Mahnruf an alle ehemaligen Soldaten und Offiziere!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Mahnruf an alle ehemaligen Soldaten und Offiziere! [] Der Ministerpräsident der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl, hat in seinen von so hohem nationalen Verantwortungsbewußtsein getragenen Ausführungen an alle De...

Full description

Bibliographic Details
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1951
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/CA2F7CFD-D759-47CF-9BAA-FB86EAE2E28E
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Mahnruf an alle ehemaligen Soldaten und Offiziere! [] Der Ministerpräsident der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl, hat in seinen von so hohem nationalen Verantwortungsbewußtsein getragenen Ausführungen an alle Deutschen in West und Ost die Forderung gestellt, die ganze Kraft unseres deutschen Volkes nach innen zu richten, um auf diese Weise unsere nationalen Lebensfragen zu lösen, unser Vaterland vor einem neuen Krieg zu bewahren und uns zu ermöglichen, ein einheitliches, demokratisches und friedliebendes Deutschland aufzubauen. [] Die Forderung des Herrn Ministerpräsidenten ist um so berechtigter, als wir seit Jahr und Tag feststellen müssen, daß die Politik der Bundesregierung darauf hinausläuft, trotz dauernder und sogar zugegebener außenpolitischer Rückschläge und Nackenschläge, die Regelung unserer deutschen Sache den Amerikanern zu überlassen. Wir kennen die zum Teil offenen, zum Teil hinterhältigen Methoden der Hetze und Irreführung, mit denen versucht wird, unsere westdeutschen Landsleute dieser Politik gefügig zu machen. [] Wir wissen aber auch, daß es in der Bundesrepublik eine starke Front gegen die antinationale Politik der Bundesregierung gibt. [] Wir sind ferner fest davonüberzeugt, daß es in Westdeutschland noch weiteste Kreise gibt, die, ebenso wie wir, auch von einem ehrlichen nationalen Wollen durchdrungen sind, die zum Teil aber noch nicht erkennen, was mit ihnen gespielt wird, oder die sogar glauben, mit Zurückhaltung den Interessen des deutschen Volkes zu dienen, während sie in Wirklichkeit Gefahr laufen, in eine Lage hineingezogen zu werden, in der die amerikanische Kriegspolitik über ihre Köpfe hinweggehen wird. [] Deshalb will ich mich als ehemaliger General von dieser Stelle aus erneut an die ehemaligen Soldaten und Offiziere in Westdeutschland wenden, sie zu warnen, sie zu beschwören. Ich wende mich insbesondere an die, die für die Wiederaufrüstung gebraucht werden, die, wenn sie dabei mitwirken, das größte Unglück über unser deutsches Volk bringen würden, die aber, wenn sie sich zu nationalem Handeln entschließen, entscheidend dazu beitragen können, die Zukunft unserer Nation zu retten. [] Es werden nicht nur der Jahrgang 1932 und die jüngeren Jahrgänge sein, die für die künftige Armee ausgehoben werden. Kommt es zum Kriege, dann müssen erneut alle daran glauben, so wie im Zweiten Weltkrieg auch die Soldaten des Ersten Weltkrieges erneut bluten mußten. [] Alle müssen sich darüber im klaren sein, daß es kein Zufall ist, wenn jetzt im Jahre 1951 plötzlich mit Billigung der westlichen Besatzungsmächte in der Bundesrepublik Soldatenbünde und Kriegsteilnehmerverbände verschiedener Art aufgezogen werden. Das dient vor allem der psychologischen Vorbereitung der Wiederaufrüstung und eines neuen Krieges. [] Das alles geht nur von der kalten Berechnung aus, daß eine neue Armee ein Fremdkörper in der westdeutschen Bevölkerung bleiben muß, wenn sie nicht gleichzeitig Sympathie und Mitarbeit derer gewinnt, die im letzten Kriege gekämpft und Erfahrungen gesammelt, die aber auch den völligen Zusammenbruch erlebt haben. [] Wir können wohl annehmen, daß es der überwiegenden Mehrheit der in solchen Bünden vereinten ehemaligen Soldaten und Offiziere in Unkenntnis der politischen Hintergründe fernliegt, bewußt zur Vorbereitung eines neuen Krieges mitzuwirken. Gerade diese sollten aber die Beispiele aus der Vergangenheit abschrecken, denn dies alles ist nach dem Ersten Weltkrieg schon einmal dagewesen: [] den Marsch in Hitlers Aufrüstung und Krieg haben alle - ob sie einmal in der Reichswehr