Kreis-Blatt für den Amtsbezirk Brüllhausen und Umgebung

Bemerkungen: Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Mit Kaiser! Mit Reich! [] Kreis-Blatt [] für den Amtsbezirk [] Brüllhausen und Umgegend [] Publikations-Organ der Badeverwaltung von Brüllhausen [] Nr. 41 Brüllhausen, den 12. Februar 1907 [] An unsere werten Leser! [] Unsere Leser mö...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: N.N.
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 12.02.1907
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/C51FF437-5C80-41B4-B1BA-3F22A743BEBC
Description
Summary:Bemerkungen: Fraktur; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Mit Kaiser! Mit Reich! [] Kreis-Blatt [] für den Amtsbezirk [] Brüllhausen und Umgegend [] Publikations-Organ der Badeverwaltung von Brüllhausen [] Nr. 41 Brüllhausen, den 12. Februar 1907 [] An unsere werten Leser! [] Unsere Leser mögen verzeihen, wenn die Zeitung heute ohne den gewohnten Leitartikel erscheint, unser Redakteur ist aber durch die Vorbereitungen zur Empfangsfeierlichkeit für unseren erhabenen Landesherrn derartig in Anspruch genommen, daß es ihm nicht möglich war, auf die Redaktion zu kommen. Damit sich unsere Leser selbst ein Urteil über die Tätigkeit unseres Schriftleiters während der letzten Tage bilden können, seien Einzelheiten seines Arbeitsfeldes mitgeteilt: "Dichtung des Begrüßungsgedichts", "Dichtung der Jubelhymne", "Einstudierung derselben mit dem Gesangverein", "Entwerfen des Festprogramms", "Konferenzen mit den Vorständen der Innungen, des Lotterie-, des Fecht-, des Krieger-, des Jungfrauen-, des Rosenkranz-, des Gesellen- und des Harmonie-Vereins", "Besprechungen wegen des Fackelzuges mit den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr". Außerdem hat unser Redakteur während der letzten Woche viermal Vortrage gehalten über das Thema: "Wie organisiert man spontan ausbrechende Begeisterungsstürme?" Es war ihm also beim besten Willen nicht möglich, den Artikel zu schreiben. Dafür bringen wir auf der zweiten Seite unseres Blattes einen Abdruck aus der berühmten amerikanischen Zeitung "Der Arizona Kicker", womit wir die verehrten Leser einverstanden hoffen. [] Wie wir vernehmen, wird sich an den Empfang unseres erlauchten Landesvaters auch die jüdische Gemeinde durch Abordnung ihres Rabbiners in Amtstracht offiziell beteiligen. [] (Welch rührendes Beispiel konfessionellen Friedens in unserer guten Stadt. D. R.) [] Aus der letzten Wahlbewegung herrührende Agitationsschriften sind billig bei unserer Geschäftsstelle abzugeben. Wir empfehlen 500 Exemplare "Haut den Juden." Bildlich-gesprochenes von Graf Pückler. [] 500 Exemplare: "liberal und konservativ sei eins." Herausgegeben vom liberalen Wahlcomité. [] Aufruf. [] Heil ist unserer Stadt widerfahren! Unser geliebter Landesvater wird auf seiner Reise nach den befreundeten Höfen eine stunde in unseren beglückten Mauern weilen. Die ganze Welt sieht in diesem Moment, da unsere Bürgerschaft diese Zeilen liest, auf Brüllhausen und seine beglückten Einwohner, denen es vergönnt ist, eine Luft mit ihrem geliebten Landesherrn atmen zu dürfen. [] Einwohner von Brüllhausen! Zeigen wir uns diesem für unsere Stadt so großen und erhebenden Moment gewachsen, zeigen wir, daß wir den Flügelschlag der vorbeirauschenden Weltgeschichte verstehen und gründen wir