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Nro. 3414. [] Bezüglich der Wahlen für den am 26. Juni d. J. berufenen konstituirenden Reichstag hat der Herr Minister des Innern mit hohem Erlasse vom 5. Juni d. J. Nr. 775 zu erinnern befunden, daß im wahren konstitutionellen Sinne jeder Anschein einer Einwirkung der Staatsverwaltung in ihr Ergebnis; hintanzuhalten, und allen Organen hiernach zur Pflicht zu machen sei, sich jedes Einflußes auf dieselben zu enthalten, und die volle Freiheit jedes zur Theilnahme Berechtigten zu schützen sei. [] Dieß schließt jedoch die Nothwendigkeit nicht aus, die Wähler und Wahlmänner, insbesondere auf dem flachen Lande, über die hohe Wichtigkeit der von ihnen vorzunehmenden Wahlen mit aller Offenheit zu belehren, sie durch ruhige, besonnene und ihr Vertrauen genießende Männer über die Wesenheit einer Konstitution, über die durch dieselbe festzustellenden Rechte und Pflichten aller Staatsbürger, und über die dem 1. Reichstage zustehende Berathung der ihr zum Grunde zuliegenden Urkunde, so wieüber die vielen wichtigen Aufgaben, welche demnächst zu lösen sein werden, aufklären. [] Vor Allem wird es aber dabei nothwendig, in ihnen die Ueberzeugung zu begründen, daß nur eine aus der gewissenhaften Gleichstellung und Achtung aller Rechte gegründete und gleiche Bürgschaft gegen Anarchie wie gegen Willkühr und Gesetzlosigkeit gewährende Verfassung dem von allen Wohlgesinnten getheilten Wunsche einer glücklichen dauernden Zukunft der inneren Starke, der äußeren Achtung und der freien Entwicklung aller schlummernden Kräfte unseres schönen Vaterlandes zu entsprechen vermag. [] Die Aufgabe des konstituirenden Reichstages, mit deren Lösung er sich unmittelbar nach seinem Zusammentritte beschäftigen wird, besteht in der Berathung der für die Monarchie zu ertheilenden Verfassung [] Erst aus dem Ergebnisse dieser Berathung kann die Beantwortung der Frage hervorgehen, ob dieser konstituirende Reichstag in ein oder der andern Art oder mit welchen allfälligen Modifikationen weitere Gegenstände der Gesetzgebung, organische Einrichtungen oder wichtigere Verwaltungsfragen in Berathung nehmen kann. Das Ministerium erkennt die Dringlichkeit vieler Gesetze, ohne welche weder die Ordnung im Staatshaushalte hergestellt, noch der Grund zum organischen Aufbau einer im konstitutionellen Geiste geführten öffentlichen Verwaltung gelegt, und jeden Staatsbürger die gleichmässige Theilnahme an allen ihm durch die Verfassungsurkunde in Ausficht gestellten Rechte und Freiheiten nicht gesichert werden kann. [] Wir bedürfen dringend eines umfassenden Finanzgesetzes, um die gesammten Bedürfnisse und Bedeckungsquellen des Staates zu übersehen, und zur Gleichstellung derselben, so wie zur Berücksichtigung der allseitig laut gewordenen Wünsche in beiden, die unerläßlichen Aenderungen vornehmen zu können. [] Ohne einem auf möglichst breiter Basis ruhenden Gemeindegesetze ist ein Uebergang zu einer einfachen volkstümlichen den Gemeingeist belebenden Gemeinde- und Landesverwaltung nicht möglich. Die große Verschiedenheit der bisherigen Gemeindezustände und der Stufe der politischen Bildung in den einzelnen Provinzen bietet darin bedeutende Hindernisse dar. Gleichwohl muß alles daran gelegen sein, diese möglichst zu überwinden, und durch die Auffassung der aus gleichmäßigen Interessen entspringenden Stellung aus einem gemeinsamen Gesichtspunkte zu einem für die Leitung aller Gemeindeangelegenheiten befriedigendem Zustande zu gelangen. [] Die in dem Entwürfe der Verfassungsurkunde zugesicherte