standen oder in Soldaten- und Traditionsverbänden - gefördert, bewußt oder unbewußt. Alle zusammen sind angetreten und mit unserem ganzen Volk ins Unglück marschiert; denn sie haben sich nur mit der Tradition des Krieges befaßt und nicht mit dem obersten Gebot: dem Frieden! [] Die neu ins Leben gerufenen Soldatenbünde sollen angeblich der Pflege der Kameradschaft und der Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der ehemaligen Kriegsteilnehmer dienen. Sie bezeichnen sich im besonderen als unpolitisch. [] Wenn von Kameradschaft die Rede ist, so kann es nach den Erfahrungen des letzten Krieges nicht nur eine Kameradschaft der ehemaligen Soldaten geben, dann darf es nur eine Kameradschaft aller Deutschen guten Willens geben, die entschlossen sind, einzig und allein die Sache des deutschen Volkes zu vertreten, das heißt: den Frieden. [] Dann darf es nur die Kameradschaft geben, die aus Erfahrungen zweier Weltkriege die einzig mögliche Folgerung zieht, daß ein neuer Krieg rechtzeitig verhindert werden muß. Die ehemaligen deutschen Soldaten haben im letzten Kriege - im Glauben, ihrem Volke zu dienen - großen Mut bewiesen. Das ist unbestritten. Unbestritten ist aber auch, daß dieser Mut von Hitler mißbraucht worden ist. Heute gilt es für alle ehemaligen Soldaten und Offiziere, den gleichen Mut zu beweisen im Kampf für den Frieden und für die Wiederherstellung der Einheit und Unabhängigkeit unseres Vaterlandes. [] Sind die Soldatenbünde unpolitisch? [] Wenn diese neuen Soldatenbünde von der Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der ehemaligen Kriegsteilnehmer insbesondere auch von ihrer Versorgung sprechen, so können die berechtigten Wünsche und Forderungen niemals durch Mitwirkung bei der Wiederaufrüstung oder durch die Vorbereitung eines neuen Krieges oder schließlich durch einen neuen Krieg selbst erfüllt werden, sondern nur durch ein gemeinsames Zusammenwirken aller Deutschen guten Willens beim friedlichen Aufbau unserer Heimat. [] Wenn aber sogar davon gesprochen wirf daß diese neuen Soldaten- und Traditionsverbände in der Bundesrepublik unpolitisch wären, so beweist unsere Geschichte nach dem Ersten Weltkrieg, daß diese Behauptung irreführend, bestenfalls irrtümlich ist. [] Im übrigen wollen wir vor allem eine Erfahrung nicht übersehen. Auch Menschen, die sich für unpolitisch halten, wirken notwendig politisch, weil sie antinationalen politischen Kräften freies Spiel lassen, und heute haben die Kräfte in Westdeutschland die Vorhand, die eine antinationale, eine amerikanische Politik, eine Politik der Kriegsvorbereitungen betreiben. Damit wird der Unpolitische in Westdeutschland notwendig das Opfer solcher politischen Kräfte. [] Wenn aber ein Soldatenbund, wie es in Westdeutschland der Fall ist, sich in seinen programmatischen Grundsätzen zur "westlichen Welt" bekennt, dann ist er nicht nur offen politisch, sondern mehr noch, er bekennt sich zur amerikanischen Politik des Krieges. [] Wir aber meinen: entscheidend ist das Bekenntnis zu Deutschland und zum Frieden. [] Davon dürfen wir uns nicht abhalten lassen durch Verhetzungen, die nur dem Interesse anderer dienen. Warum waren die Amerikaner und warum war die Bundesregierung bisher gegen solche gesamtdeutsche Aussprache? Einzig und allein aus diesem Grunde, weil sie wissen, daß bei allen Deutschen in Ost und West die Liebe zu unserem gemeinsamen Vaterland stärker ist als alle Bestrebungen, die uns immer wieder und weiter zu trennen versuchen. [] Nur die gemeinsame Aussprache der Deutschen in West und Ost, auf die gerade die ehemaligen Soldaten und Offiziere hinzuarbeiten verpflichtet sind, kann erreichen, daß die ganze Kraft unserer Nation wirksam dem Frieden dient. [] Nicht Wiederaufrüstung, sondern gemeinsamer friedlicher Aufbau! [] Zur Erhaltung des Friedens, den das ganze deutsche Volk will, helfen uns nicht Soldatenbünde. Diese laufen vielmehr Gefahr, zu Werkzeugen der Kriegsvorbereitung zu werden. [] Nur der Zusammenschluß aller Deutschen guten Willens kann uns den Frieden erhalten, denn wir Deutsche entscheiden über Deutschland. [] Vincenz Müller [] ehemaliger Generalleutnant der Wehrmacht
Published:1951