Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesvorstand Bayern, Signatur 76
Mütter und Frauen der Kriegsgefangenen! [] Ihr sitzt oft am Tisch und wie ein böser Traum zeichnet sich der Stacheldraht auf der Tischdecke ab. Der Stuhl Euch gegenüber ist leer. Seit Monaten, seit Jahren leer. Dort saß in glücklicherer Zeit der Sohn, der Mann, der Freund. Nun ist die Frau allein. Allein mit ihrer Sehnsucht, mit ihrer Angst, mit ihrer nagenden Bitterkeit. Nimmt sich niemand ihrer an? Kann sich keiner in ihre Lage versetzen? Bedarf es wirklich so großer Fantasie [!], sich vorzustellen, was in ihrem Herzen vorgeht? Muß sie verzweifeln an dem guten Willen derer, die dazu berufen wären, ihr zu helfen? [] Nein, Mütter und Frauen der Kriegsgefangenen! Ihr seid nicht allein! Wir fühlen mit Euch. Diese entsetzliche Ungewißheit, diese nagende Angst, die den Schlaf raubt und die Arbeit lähmt, die alt und müde macht, die an den Nerven und an den Wurzeln der Kraft zerrt, muß beseitigt werden. [] Ihr müßt es doch wissen: Die Rückführung der Kriegsgefangenen liegt nicht in der Macht der Sozialdemokratischen Partei oder der bayerischen Staatsregierung, wie oft dies auch gewisse politische Kreise behaupten mögen. Wer wagt aber daran zu zweifeln, daß wir Sozialdemokraten unser Bestes daran setzen, die Qual der Wartenden zu lindern. Wir werden immer und immer wieder die Besatzungsmächte bitten, die politisch unbelasteten Kriegsgefangenen endlich heimzubefördern. Wir wollen nicht müde werden, zu zeigen, daß diese Kriegsgefangenen keine Kriegsverbrecher sind. [] Aber dazu brauchen wir Euch. Nur mit Euch kann es gelingen, der Welt zu sagen, daß Ihr ein Recht auf Euere Männer habt. Macht die sozialdemokratische Fraktion im Landtag stark! Sie soll der Treuhänder Euerer Rechte sein. [] Wählt Sozialdemokraten in den Landtag! [] Ein glückliches Heim ... [] Nur wenige Wochen sind es noch, die uns vom Einzug des Winters trennen. Viele von Euch Frauen werden mit Unbehagen an diese Jahreszeit denken, die ein vermehrtes Maß an Sorgen bringen wird. Und doch - vielleicht in einer stillen Stunde - denkt Ihr da nicht gerne zurück an Jahre, in denen der Winter Euch Freude brachte? Waren es nicht gerade immer diese kalten, nassen Wochen, in denen Ihr Euere Familie näher bei Euch hattet als sonst? War es nicht eine schöne Zeit für Euch, wenn Ihr am Abend im behaglichen Heim mit Euren Lieben gemeinsam sitzen konntet? Wie gemütlich war es, im eigenen Heim als glückliche Frau, als liebende Mutter sorgen zu können und im Kreise Eurer Familie damit Zufriedenheit und ein ausgeglichenes Zusammenleben zu pflegen. [] Das ist es, um was es uns Sozialdemokraten heute geht. Wir wollen wieder Frauen haben, die uns den Alltag froh machen, die unseren Kindern eine gute Mutter und Gefährtin sind. Wir wissen aber, daß Ihr das nur könnt, wenn man Euch die großen Sorgen abnimmt - kleine Sorgen bleiben ja ohnehin genug -, die Euch heute bedrücken. Ihr müßt wieder Euer eigenes Heim haben! Ihr sollt am Morgen nicht schon mit Schrecken daran denken müssen, daß ein Mittagessen zu bereiten ist, daß am Abend Eure Familie ein warmes Heim erwartet. Ihr sollt nicht immerfort darum sorgen müssen, daß für den andern Tag die Kleidung nicht in Ordnung ist, weil einfach der Knopf, der Faden und das Garn zum Ausbessern fehlen. [] Ihr lernt begreifen, daß der Hunger, den wir leiden und die Sorge, die unsere Tage schwer machen, Folgen falscher politischer Entscheidungen sind. Ihr bekommt einen Sinn für Politik. [] Frauen, denkt daran, wenn Ihr zur Wahl geht! Wählt die Partei, die im kommenden bayerischen Landtag und auch den Besatzungsmächten gegenüber Euere berechtigten Forderungen vertritt. [] Gebt Eure Stimme der SPD! [] Landesverband der SPD. M. Albert, München, Schackstr. 2. [] Druck: E. C. Baumann KG., Kulmbach.
|