volle Gleichstellung aller Nationalitäten macht den Fortbestand besonderer, die provinziellen Bedürfnisse auffassenden Landesvertretungen jetzt wünschenswerth um auf diesem Wege die Centralverwaltung auf die Bedürfnisse der einzelnen Landestheile näher aufmerksam machen, und darauf begründete Wünsche und Petitionen einbringen zu können. [] Eine gänzliche Umstaltung der ständischen Institutionen in den Provinzen, in welchen sie bisher bestanden, und die analoge Aufgabe hatten, so wie die neue Bildung dort, wo sie früher nicht vorhanden waren, erscheint als ein unverkennbares Bedürfniß. [] Nicht minder dringend sind die Gesetze, welche die allgemeine Wehrpflicht, die Einführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens bei Civilstreitigkeiten, mit Schwurgerichten im strafgerichtlichen Verfahren, die Stellung und organische Gliederung der Nationalgarde, die Ablösung der auf den untertänigen Besitzungen haftenden Lasten, und die völlige Lösung des herrschaftlichen Unterthansverbandes, die Aufhebung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit, und die Einführung von landesfürstlichen Behörden zu erzielen bestimmt sind. [] Die Berathung eines definitiven Preßgesetzes, eines Gesetzes, welches die Ausübung des Petitions- und Associationsrechtes, so wie das Verfahren bei Verhaftungen und Haussuchungen regelt, ferner zur Behebung der bestehenden Verschiedenheiten der bürgerlichen und politischen Rechte einzelner Religionsconfessionen, zur Aufhebung der Beschränkung in der Erwerbung des Grundbesitzes feste Normen ertheilt, war so wie die Ertheilung eines Regentschaftsgesetzes, und eines Gesetzes über die Verantwortlichkeit der Minister in dem Entwürfe der Verfassungsurkunde dem ersten Reichstage vorbehalten. [] Ungeachtet durch die Tagesereignisse die Zeit und Aufmerksamkeit der Minister fortwährend in Anspruch genommen wurde, haben sie sich dennoch mit der Vorbereitung von Gesetzentwürfen beschäftiget, deren mehrere schon jetzt zur Berathung vorliegen. Es lag in der Pflicht des Ministeriums, und in seiner Auffassung der allgemeinen Interessen mit Entschiedenheit die Bahn des Fortschrittes zu verfolgen und es wird dankbar jede Unterstützung, welche ihm zur Förderung seiner schwierigen und umfangreichen Arbeit gewährt wird, insbesondere dann erkennen, wenn die von den Provinzen gewählten Abgeordneten in die Lage gesetzt werden, schon vorläufig von diesem Stande der Dinge Kenntniß zu nehmen, um die Aufgabe, welche dem i. Reichstage der zur Geschäftsverhandlung berufen werden wird, bevorsteht, zu übersehen, und über die Lösung derselben ihre eigenen Ansichten vor ihren Wählern auszusprechen, oder die Erwartungen und Wünsche derselben zu vernehmen. [] Diese Andeutungen und Wünsche des Ministeriums sind den sich bildenden Wahl-Comitis und den Wahlkommissionen zur Belehrung der Wahlmänner mitzutheilen, wenn sie über den Umfang der Aufgabe des Reichstags befragt werden sollten, ohne jedoch dabei eine eigene Meinungüber die Richtung der Lösung denselben zu äußern, oder eine solche der Regierung zu unterstellen. [] Mit Bezug auf meine früheren, auf die Wahlen für den Reichstag Bezug nehmenden Erlässe, fordere ich den Magistrat schlüßlich auf, mir jedes wichtige Ereigniß, welches dabei störend oder dem Geiste freier Wahlen entgegen tretend einwirken könnte, anzuzeigen, und über den Fortgang und die Resultate mir von 8 zu 8 Tagen die Kenutniß zu verschaffen. [] Brünn am 7, Juni 1848. [] Vom k. k. m. schl. Landespräsidium. [] Lazanzky.
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