Die Sozialdemokratie antwortet Ehrhard [!]!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Sozialdemokratie antwortet EHRHARD [!] ! [] Tatsachenverdrehung - aber keine Diskussion! [] Die CDU-Kreisvereinigung Münster hatte am Donnerstag vormittag zu einer Wahlversammlung mit Prof. Ehrhardt [!] eingeladen. Schon der Termin war ei...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Kreisverein Münster, C.J. Fahle GmbH
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 17.10.1948
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/96357911-0897-47BE-ABFF-3C4CE014EFB9
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Sozialdemokratie antwortet EHRHARD [!] ! [] Tatsachenverdrehung - aber keine Diskussion! [] Die CDU-Kreisvereinigung Münster hatte am Donnerstag vormittag zu einer Wahlversammlung mit Prof. Ehrhardt [!] eingeladen. Schon der Termin war ein deutlicher Hinweis dafür, welche Kreise zu dieser Versammlung erwünscht waren. Der Arbeiter, Angestellte und Beamte kann erfahrungsgemäß an einem Werktagvormittag eine Wahlversammlung nicht besuchen. [] In Limousinen zur Wahlversammlung! [] Die Zusammensetzung der Versammlung war entsprechend. Der weite Platz vor dem Apollo-Theater, einschließlich der Königstraße, war gespickt mit Personenkraftwagen aus der gesamten Umgebung. Es waren vor allem die Vertreter der gewerblichen Wirtschaft, die Warenhorter von gestern und die Geldhorter von heute, die ihren Mann sehen und hören wollten. [] Mal Dozent ... mal niedrigster Agitator [] Herr Ehrhard [!] war sich über seine Aufgabe durchaus im klaren. Seine Ausführungen, die über lange Strecken einem volkswirtschaftlichen Kolleg glichen, um dann wieder auf das Niveau unterster Agitationspolitik zu gehen, fanden die stürmische Zustimmung der Kreise, die ihre wirtschaftlichen Interessen durch die wirtschaftspolitische Konzeption eines Herrn Ehrhard [!] glänzend vertreten sehen. Im ganzen gesehen waren es die gleichen Ausführungen, die Herr Ehrhard [!] zur Begründung seiner Politik in der denkwürdigen Sitzung des Wirtschaftsrates, die unmittelbar vor dem Tage X stattfand, gemacht halte. [] Tatsachenverdrehung, Angst vor Diskussion [] Diese immerhin noch in etwa sachlichen Ausführungen wurden gewürzt durch agitatorische Plattheiten, deren Niveau kaum noch unterschritten werden konnte. In der Pose eines Propheten behauptete er, daß seine freie Marktwirtschaft die beste und sozialste aller Welten sei und verunglimpfte im gleichen Atemzuge die deutsche Sozialdemokratie, die seiner Konzeption während der entscheidenden Beratungen nichts Konkretes entgegengesetzt habe. [] SPD forderte Preisstop für sämtliche lebenswichtigen Güter [] Tatsache ist, daß in den Ausschüssen des Wirtschaftsrates vor der Verabschiedung der aus Anlaß der Währungsreform und der Einführung des neuen wirtschaftspolitischen Kurses zu verabschiedenden Gesetze nicht nur zahllose Warnungen wegen der Gefährlichkeit dieses Kurses und ihrer unübersehbaren sozialpolitischen Konsequenzen formuliert wurden, sondern daß die deutsche Sozialdemokratie z. B. die Aufhebung des Preisstops für lebenswichtige Güter aus wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Gründen bekämpft hat. [] Tatsache ist, daß der Fraktionssprecher der Sozialdemokratie in der denkwürdigen Sitzung des Wirtschaftsrates, in der das Gesetz über die Leitgesetze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform verabschiedet wurde, wörtlich gesagt hat: [] "Es geht nicht an, was als Zwangsbewirtschaftung durchgeführt worden ist, mit der Planwirtschaft gleichzusetzen, die wir für notwendig halten und zu erklären, die Planwirtschaft habe sich totgelaufen. [] Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Wirtschaft nur in Gang gesetzt werden kann durch eine systematische Planung und durch eine ebenso systematische Lenkung aller lebenswichtigen