einen Verschönerungsverein von Brüllhausen! [] In eigener Sache. [] Abdruck aus dem "Arizona-Kicker". [] Schon wieder haben wir Grund, unsere tiefste Beschämung und höchsten Groll über das Gebahren einzelner unserer Kolonisten auszusprechen; wieder haben bei dem letzten Appell ganze Reihen Bücher gefehlt, ganze Stöße Bücher sahen wir, die nicht da waren. Und warum, weshalb? Weil nichtsnutzige Kreaturen sich erhaben, dünken über Ordnung, Pflicht, ohne welche ein junges Gemeinwesen, wie das unsrige, nicht bestehen kann. [] Es sind immer dieselben Burschen. [] Mögen sich diese Gentlemen gesagt sein lassen, daß uns ihre Namen bekannt sind und daß wir nicht zögern werden, sie an den Pranger zu stellen und sie der verachtenden Mit- und Nachwelt preiszugeben. [] Mögen sie sich etwa nicht einfallen lassen, uns bestechen zu wollen. Inserate haben wir jetzt genug und Getränke brauchen wir vorläufig gleichfalls nicht. Wir sind uns unserer hohen Aufgabe voll und ganz bewußt und werden uns weder durch Hohn, 5pott oder Einladungen zu Eisbeinessen und Negerhängen abhalten lassen, zu sagen, was ist. Auch jener Gentleman, der neulich Nachts nach längerer Sitzung im Geroldstore, bei unserer Office vorbeitaumelnd mehrere Revolverschüsse auf unseren Redaktionssessel abfeuerte, aber nur dem Wachhunde ein OVhr abschoß, mag es sich hinter seine Ghren schreiben, bevor wir es nächstens mit unserem Redaktionsstock tun, daß wir seinen Lockungen in die Geroldstore nicht folgen werden, da wir erst unlängst in den Besitz eines Fäßchens Whisky (Marke Habelstore) durch einen Wohltäter gelangt sind; seinen Schießübungen hoffen wir gleichfalls durch unseren neuen Browning bald ein Ende zu machen. [] Wir bemerken gleichzeitig allen unseren Freunden, sowie dem Kollegen des "Arizonabluffer", dieses verlogenen, traurigen, die Moral und die Bildung unserer teuren Stadt aufs Höchste gefährdenden Schandblättchens, daß wir mit dem Browning im Stande sind, in der Minute 2793 Schuß abzugeben, so daß wir jeder Konkurrenz die Spitze bieten können. [] Wir fordern nunmehr den Obersten Patkinson auf, uns in's Gesicht hinein zu wiederholen, was er über uns in der vorigen Woche hinter unserem Rücken auf dem Balle der hiesigen Honorationen im Saale des Publichouse gelogen hat. [] Wären die ehrwürdigen Bürger unserer Stadt nicht so sinnlos betrunken gewesen, so hätten ihnen damals die Lügen des Obersten aufstoßen müssen. Sie waren aber mit ihrem eigenen Aufstoßen beschäftigt, um einem Blatte, wie der Arizonakicker beizustehen, einem Blatte, das es sich zur Aufgabe gestellt hat, in unserer Stadt Bildung und Anstand zu predigen, woran es sich auch nicht durch die Lügen eines alten Raufboldes und Mordbrenners hindern lassen wird. [] Durch unsere Beziehungen mit dem Sheriff von Arizona sind wir heute schon in der Lage, unseren verehrten Mitbürgern verraten zu können, daß ein gestern aus Idaho eingetroffener Steckbrief auf den berüchtigten Pferdedieb Bill Tochus verzweifelte Ähnlichkeit mit dem Galgenvogelgesicht eines in hiesiger Stadt lebenden sogenannten Obersten hat, der sich nicht entblödet, ehrliche und gebildete Leute hinter dem Rücken auf öffentlichem Balle in gemeinster Weise zu verläumden. [] Geschichtliches aus dem Leben der Vorfahren unseres geliebten Landesherren Bodo von Brüllhausen-Diesterweg. [] Zur Zeit des ersten