr einfach. Neben den sechs Milliarden international gültiger Reichsmark hätten wir als Binnenwährung noch weitere 31 Milliarden Mark an "Geld". [] Die Nazi-Kassenscheine würden neben den anderen Riesenmengen an Binnenmark vom Gewerbetreibenden und vom Lohnempfänger zum Bäcker, Schlächter und Hauswirt, von diesen zum Schuhmacher und zum Schlachthof und nicht zuletzt immer wieder zu den Lohn- und Gehaltsempfängern wandern. Wir würden alle wieder "Millionäre" werden. Die Inflationsmark würde mit dem Wochenlohn und mit dem Monatsgehalt ständig zirkulieren. Die Waren würden sich dadurch nicht vermehren, aber sie würden ihre Preisziffer ändern, wir hätten noch mehr Elend und Not als heute. [] Wer trägt die Kosten einer Inflation und wer hat davon den Vorteil? [] Zuerst gewinnen alle Schuldner von den bis über den Hals verschuldeten Industriellen bis zur Dresdner Bank, die vom Deutschen Reiche Geld geliehen bekommen hat. Alle Gläubiger hätten den Schaden. Der Wiederbeschaffungspreis seligen Angedenkens würde auferstehen, das heißt, alle Preise würden steigen. Uebrig bleiben dann als die eigentlichen Verlustträger die Verkäufer von Arbeitskraft. An dieser Front käme es zur Auseinandersetzung darüber, wer die Zeche zu zahlen hat. Die Armen müßten zahlen, denn in der Inflation verlieren sie die letzte Kraft des Widerstandes. [] Die Harzburger Front der wilden Nationalisten bedeutet durchaus nicht, daß Seldte oder Hitler an die Regierung sollten. An die Macht wollen ganz andere Leute, aber die Truppen zu diesem Krieg dürfen die Stahlhelmer und die Nationalsozialisten stellen. [] In der "Deutschen Handelswacht" bespricht Max Habermann, Verwaltungsratsmitglied des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes, das Bündnis, das Hitler in Harzburg mit Hugenberg geschlossen hat. Dieser Artikel ist um so bemerkenswerter, als Habermann mit Recht darauf hinweist, daß der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband bisher der nationalsozialistischen Bewegung außerordentlich wohlwollend gegenübergestanden hat. Trotzdem schreibt er: [] "Die nationale Opposition, wie sie bisher in Harzburg aufgetreten ist, bereitet uns eine schwere Sorge, weil sie die Gefahr deutlich macht, daß der nationale Sozialismus seinen Weg im Bündnis mit der finstersten, von der Schwerindustrie finanzierten sozialpolitischen Reaktion gehen will." [] Weil die Sozialdemokratie erkannt hat, was hinter dem mittelbürgerlichen Reichskabinett Brüning zum Sturme gegen die armen Leute aufmarschierte, weil sie weiter sieht als die politischen Wunderdoktoren und als die ihnen unüberlegt folgenden Mitläufer, deswegen hat sie die derzeitige Reichsregierung nicht gestürzt. [] Auch die Regierung Brüning wird nicht ewig leben! An ihre stelle dürfen aber niemals Inflationisten kommen! [] Das ist unser Standpunkt und unser sozialdemokratisches Programm. Es wendet sich an den Verstand, es geht gegen Inflation und Reaktion. [] Marschiere mit uns! [] Verantwortlich: R. Hauschildt - Druck: Vorwärts Buchdruckerei, beide Berlin SW 68, Lindenstraße 3. 1.11.31
Published:ca. 1931