Rundbrief für Flüchtlinge

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung Rundbrief [] FÜR FLÜCHTLINGE [] SPD BAYERN [] München, Schackstraße 2 [] Flüchtlingsausschuß [] Das Flüchtlingsgesetz [] Die Situation der Flüchtlinge und Ausgewiesenen erfordert zwingend die gesetzliche Festlegung ihrer Rechtsverhält...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Landesvorstand Bayern, Werner, E., R. Stadelmeier, München
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1946 - 1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/177DE7AB-0F1C-4476-B0D2-A895A6ECC5BD
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung Rundbrief [] FÜR FLÜCHTLINGE [] SPD BAYERN [] München, Schackstraße 2 [] Flüchtlingsausschuß [] Das Flüchtlingsgesetz [] Die Situation der Flüchtlinge und Ausgewiesenen erfordert zwingend die gesetzliche Festlegung ihrer Rechtsverhältnisse in ihrer unfreiwilligen neuen Heimat. [] In einer einstimmig angenommenen Resolution ist die Sozialdemokratische Partei in Bayern auf dem ersten Landesparteitag in Erlangen für die völlige, politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung der Flüchtlinge und Ausgewiesenen eingetreten. Seit Monaten liegt der Bayerischen Staatsregierung ein von dein Landesausschuß für das Flüchtlingswesen der SPD in Bayern ausgearbeiteter Entwurf für ein Flüchtlingsgesetz vor, welches diese Gleichberechtigung gesetzlich garantieren soll. Der Staatskommissar für das Flüchtlingswesen in Bayern hat sich mit einigen geringfügigen Änderungen in Übereinstimmung mit Flüchtlingsvertretern der SPD und der CSU diesen Entwurf der SPD zu eigen gemacht. Er hat ihn im Auftrag der Bayer. Staatsregierung dem Flüchtlingsausschuß beim Länderrat in Stuttgart vorgelegt. Auch im Länderrat ist der Entwurf der SPD zur Beratungsgrundlage gemacht worden. Er ist dort bei den Beratungen im wesentlichen unverändert geblieben und liegt zurzeit dem Rechtsausschuß beim Länderrat vor. [] Bedauerlich ist die schleppende Behandlung des Flüchtlingsgesetzes, von dessen baldigem Zustandekommen das Wohl und Wehe der über 2 Millionen zählenden Flüchtlinge in der amerikanischen Besatzungszone abhängt. [] Die Flüchtlinge sind gegenüber den zahlreichen landesrechtlichen Bestimmungen machtlos, die unter völlig anderen Voraussetzungen zugunsten der einheimischen Bevölkerung erlassen wurden, die aber mangels bisher vorliegender gegenteiliger Bestimmungen den Flüchtlingen gegenüber zu ihren Ungunsten allzugern angewandt werden. Das gleiche gilt für neue Bestimmungen, die von den verschiedensten Behörden und Dienststellen zu Gunsten der einheimischen Bevölkerung erlassen und durchgeführt werden. [] Es ist an der Zeit, sehr entschieden und sehr energisch die alsbaldige Verabschiedung und Inkraftsetzung des Flüchtlingsgesetzes zu verlangen, damit die Flüchtlinge zu ihrem Recht kommen, das ihnen im übrigen von der amerikanischen Militärregierung als Selbstverständlichkeit zugestanden wird. [] Hier ist für die politischen Parteien, die sich für das Flüchtlingsgesetz eingesetzt haben, eine Gelegenheit gegeben, zu zeigen, daß sie den Flüchtlingen gegenüber nicht nur schöne Worte machen, sondern auch mit der Tat hinter ihrem Wort stehen. [] Die wichtigsten Bestimmungen des Flüchtlingsgesetzes: [] § 1, welcher den Geltungsbereich des Gesetzes festlegt, behandelt den Personenkreis, welcher Heimatrechte in Bayern erhält. Es sind dies neben kleineren Gruppen von Flüchtlingen aus dem Ausland die Sudetendeutschen und Schlesier (daneben Ost- und Westpreußen usw.), die ihren ständigen Aufenthalt in Bayern genommen haben. [] In der wichtigsten Bestimmung des Gesetzes, dem § 3, ist die Einbürgerung und Gleichberechtigung geregelt. Die Einbürgerung erfolgt grundsätzlich mit der Begründung des neuen Wohnsitzes in Bayern. Mit der Einbürgerung ist die völlige rechtliche Gleichstellung mit der einheimischen Bevölkerung