Kreuzzuges wird bereits als Fahnenträger Gottfried von Boullions ein Brüllhausen-Diesterweg erwähnt. Nach Beendigung des Kreuzzuges blieb genannter Brüllhausen im Lande, wo er sich nachmals mit der Lieblings-Sklavin des Fürsten von Marokko Tata-Toto vermählte. Er zeugte zwo Kinder, die sich in jüdisch-assyrischen Diensten hervorgetan haben. Während Knipprat von Brüllhausen zum Judentum übertrat und vorläufig seinen Wohnsitz nicht wechselte, ging sein Bruder Balduin mit dem aus dem zweiten Kreuzzuge zurückkehrenden deutschen Heere nach Deutschland zurück, wo er dann die Dynastie Brüllhausen-Vehlefanz begründete. Religionsstreitigkeiten dezimierten sein Land und sein Vermögen, so daß er sich genötigt sah, in fremde Kriegsdienste zu treten, in denen er als Feldherr des Sultans Soliman des Großen unter dem Namen Ben Schiras Eu-Eu großen Ruhm erwarb und hoch geehrt das Zeitliche segnete. Die türkische Nachwelt feiert heute noch sein Andenken unter dem Namen der "Christentöter". [] Zur selben Zeit erfaßte den Sohn des in Marokko gebliebenen und zum Judentum übergetretenen Brüllhausen ein tiefes Sehnen nach seinem angestammten Heimatlande. Er verkaufte seine Frauen und Güter und zog mit den vom dritten Kreuzzuge zurückkehrenden deutschen Fürsten nach Deutschland. Als er deutschen Boden betrat, fiel er auf die Knie und vom jüdischen Glauben ab. Seine Aufnahme in die Gemeinschaft, dcr Christen fand unter ungeheurem Zulauf und endlosem Jubel des Volkes durch den Bischof Rimigius von Mainz statt. [] Vom Kaiser Ottokar von Böhmen in alle Rechte deren von Brüllhausen-Diesterweg eingesetzt, übernahm er die Regentschaft über sein geliebtes Land, zur großen Freude aller seiner Untertanen, die schon lange unter dieser schrecklichen fürstenlosen Zeit geseufzt hatten. In diesem genannten Fürsten haben wir den wahren Begründer der Linie Brüllhausen-Diesterweg zu begrüßen, der uns heute in Gestalt eines seiner edelsten Nachkommen in der Person unseres geliebten Landesfürsten Bodo von Brüllhausen-Diesterweg mit seinem hohen Besuch beehrt und ein weiteres Band der Liebe um Fürst und Volk schlingt. [] [...Anzeigen...] [] Amtliche Mitteilungen. [] Es wird hiermit kund und zu wissen getan: [] I. Während des Einzuges unseres erlauchten Landesherrn sind folgende Straßen und Plätze gesperrt: Der Marktplatz, der Platz vor dem Neu-Brandenburger Tor, die Marktstraße, die obere und untere Ratsstraße, die Wahlstraße, die Ratsmühlenstraße, das Badegäßchen, die Dominikanerstraße, der obere und untere Steinweg, die Schuhmachergasse, die Gerberstraße, der Topfmarkt, die Tuchmachergasse, die Holzthorstraße, die Hebräerstraße, die Brückenstraße und die Straße am Jungfernstift. [] II. Da der Arzt und die Wärter des städtischen Krankenhauses sich an der Spalierbildung beteiligen, bleibt das Krankenhaus während des heutigen Tages geschlossen. [] III. Da die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr für die Absperrungen der Straßen gebraucht werden, kann Löschhilfe für die Dauer des heutigen Tages nicht geleistet werden; es ist also doppelte Vorsicht notwendig. [] IV. Wie dem Magistrat mitgeteilt wird, sind kürzlich aus Paterson in Amerika mehrere Anarchisten mit unbekanntem Reiseziel abgereist und ist es nicht ausgeschlossen, daß dieselben ein Attentat auf das geheiligte Haupt unseres Landesfürsten planen. Wer also