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Ministerpräsident Grotewohl schrieb an Dr. Adenauer [] Am 1. Dezember 1950 ließ Ministerpräsident Otto Grotewohl durch einen Sonderbeauftragten folgendes Schreiben an den Bundeskanzler Dr. Adenauer in seinem Amtssitz in Bonn überreichen: [] "Durch die Spaltung Deutschlands wurde ein nationaler Notstand herbeigeführt, der durch die Remilitarisierung und Einbeziehung Westdeutschlands in die Pläne der Kriegsvorbereitungen verschärft wurde. Das deutsche Volk ist tief beunruhigt über die Bedrohung seiner nationalen Interessen durch die imperialistischen Kräfte. [] Angesichts dieser Lage sind die Erhaltung des Friedens, der Abschluß eines Friedensvertrages sowie die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands vor allem von der Verständigung der Deutschen selbst abhängig. Wir halten eine solche Verständigung für möglich, da das ganze deutsche Volk eine friedliche Regelung wünscht. Es würde den Wünschen aller friedliebenden Deutschen entsprechen, wenn ein Gesamtdeutscher Konstituierender Rat unter paritätischer Zusammensetzung aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands gebildet würde, der die Bildung einer gesamtdeutschen souveränen demokratischen und friedliebenden provisorischen Regierung vorzubereiten hätte und den Regierungen der UdSSR, USA, Großbritanniens und Frankreichs die entsprechenden Vorschläge zur gemeinsamen Bestätigung unterbreiten würde. [] Gleichzeitig würde er die genannten Regierungen bis zur Bildung einer gesamtdeutschen Regierung bei der Ausarbeitung des Friedensvertrages konsultieren. Über diesen Vorschlag kann unter Umständen eine Befragung des deutschen Volkes durchgeführt werden. [] Wir glauben, daß der Gesamtdeutsche Konstituierende Rat die Vorbereitung der Bedingungen zur Durchführung einer gesamtdeutschen Wahl für eine Nationalversammlung übernehmen könnte. So würde die Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates sofort die Voraussetzung für die unverzügliche Aufnahme der Beratungen zum Abschluß eines Friedensvertrages schaffen, und gleichzeitig könnte der Rat die Vorbereitungen zur Regierungsbildung treffen. [] Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ist bereit, im Geiste ehrlicher Verständigung über alle Fragen zu verhandeln, die mit der Bildung und den Aufgaben eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates verbunden sind. [] Weite Kreise der Bevölkerung in Ost- und Westdeutschland sind der Meinung, daß der nächste Schritt zur Lösung der nationalen Lebensfragen unseres Volkes sein müßte, den vier Besatzungsmächten einen gemeinsamen deutschen Vorschlag zu unterbreiten. Von diesem Willen der friedliebenden Bevölkerung ausgehend, unterbreitet die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik der Regierung der Bundesrepublik den Vorschlag, Besprechungen über die Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates zwischen den beiden Regierungen aufzunehmen. Wir schlagen vor, daß dazu von jeder Regierung sechs Vertreter ernannt werden. Über Ort und Zeit könnte zwischen den Staatssekretären der Ministerpräsidenten eine Verständigung erfolgen. [] Regierung der Deutschen Demokratischen Republik [] Otto Grotewohl, Ministerpräsident." [] Verständigung - die Forderung der Stunde! [] Erklärung des Präsidiums des Nationalrats: [] Das Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland begrüßt im Bewußtsein seiner Übereinstimmung mit dem ganzen deutschen Volke aus vollem Herzen den Vorschlag des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl an den Bundeskanzler Dr. Adenauer, in einer Aussprache verantwortlicher Politiker aus Ost und West den gemeinsamen Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands und zur Vorbereitung eines Friedensvertrages zu finden. Die wachsende Zustimmung aus allen Bevölkerungsschichten Deutschlands zeigt, daß alle Deutschen die Stunde der Verständigung herbeisehnen, in der über die Rettung der Nation aus schwerster Gefahr gemeinsam beraten wird. [] Im Interesse des ganzen deutschen Volkes greift Ministerpräsident Grotewohl in seinem Schreiben die Prager Vorschläge der Außenminister der Sowjetunion und der Volksdemokratien auf. [] Der Vorschlag eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates unter paritätischer Zusammensetzung aus Vertretern Ost- und Westdeutschlands ist die Forderung der Stunde zur Sicherung des Friedens und zur nationalen Rettung Deutschlands. Das an keinerlei Bedingungen geknüpfte Angebot des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl und die aufrichtige Verhandlungsbereitschaft eröffnen große neue Möglichkeiten für erfolgversprechende Beratungen. Die Bildung eines Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates würde die Voraussetzungen für die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen über einen Friedensvertrag schaffen. Ein Gesamtdeutscher Konstituierender Rat könnte auch die Vorbereitung der Bedingungen zur Durchführung einer gesamtdeutschen Wahl für eine Nationalversammlung übernehmen. [] Jetzt kommt alles darauf an, die verantwortlichen deutschen Politiker miteinander ins Gespräch zu bringen. Davon wird in hohem Maße die Zukunft unserer Nation abhängen. Es ist eine ureigene deutsche Angelegenheit, die Initiative und den Mut zu einer deutschen Verständigung, zur gesamtdeutschen Einheit, zu finden. [] Man kann nicht glauben, daß verantwortungsbewußte Deutsche sich den sachlichen, überzeugenden und annehmbaren Vorschlägen des Ministerpräsidenten Grotewohl entziehen können. Deutsche Menschen können sich nicht weigern, über eine solche Verständigung miteinander zu sprechen. [] Je klarer und entschiedener aus allen Kreisen des deutschen Volkes dem Schreiben des Ministerpräsidenten Grotewohl zugestimmt wird, desto rascher werden die Vorschläge zum Ausgangspunkt gemeinsamer Beratungen werden. Das deutsche Volk erwartet eine klare Entscheidung, die in Deutschland West und Ost wieder zusammenfügt und die ganze Nation auf den Weg des friedlichen und gesicherten Aufbaues führt. [] Das Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland [] Berlin, den 7. Dezember 1950
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