Ein offenes Wort an die Sozialdemokraten Berlins

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; EIN OFFENES WORT AN DIE [] Sozialdemokraten Berlins [] SOZIALDEMOKRATISCHE AKTION [] FRANKFURT a. Main [] Sozialdemokraten von Groß-Berlin! [] In vielen Einzelbesprechungen haben Mitarbeiter der Sozialdemokratischen Aktion auch in Eurer Stadt...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Aktion (SDA), Zentralrat
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 10.1949 - 05.1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/F6175B0D-9724-4344-9EBF-D838194DC6D4
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; EIN OFFENES WORT AN DIE [] Sozialdemokraten Berlins [] SOZIALDEMOKRATISCHE AKTION [] FRANKFURT a. Main [] Sozialdemokraten von Groß-Berlin! [] In vielen Einzelbesprechungen haben Mitarbeiter der Sozialdemokratischen Aktion auch in Eurer Stadt, der Hauptstadt Deutschlands festgestellt, daß die Politik des gegenwärtigen Vorstandes unserer Partei bei allen fortschrittlichen Sozialdemokraten kein Vertrauen mehr findet. [] In immer weiteren Kreisen setzt sich die Erkenntnis durch, daß die gegenwärtige Führung der SPD hinsichtlich ihrer Intelligenz wie leider auch ihres Charakters zu unzulänglich ist, um tatsächlich sozialdemokratische Politik machen zu können. [] Nicht einmal in Westberlin, wo die sozialen Notstände und dieöffentliche Mißwirtschaft noch vor dem übrigen Westdeutschland der Katastrophe zutreibt, wollen die unfähigen, schwächlichen SPD-Führer von heute ihre Fehler erkennen und die notwendigen Schlußfolgerungen daraus ziehen. [] Genau wie die reaktionärsten bürgerlichen Politiker kleben diese sozialdemokratischen Politiker an Vorstellungen von gestern und vorgestern. Sie können nicht begreifen oder sie wollen - in Rücksicht auf ihre Pöstchen! - nicht verstehen, daß jetzt für ganz Deutschland im sozialen ebenso wie im nationalen Kampf die Stunde der Entscheidung geschlagen bat. [] Als wenn sie durch und durch in ihrer Gesinnung verfälscht oder - korrumpiert wären, verschließen sie sich den vier nicht mehr bestreitbaren, nicht mehr bezweifelbaren Erkenntnissen: [] erstens, daß die Arbeit nun in ganz Deutschland dem Kapital eindeutig den Kampf ansagen muß, wenn die Massen nicht in ein ewiges, trostloses Elend hineingeraten sollen; [] zweitens, daß dabei volkseigene Betriebe, dorfgemeinschaftliche Bauernwirtschaft und zentrale Wirtschaftsplanung ein Vorbild für ganz Deutschland geworden sind; [] drittens, daß Deutschland eine von außen unbehinderte und innerlich unvoreingenommene Zusammenarbeit mit der großen sozialistischen Weit den Ostens aufnehmen muß, wenn es sich nicht selbst zu ewiger Massenarbeitslosigkeit verdammen will; [] viertens, daß die beiden Teile von Deutschland und erst recht natürlich die beiden Hälften von Berlin zur Einheit kommen müssen, wenn sie alle diese Lebensnotwendigkeiten verwirklichen wollen. [] Als wenn sie ein Brett vor dem Kopf haben, schrecken sie vor dem Neuen, vor einem sozialistischen Neuen gerade in dem Augenblick zurück, wo dieses Neue für die arbeitenden Massen die Rettung bringt. [] In überaus zahlreichen Verhandlungen - die nicht mehr in die Dutzende, sondern bereits in die Hunderte gehen, haben aber die Mitarbeiter der Sozialdemokratischen Aktion festgestellt, daß gerade in der Mitgliedschaft der Berliner Sozialdemokratie der Boden für diese Erkenntnisse reif