einen Anarchisten mit einer Bombe in der Hand antrifft, hat denselben sofort zur Anzeige zu bringen. Der die das Leben unseres Fürsten bedrohende Person zur Anzeige bringende Bürger wird für den schwarzen Geierorden vorgeschlagen, womit gleichzeitig der erbliche Adel verbunden ist. [] V. Das Fahren mit Hundefuhrwerk ist heute verboten. [] VI. Für die Dauer des heutigen Tages dürfen keine Kübel vor die Haustüren gestellt werden, da der Tonnenwagen heute nicht abfährt. [] VII. Es wird beabsichtigt, Serenissimus einen Huldigungszug darzubringen, der aber den Charakter einer plötzlich zum Ausdruck gekommenen Begeisterung tragen muß. Serenissimus und sein Kammerdiener werden reden. Teilnehmerkarten sind auf dem Rathaus zu haben. [] VIII. Der Magistrat hat beschlossen, anläßlich des unserer Stadt zu Teil gewordenen Besuches unseres Landesfürsten an die Schüler der Gemeindeschule die gesammelten tausendundeine Reden von Serenissimus zu verteilen. [] IX. Der Magistrat hat beschlossen, dem pensionierten Förster Emerenz Kladautsch, unter dessen Führung Serenissimus als Erbprinz einst seinen ersten Bock schoß, die Pension um einen Thaler pro anno zu erhöhen. [] X. Der Magistrat hat beschlossen, alle am heutigen Tage in der Gemarkung unserer Stadt zur Welt kommenden Knaben erhalten den Vornamen von Serenissimus "Bodo". Uneheliche Kinder sind hiervon ausgeschlossen. [] XI. Der Magistrat hat beschlossen, Serenissimus vor dem Rathaus einen Bügeltrunk zu kredenzen. Die Bürger werden ersucht, sich einzufinden und Serenissimus Ovationen zu bereiten. Serenissimus wird reden. [] XII. Der Magistrat hat beschlossen, Serenissimus das goldene Buch von Brüllhausen vorzulegen, in welches sich Serenissimus einzeichnen wird. Falls Serenissimus reden will, wird ein Ratsdiener dies den unten wartenden Bürgern mitteilen. [] XIII. Auf der Festwiese findet zu Ehren des heutigen Tages eine große Festvorstellung statt. Zur Aufführung gelangt "Bördestecker", Vaterländisches Schau- und Trauerspiel von Martens-Martensen. Dem Dichter ist es in glücklicher Weise gelungen, in seiner, von hohem vaterländischen Pathos getragenen Dichtung die Geschichte seiner Vaterstadt Elmshorn mit den, das heutige Deutschland tiefbewegenden Fragen der Fluß- und Seeschiffahrt zu verknüpfen. Zwischendurch zieht sich die Liebesgeschichte des Bürgermeisters Sohn von Elmshorn, Nils-Hilsen, mit der emerirten Lehrerstochter Antje Christophersen, die sich allen feindlichen Mächten zum Trotz nicht abhalten lassen, die Fahne der guten Hoffnung hochzuhalten. Nils-Nilsen, von seinem hartherzigen Vater verstoßen, geht zur See und kehrt nach langen Jahren ernster Prüfnng und vielen bestandenen Gefahren als ganzer Mann nach Elmshorn zurück und macht die solange treu auf ihn gehaart habende Antje Christophersen zu seinem getreuen Ehegemahle. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß die Ähnlichkeit des Namens Thristophersen, mit dem Namen des Dichters Martens-Martensen keine ganz zufällige ist, sondern daß der Dichter mit der Geschichte der Stadt Elmshorn auch gleichzeitig die seines Hauses geschrieben hat. - Das Publikum wird gebeten, den Festplatz nicht vor dem Einsammeln zu verlassen. Der Ertrag der Vorstellung ist für die Deutsche Kolonialgesellschaft bestimmt, die den Dichter zu ihren eifrigsten Mitgliedern zählt.
Published:12.02.1907