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Richtlinien zur Währungsreform [] Auf der Sitzung des wirtschaftspolitischen Ausschusses der SPD am 5. und 6. November 1946 in Gießen wurde hinsichtlich der finanziellen Abwicklung des Naziregimes festgestellt, daß die Zerrüttung des deutschen Geldwesens und der Staatsfinanzen allein die Schuld des Hitlerregimes ist. Der Ausschuß sah in Uebereinstimmung mit fast allen Fachleuten des Geld- und Kreditwesens eine baldige Bereinigung der wirtschaftsschädlichen. und unsozialen Wirkungen der verhüllten Zahlungsfähigkeit des Reiches als unvermeidlich an. Die SPD wird jedoch nur solchen Plänen zur Sanierung des Geldwesens und der Bereinigung der inneren Kriegsverpflichtungen des Reiches zustimmen, die für ganz Deutschland gelten und folgende Bedingungen erfüllen: [] 1. Bei der Regelung der aus dem Kriege und seinen Nachwirkungen stammenden Verpflichtungen des Reiches sollen nicht nur die Gläubiger der finanziellen Reichsschuld, sondern auch alle durch den Krieg auf sonstige Weise wirtschaftlich Geschädigten, einschließlich der Vertriebenen, berücksichtigt werden. [] 2. Es muß eine ausgleichende Belastung der erhaltenen Vermögen sowie eine radikale Wegsteuerung aller Kriegsgewinne zugunsten der Geschädigten gefordert werden. Betriebsvermögen soll so herangezogen werden, daß die produktive Leistung nicht gefährdet wird. Das darf aber nicht eine Verringerung des Beitrages der Eigentümer bedeuten, sondern soll nur die Form der Leistung betreffen. [] 3. Die Zuteilungen an die Gläubiger des Reiches und an die Kriegsgeschädigten einschließlich der Vertriebenen dürfen nicht mechanisch im Verhältnis zur ursprünglichen Höhe ihrer Forderung bemessen werden, wie wenn es sich um "Quoten" aus einer Konkursmasse handelte. Maßgebend muß vielmehr der Grundsatz sein, daß demjenigen am meisten belassen bzw. gegeben werden soll, der unverschuldet am härtesten betroffen worden ist. [] Die Leistungen können nicht nur in laufenden, und einmaligen Zahlungen in Geld bestehen, Auch ausgleichende Sachleistungen wie Zuteilung von Möbeln, bevorzugte Zuweisung von Wohnungen und Arbeitsplätzen, von Heilfürsorge, geeigneten Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder der Geschädigten, Altersversorgung usw. müssen erfolgen. [] 4. Konsequenter Verzicht auf den Weg der Inflation. Das primitive Mittel, den Geldüberhang und die Zahlungsunfähigkeit des Reiches durch allgemeine Erhöhung der Preise zu beseitigen, ist unanwendbar. Den in dieser Richtung bereits geschehenen ersten Schritten dürfen keine weiteren folgen. Gewisse Preis- und Lohnkorrekturen sind allerdings notwendig, damit die Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zur Senkung der Preise bestimmter Grundstoffe beseitigt werden können. Soweit das Preisgefüge dabei eine Erhöhung erfährt, muß das Lohnniveau entsprechend heraufgesetzt werden. Ebenso bedarf es der Erhöhung und Angleichung bisher zurückgebliebener Löhne. [] 5. Korrektur des Systems unsozialer und wirtschaftsfeindlicher Steuern. Die jetzigen Steuern stellen ein völlig ungeeignetes Mittel zur Abschöpfung des Kaufkraftüberhanges dar. Die notwendige Angleichung der öffentlichen Haushalte muß durch sozial gerechte und wirtschaftlich sinnvolle Abgaben erfolgen. Die ungeheuren Fürsorge-Ausgaben allerdings sind nur tragbar, wenn die volle Arbeitskraft der Nation wiederhergestellt wird. Die Erreichung dieses Zieles hängt von der Politik der Besatzungsmächte ab. Insbesondere kommt es auf die Heimsendung der Millionen deutscher Kriegsgefangener und der verschleppten Männer an, die der deutschen Wirtschaft fehlen. Die deutsche Wirtschaft kann nicht durch Greise, Frauen und Kinder saniert werden. [] 6. Die deutsche Volkswirtschaft muß künftig mit Geld und Kredit ausreichend, elastisch und zu erträglichen Zinssätzen versorgt werden. Nach der großen Inflation von 1919-1923 wurde die deutsche Wirtschaft viel zu knapp und zu teuer mit Zahlungsmitteln versorgt. Dieser sozial und wirtschaftlich verhängnisvolle Fehler darf nicht wiederholt werden. [] 7. Die geldpolitische Sanierung muß mit umfassenden Maßnahmen zur Ankurbelung und Stärkung der Volkswirtschaft verbunden werden, wenn es nicht in Kürze zu neuen Erschütterungen des Geldwesens und der Staatsfinanzen kommen soll. In diesem Zusammenhang, wird nachdrücklich auf die Forderungen der Kölner Resolution des Parteivorstandes der SPD hingewiesen.
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