geworden ist. [] So sagen die einen kurz und bündig. "Natürlich wissen wir, daß in Berlin das Bonner System zuerst zusammenbrechen wird ..." Andere drücken sich nur umständlicher aus, meinen aber dasselbe mit den Worten: "Wir müssen aus der politischen Sackgasse, in die uns Kurt Schumacher und Franz Neumann hineinmanövriert haben und die noch durch Professor Reuter und andere Geschäftemacher verpestet wird, sobald wie nur irgend möglich herau [!] [heraus]! Wir müssen endlich in der westberliner wie in der gesamten westdeutschen SPD unabhängige Politiker finden, die es schließlich doch fertigbringen, mit der Deutschen Demokratischen Republik, allen osteuropäischen Staaten und im besonderen mit der Sowjetunion und China eine positive Zusammenarbeit aufzunehmen." [] Allein, wirklich nur ganz allein die gegenwärtige Leitung der SPD in der Zietenstraße in Westberlin und in der Odeonstraße in Hannover leugnet, daß diese Ansichten in unserer Partei von Tag zu Tag stärker an Boden gewinnen. [] Natürlich wird diese verrannte und verbohrte - wirklich unerlaubt egoistische! - Haltung der gegenwärtigen Führung der SPD vorerst noch von den bezahlten Parteifunktionären mit verfochten. Wie sollte das auch anders sein? Unsere Partei lebt ja längst nicht mehr von den Beiträgen ihrer Mitglieder, sondern von großen "Spenden", die über die Zentrale in Hannover hereinfließen. Die Zentrale hat also die Hand am Hahn und kann jederzeit "det Jas abdreh'n"! [] Aber die Massen - die Arbeiter, alle anderen kleinen Leute, und auch die Intelligenz! - wenden sich von dieser verfälschten, dieser korrumpierten SPD-Politik mehr und mehr ab. Öffentlich ist davon vorläufig noch nicht viel zu sehen, weil auch die Sozialisten in der Nazizeit vielfach der Resignation verfallen waren, und weil sie aus jenen bitteren Erfahrungen heraus auch wieder ins Resignieren hineinzutreiben drohen. [] Aber mit der Zeit wird dieses Stadium der Resignation doch überwunden! Unter der Führung der Sozialdemokratischen Aktion beginnt eine immer wirksamere Rebellion gegen die bisherige SPD-Führung! [] Wie sonst in Westdeutschland hat die Sozialdemokratische Aktion auch in Westberlin zunächst versucht, trotz allem an das sozialistische Gewissen des gegenwärtigen Parteivorstandes, insbesondere des Genossen Neumann zu appellieren. Die SDA hat am 10. 2. einen Offenen Brief an den Genossen Neumann gerichtet, mit der Bitte, in eineröffentlichen freien und gleichen Aussprache festzustellen, welche Seite im sozialistischen Sinne wahrhaftiger, konsequenter und sachlich fundierter kämpft. [] Der Offene Brief war so gehalten, daß bei aller ungeschminkten Kritik der SDA an der gegenwärtigen Leitung der SPD die Ehrlichkeit des Willens nicht bestritten werden konnte, auf diese Weise zu einem produktiven Kontakt und zu einer wirklich offenen Aussprache zu kommen. [] Trotzdem hat der Genosse Neumann auf diesen Brief geschwiegen. Ja, in persönlichen Gesprächen hat er, der Genosse Neumann, und haben sich andere Genossen der gegenwärtigen Berliner SPD-Leitung dieses Totschweigens noch gerühmt! Dabei pfeifen es alte Spatzen von den Dächern, daß dieser vergebliche Versuch des Totschweigens nur ein unsicheres, kraftloses Kneifen war! Denn die gegenwärtige Leitung unserer Partei weiß selbst am besten, daß sich die Gedanken der SDA nicht mehr totschweigen lassen. [] Das Kneifen ist natürlich eine eigene Sache des