Bedarfsgüter. [] Das ist das Gebot der Stunde, nicht aber ein Experiment mit freien Preisen, wo man abwartet, wie die Dinge verlaufen werden und ob die werktätige Bevölkerung auch nur das Notwendigste sich kaufen kann. [] Von dieser Basis der sachlichen Beobachtung und Ueberlegung aus sollte man anfangen, Wirtschaftspolitik zu treiben. Aber am Tage vor der Währungsreform alles, die Bewirtschaftung und den Preisstop, über den Haufen zu werfen, ist äußerst gefährlich. [] Wir haben in Oesterreich gesehen, daß dort die Menschen jahrelang vor den Läden gestanden haben, in denen es die herrlichsten Dinge zu kaufen gab. Sie standen davor! Sie konnten nicht kaufen, weil eben die schöne Theorie, daß das, was produziert wird, auch mit der Kaufkraft der Bevölkerung übereinstimmt, einfach nicht stimmt. Die Situation wird in wenigen Tagen schon beweisen, wie gefährlich für die arbeitenden Massen die Konzeption des Herrn Prof. Ehrhard [!] ist." [] Diese Worte, die wir soeben zitierten, stehen in dem amtlichen Protokoll über die 18. Vollversammlung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Sie können nicht in Zweifel gezogen werden. [] CDU verweigerte in entscheidender Stunde Zusammenarbeit [] In der gleichen Sitzung hatte der Fraktionsführer der Sozialdemokratie im Wirtschaftsrat, der Abgeordnete Schoettle, sich mit der Rede des Herrn Prof. Ehrhard [!] auseinandergesetzt und vor allem nachgewiesen, daß weder der Herr Prof. Ehrhard [!], noch die ihn fragende Mehrheit, vor allem also die CDU, zu keiner Zusammenarbeit mit der deutschen Sozialdemokratie bereit waren. In klaren Ausführungen wies er den dürftigen materiellen Inhalt der zur Abstimmung stehenden Gesetze nach, die nur in einem Punkte konkret und eindeutig sind: Dem Wirtschaftsdirektor durch diese Ermächtigungsgesetze absolute Vollmachten auf der Grundlage vager unverbindlicher Richtsätze zu geben. Er anerkannte nicht nur, sondern unterstrich die niemals geleugnete Tatsache, daß die Theorie des Herrn Prof. Ehrhard [!] absolut geschlossen sei, daß diese Theorie aber unter gar keinen Umständen mit der Wirklichkeit übereinstimmen werde. [] Ehrhard [!] glaubte selbst nicht daran [] Wie recht unser Fraktionsführer hatte, werden wir nunmehr beweisen. Wir zitieren wieder den wörtlichen Bericht der 18. Vollversammlung, der auch die Rede Ehrhards [!] wiedergibt. Ehrhard [!] sagte u.a.: [] "Trotzdem wird immer wieder argumentiert, man könnte es nach der Währungsreform nicht riskieren, etwa zu einer freien Preispolitik, zu einer Marktpreisbildung überzugehen, weil ja doch das Angebot so klein ist, daß die Nachfrage die Preise rettungslos in die Höhe treiben müßte. Wenn es irgendwo keinen Hokuspokus geben kann, dann ist es ganz bestimmt hier. Und ich übernehme persönlich jede Garantie dafür, daß es in einer geordneten Wirtschaft - und nur von einer solchen wollen wir im Zuge der Währungsreform sprechen - völlig unmöglich ist, daß in der gesamten Volkswirtschaft die durch Kaufkraft gedeckte Nachfrage das Güterangebot übersteigen kann. Im gesamten Preisniveau aber kann eine Verschiebung, eine generelle Erhöhung, selbst nach einer totalen Freigabe der Preise garnicht erfolgen, es sei denn: es müsse wunderbar zugehen. Aber in der Wirtschaft gibt es keine Wunder!" [] Sagt Preissenkung, meint Preiserhöhung [] Dann sagte Herr Prof. Ehrhard [!] weiter, wir zitieren wiederum das amtliche Protokoll: [] "Ich bitte Sie hier in dieser Stunde, die ich wirklich als eine entscheidende empfinde, feierlich von mir die Verkündung in Empfang zu nehmen, daß ich den Preisstop nicht auflösen will, um etwa einer Preiserhöhung Raum zu geben, sondern umgekehrt, um den preissenkenden Tendenzen freie Bahn zu verschaffen!" [] Das sagte Prof. Ehrhard [!] am 18. 6. 