in jeglicher Hinsicht verbunden. [] Von Wichtigkeit sind auch die Bestimmungen des § 4 über soziale Leistungen. Danach sind bei Hilfsbedürftigkeit Fürsorgeleistungen zu gewähren. Darüber hinaus können in besonderer Notlage Sonderleistungen zur Beschaffung von Kleidung, Wäsche, Möbeln und Hausrat und sonstiger dringender Lebensbedürfnisse gewährt werden. [] Hinsichtlich der Unterbringung ist hervorzuheben die Bestimmung des § 5, nach welcher die Dauer der Unterbringung in Not- oder Sammelunterkünften auf ein Mindestmaß zu beschränken ist, und daß diese Unterbringung der ärztlichen Untersuchung, Erfassung und Registrierung dienen soll. [] In § 6 ist den Flüchtlingskommissaren ein Beschlagnahmerecht von Einrichtungsgegenständen und Hausrat zugunsten der Flüchtlinge eingeräumt worden. Dort ist auch die Bestimmung enthalten, daß die Versorgung der Flüchtlinge mit Kleidung, Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen den Vorzug vor der übrigen Bevölkerung mit Ausnahme der Totalfliegergeschädigten hat. [] Sehr wichtig sind die Bestimmungen des § 9, in welchem die Gleichstellung der Flüchtlinge mit der einheimischen Bevölkerung festgelegt ist, bei der Einstellung von Beamten, der Anstellung von Angestellten und Arbeitern, der Erteilung von Handels- und Gewerbeberechtigungen, der Zulassung zu freien Berufen und Einrichtung selbständiger landwirtschaftlicher Betriebe. [] Die übrigen Bestimmungen des Gesetzes regeln die Organisation und die Zuständigkeiten der Flüchtlingsverwaltung, also des Staatskommissars für das Flüchtlingswesen und der ihm unterstellten Regierungs- und Flüchtlingskommissare. Hierbei ist als besonders wichtig hervorzuheben die Bestimmung, daß der Staatskommissar für das Flüchtlingswesen die Aufgabe hat, das Flüchtlingsgesetz und damit die in dem Gesetz festgelegte Gleichberechtigung der Flüchtlinge und Ausgewiesenen durchzuführen. [] Das Flüchtlingsgesetz enthält ferner Bestimmungen über die Flüchtlingsvertretungen. Hierüber wird in einer besonderen Abhandlung berichtet werden. [] Flüchtlingsausweise [] Bei einer Umsiedlung eines Flüchtlings innerhalb der amerikanischen Zone verbleibt die Karteikarte bei jener Stelle, die den Flüchtlingsausweis ausgestellt hat. In dieser Karteikarte wird die erfolgte Abmeldung und der neue Wohnsitz mit möglichst genauer Anschrift vermerkt. [] Der Flüchtling hat sich beim Flüchtlingskommissar seines neuen Wohnsitzes zu melden, wo eine neue Karteikarte angelegt wird, auf der zu vermerken ist, daß sich eine Karteikarte bereits beim Flüchtlingskommissar des früheren Wohnsitzes befindet. [] Bei der Umsiedlung eines Flüchtlings in eine andere Besatzungszone Deutschlands behält er den Flüchtlingsausweis, da dieser für ihn oft der einzige Nachweis dafür ist, daß er die Qualität eines Flüchtlings besitzt. Die Gefahr eines Mißbrauches besteht nicht, da evtl. ausgegebene bezugscheinpflichtige Waren im Flüchtlingsausweis vermerkt sind. [] Auf Grund einer getroffenen Vereinbarung übernahm die Firma Schenker & Co. den Transport von Gütern der Flüchtlinge und Evakuierten in Bahnsammelwaggons nach sämtlichen größeren Orten in der amerikanischen, britischen und französischen Zone Deutschlands: [] Augsburg, Nürnberg, Würzburg, Ulm a.d. Donau, Stuttgart , Mannheim, Frankfurt a. Main, Freiburg i. Breisgau, Köln, Düsseldorf, Essen, Hannover, Bremen, Hamburg. [] Diese Beförderungsweise hat den Vorteil, daß das Gut bis zur Bestimmungsstation ohne Umladung transportiert werden kann, eine schonende Behandlung gewährleistet wird und die Gefahr des Verlustes oder einer Beschädigung verhältnismäßig gering ist. Ferner ist eine Transportversicherung möglich. [] Gebt diesen Flüchtlingsbrief an Freunde und Bekannte weiter [] Landesvorstand der SPD - Verantwortlich: E. Werner, München, Schackstr. 2 Auflage: 50000. [] Druck: R. Stadelmeier, München 13, Clemensstr. 78
Published:1946 - 1947