Genossen Neumann! Jeder Krug geht solange zu Wasser, bis er bricht ... Aber der Genosse Neumann hat noch etwas anderes sehr Häßliches und Peinliches getan. Er hat sich nicht nur vor der freien Aussprache gedrückt, er hat außerdem noch veranlaßt, daß der Versammlung, die dafür einberufen worden war (am 2. März in den Swinemünder Festsälen auf dem Wedding!) die Erlaubnis versagt wurde. [] Die gegenwärtige Leitung der Berliner SPD hat dadurch ein Maß an Kraftlosigkeit und Unsicherheit bewiesen, das selbst ihre schärfsten Kritiker nicht vermutet hätten, und das uns zeigt, wie sehr wir auf dem richtigen Wege sind, unsere SPD wieder zur Partei August Bebels zu machen und mit allen Mitteln dafür zu kämpfen. [] Natürlich werden diese halben Portionen einer echten SPD in der Zietenstraße eine Ausrede nach der anderen suchen, um ihre Hände in Unschuld zu waschen. Sie werden sagen, daß der SDA die Erlaubnis zu der Versammlung von der Berliner Verwaltung nur deswegen nicht gegeben worden wäre, weil sie noch über keine Lizenz in Westberlin verfügte ... [] Lieber Gott, halte mir meine Ausreden gesund! kann man da nur sagen ... Jedermann weiß, daß es in Westdeutschland überhaupt keine Lizenzierung von politischen Organisationen mehr gibt, und daß es also auch in Westberlin, das doch "das erste Land der Bundesrepublik" werden soll und wo die Sozialdemokraten die parlamentarische Mehrheit haben, komisch aussieht, wenn man sich jetzt bei einem Versammlungsverbot auf die noch nicht erteilte Lizenz beruft. [] Diese Ausrederei ist also zu dumm, viel zu dumm und offensichtlich. - Eindeutig fest steht infolgedessen, daß die Position der gegenwärtigen SPD-Leitung wie des ganzen Klüngels von reaktionären Geschäftemachern in Westberlin schon so morsch und faul geworden ist, daß man bereits vor offenen Aussprachen in verhältnismäßig kleinen Versammlungen Angst hat. (Zur Klarstellung muß noch dieses hinzugefügt werden: Die SDA hatte in ihrem Offenen Brief an die gegenwärtige SPD-Führung ausdrücklich zugesichert, daß keine Teilnehmer aus Ostberlin herangeholt und daß darüber eine gemeinsame Kontrolle ausgeübt werden sollte!) [] Der SDA hätte es sicher freigestanden, die geplante Versammlung aus Westberlin nach Ostberlin zu verlegen. Die Teilnehmer an der Versammlung hätten gemeinsam oder einzeln in einen Saal drüben an der Sektorengrenze ziehen können! [] Die SDA hat auf diese Lösung bewußt verzichtet. Natürlich hat sie keine Angst gehabt, sich "durch ein Ausweichen nach Ostberlin" zu kompromittieren! Denn es ist ihr ernst damit, gemeinsam mit KPD und SED als Bruderparteien den Kampf gegen die Reaktion für sozialen Fortschritt, deutsche Einheit und einen gerechten Frieden in der Welt zu führen. [] In diesem Sinne wird die SDA in Westberlin wie in ganz Westdeutschland alle nur möglichen Wege beschreiten (geschlossene Zusammenkünfte, Unterschriftensammlungen, Flugblattwerbung, Pressekampagnen usw. usw.), um eine große öffentliche Versammlung gerade auch in Westberlin vorzubereiten. [] Helft uns alle bei dieser Arbeit, Berliner Sozialdemokraten! Denn diese Arbeit gilt nicht zuletzt einem freien, unabhängigen, einheitlichen, zu Arbeit- und Wohlstand gelangenden Groß-Berlin! Diese Arbeit ist ein Beitrag für die Wiedergewinnung Berlins als der Hauptstadt eines geeinten Deutschland! [] Sozialdemokratische Aktion [] Zentralrat [] Frankfurt/Main
Published:10.1949 - 05.1951