1948. Er sagte noch mehr. Er behauptete, daß die höhere Kapazitätsausnutzung unserer Wirtschaft nach dem Gesetz der Kostendepression zu Kosteneinsparungen führen müßte und erklärte dann wörtlich, wir zitieren wiederum das amtliche Protokoll: [] "Die Kosteneinsparungen werden automatisch zu Preissenkungen führen und werden das umso mehr tun, wenn durch eine straffe Geld- und Kreditpolitik der einzelne nicht mehr der Ware nachläuft, wie das bisher der Fall ist, sondern dem Gelde nachläuft. Wir müssen also die Preise freilassen." [] SPD-Fraktion kämpfte leidenschaftlich gegen hemmungslose Preisbildung, für Sicherung des lebensnotwendigen Bedarfs [] Mit Recht wies also der Fraktionsführer der Sozialdemokratie daraufhin, daß die Sozialdemokratie kompromißlos gegen die Beseitigung aller Kontrollen und Preisbindungen sei, weil die dann kommende Hemmungslosigkeit die Preise rettungslos in die Höhe treiben müsse und Millionen vom Bezuge der lebensnotwendigen Güter ausschlösse. [] Tatsachen sprechen für die Sozialdemokratie [] Das sind Tatsachen, die niemand leugnen kann. Eine weitere entscheidende Tatsache ist, daß die Sozialdemokratie durch ihre Vertreter Veit und Kriedemann gegen die Freigabe der Preise für Textilien, Holz und Leder im Ueberwachungsausschuß gestimmt haben. Trotzdem behauptete Ehrhard [!] auf der Kundgebung der CDU in Münster, die Sozialdemokratie habe seinen Maßnahmen zugestimmt. [] Diese unerhörte Verdrehung der Tatsachen veranlaßte das auf der Kundgebung der CDU anwesende sozialdemokratische Mitglied des Wirtschaftsrates Hemsath zu dem sehr scharfen, aber ebenso wahren Zwischenruf: "Das ist eine Lüge". Herr Ehrhard [!] nahm diesen Zwischenruf, ohne auf ihn einzugehen, hin. Aber der Vorsitzende der Versammlung kam in seinem Schlußwort, also eine halbe Stunde später, auf diesen Zwischenruf zurück und versuchte den Abgeordneten Hemsath und die Sozialdemokratie zu verunglimpfen. [] Wir überlassen es den denkenden Frauen und Männern von Münster, zu entscheiden, wer recht hat oder wer hier die Unwahrheit gesagt hat. [] Wahr ist, daß die freie Marktwirtschaft, das Ideal des Herrn Prof. Ehrhard [!] und der CDU, geradezu von einem Preistaumel ergriffen ist. [] Nicht der volkswirtschaftlich notwendige oder gerechte Preis wird vor allem für die lebensnotwendigen Güter verlangt, sondern reine Spekulationspreise. [] Profitgier tobt und CDU lobt [] Wahr ist, daß die Warenhorter von gestern die Geldhorter von heute sind und den Hunger der arbeitenden Massen nach lebensnotwendigen Bedarfsgütern in geradezu hemmungsloser Weise zur Befriedigung ihrer Profitgier mißbrauchen. [] Verheerende folgen für die Landwirtschaft [] Völlige Auflösung und Desorganisation der Versorgung [] Wahr ist ferner, daß dieser Preistaumel auf dem industriellen Sektor von geradezu verheerenden Folgen auf dem agrarischen Sektor begleitet ist. Nicht nur, daß auch hier eine Preissteigerung der anderen folgt, sondern im Hinblick auf den Winter noch schlimmer als diese Preissteigerung ist die Tatsache, daß die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Produkte, also der entscheidenden Nahrungsmittel, als Folge dieser freien Wirtschaft auf dem industriellen und gewerblichen Sektor sich in einer völligen Auflösung und Desorganisation befindet. [] Waren- und Geldhorter prassen, alle Schaffenden darben [] Wahr ist, daß die Warenhorter von gestern und die Geldhorter von heute prassen können, während der Lohn- und Gehaltsempfänger Mühe hat, das notwendige Geld für seine Lebenshaltung aufzubringen. [] Wahr ist, daß die so vergeudeten Nahrungsmittel uns im kommenden Winter fehlen worden, uns, d.h., nicht den Waren- und Geldhortern, sondern den arbeitenden Menschen in Stadt und Land. [] Wahr ist, daß die Ablieferungsdisziplin der Bauern völlig zusammengebrochen ist, daß z. B. in diesem günstigen Weidesommer 30% weniger Milch abgeliefert wurden - trotj [!] der DM - als im Dürresommer 1947. [] Das sind die Segnungen der freien Wirtschaft. Alles andere ist Geschwätz. [] Gefährliche Experimente [] Wie lächerlich wirkt gegenüber diesen entscheidenden Tatsachen das Patent des Herrn Prof. Ehrhard [!], das er "Preisspiegel" nennt und von dem er eine erzieherische und preissenkende Wirkung erhofft. [] Wie fragwürdig erscheint gegenüber diesen Tatsachen das sogenannte Jedermannprogramm, das bei einer Bevölkerung von 42 Millionen in den Westzonen lebenswichtige Bedarfsgüter für 500000 Menschen zusätzlich garantieren soll. Lächerlich zu meinen, daß die Durchführung des Programms den Freibeutern der freien Wirtschaft wirksam Paroli bieten könnte. [] Ehrhard [!] gibt den Großindustriellen freie Verfügung über alle lebensnotwendigen Rohstoffe [] Die Durchführung dieses Programms wird sich als ein Schlag in die Luft erweisen, nicht zuletzt deshalb, weil der Antrag der Vertreter der Sozialdemokratie im Ueberwachungsausschuß, die für die Durchführung dieses Programms notwendigen Rohstoffe einer geschlossenen Kontrolle zu unterwerfen, durch Herrn Ehrhard [!] und die ihn tragende Mehrheit abgelehnt worden ist. [] Herr Ehrhard [!] will auch diese Rohstoffe dem freien Unternehmer anvertrauen. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, liegen auf der Hand. Nur ein Narr kann annehmen, daß das Jedermannprogramm die unheilvollen Wirkungen der freien Marktwirtschaft fühlbar mildern wird. [] Wir stellen fest, daß der Zwischenruf des Abgeordneten Hemsath zu recht bestand. Wir stellen fest, daß die Kreise, die dem von der CDU getragenen Wirtschaftsdiktator der Bizone stürmischen Beifall zollten, allen Grund haben, dankbar zu sein. [] Wir sind aber der Ueberzeugung, daß die arbeitenden Menschen, die von dem unzureichenden Lohn leben müssen, am 17. Oktober 1948 sowohl dem Herrn Prof. Ehrhard [!], wie auch der CDU die Antwort erteilen werden. [] Wir hatten nicht die Absicht, so gründlich zu antworten. [] Durch das Verhalten des Wirtschaftsdiktators und des Versammlungsleiters wurden wir dazu gezwungen. [] Der Demokratie ein Schlag ins Gesicht [] Es wäre fair gewesen, der mit Schmähungen überschütteten Oppositionspartei die Möglichkeit einer Rechtfertigung zu geben. [] Man verweigerte uns dieses elementare Recht der Demokratie. Darin liegt Methode. Ueberall, wo Prof. Ehrhard [!] in diesem Wahlkampf für die CDU und deren Wirtschaftspolitik in öffentlichen Versammlungen gesprochen hat, wurde eine Diskussion nicht gestaltet, Angeblich aus Zeitmangel, da Ehrhard [!] andere unaufschiebbare Verpflichtungen habe. [] Und die Moral von der Geschichte ... [] Geschehen am 14. Oktober 1948. - Professor Ehrhard [!] sprach vormittags 11 Uhr in der Wahlversammlung der CDU Münster. Nach den einleitenden Worten erklärte der Versammlungsleiter, daß die Möglichkeit zu einer Diskussion wegen dringender anderweitiger Verpflichtung des Herrn Professors nicht gegeben sei. [] Worin bestand nun diese anderweitige Verpflichtung? [] Im Anschluß an seine demagogische Rede fuhren die Herren zum Kaiserhof. Um 14 Uhr trafen sie sich wieder mit den zu ihnen passenden Wirtschaftskreisen in der Stadthalle, wo Herr Professor Erhard ihnen wahrscheinlich jene Auskünfte gab, die für die breite Masse nicht bestimmt sind. [] Für die Einlaßkarte zu dieser Besprechung erwartete man von dem glücklichen Empfänger 10 Deutsche Mark. Diese Methode deckt sich in verblüffender Weise mit einer Agitationsmethode der früheren NSDAP. Wir erinnern daran, daß Herr Hitler, als er in der Industriestadt Essen seine erste große Rede hielt, nach der öffentlichen Kundgebung im Parkhotel die Wirtschaftsführer von Rhein und Ruhr empfing. [] Offen bleibt nur die Frage, [] wer billiger gewesen ist, die NSDAP oder der CDU-Kreisverein Münster? [] Herausgegeben von der Sozialdemokratischen Partei, Kreisverein Münster. Druck: C. J. Fahle GmbH., BCJ 24, 20000, 10.48.
Published:17.10.1948