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Hohn statt Lohn als Weihnachtszuwendung im öffentlichen Dienst! [] Die »Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA)« hat ihre Mitglieder am 15. November 1952 über die tarifliche Situation wegen der Auszahlung der Weihnachtszuwendung unterrichtet. In dieser Mitteilung befindet sich folgender bemerkenswerte Satz: [] "Die Mitglieder der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft werden demgegenüber im Hinblick auf die Stellungnahme ihrer eigenen Organisation gewiß auf die Auszahlung der Weihnachtszuwendungen in dem der DAG angebotenen Rahmen von sich aus verzichten." [] Der Senat der Hansestadt Hamburg hat in einer der Presse übergebenen Erklärung zum gleichen Thema folgendes ausgeführt: [] "Da die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft für ihre Mitglieder den angebotenen Abschluß eines gleichlautenden Vertrages abgelehnt hat, können Angestellte, die mit Rücksicht auf die Stellungnahme ihrer Gewerkschaft die Weihnachtszuwendung nicht in Empfang nehmen wollen, die Annahme verweigern." [] Wir haben uns nicht der trügerischen Hoffnung hingegeben, daß das soziale Verständnis der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übermäßig stark entwickelt sei. Der Verlauf der bislang geführten Tarifverhandlungen mit dem schlechten Ergebnis, daß die Gehälter der Angestellten des öffentlichen Dienstes im Gegensatz zu denen aller anderen Arbeitnehmergruppen gegenüber den Lebenshaltungskosten um über 40 Punkte zurückgeblieben sind, ist ein überzeugender Beweis dafür! Wir haben aber bisher nicht glauben wollen, daß dieselben Arbeitgeber es fertig bringen, die Angestellten in ihrer wirtschaftlichen Notlage auch noch zu verhöhnen. [] Durch den Senat der Hansestadt Hamburg und die VkA sind wir eines Besseren belehrt worden. Dabei berechtigt die mangelnde Übereinstimmung zwischen Angebot auf der einen und Forderung auf der anderen Seite nicht zu solchen Maßnahmen. Ist es nicht [] eine kaum noch zu überbietende Geschmacklosigkeit, [] scheinheilig davon auszugehen, daß die Mitglieder der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft auf die Auszahlung der Weihnachtszuwendung von sich aus verzichten werden, obgleich man ganz genau weiß, daß die Angestellten des öffentlichen Dienstes als die seit langem am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmer mit jedem Pfennig rechnen müssen? [] Ausgerechnet der Senat der Hansestadt Hamburg [] muß eine solche eigenartige Stellungnahme abgeben, obwohl dessen eigenes Statistisches Landesamt erst vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit in einer vielbeachteten Denkschrift den überzeugenden Nachweis erbrachte, daß die Vergütungen der Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes weit mehr als die Gehälter aller anderen Arbeitnehmergruppen in besorgniserregender Weise hinter den Lebenshaltungskosten zurückgeblieben sind. [] Zynismus [] ist ein schlechter Ersatz für mangelndes soziales Verständnis [] Der Bundesfinanzminister hat sich mit seinem Erlaß vom 7. November 1952 damit einverstanden erklärt, daß den unorganisierten Angestellten - ohne Gewährung eines Rechtsanspruches - die Weihnachtszuwendung gewährt wird. Die Entscheidung darüber, ob diejenigen Angestellten, die anderen Organisationen angehören, ebenfalls - wie die Unorganisierten - die Weihnachtszuwendung erhalten, behält sich der Bundesfinanzminister zunächst ausdrücklich vor. In einer unveröffentlichten Durchführungsanordnung zu diesem Erlaß jedoch wird deutlich, worauf man hinaus will: [] "Die Weihnachtszuwendung kann ohne Rücksicht auf die Zugegehörigkeit [!][Zugehörigkeit] des Empfängers zu einer gewerkschaftlichen Organisation an alle Angestellten und Arbeiter aufgrund der Tarifverträge vom 3.11.1952 ausgezahlt werden. Ich behalte mir jedoch vor, die Anweisung zur Auszahlung für die im Absatz 3 des Erlasses genannten Angestellten (Gemeint sind die DAG-Mitglieder) zu widerrufen bzw. bereits gezahlte Beträge wieder einziehen zu lassen, wenn ihre gewerkschaftliche Organisation den Versuch unternehmen sollte, die Zahlung einer höheren Weihnachtszuwendung durch gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen zu erzwingen und die Angestellten sich an den Kampfmaßnahmen beteiligen." [] Wer also schön brav ist, und sich nicht etwa an Kampfmaßnahmen beteiligt, erhält vom guten Herrn Bundesfinanzminister auch dann eine Weihnachtszuwendung, wenn er Mitglied der DAG ist! [] Wer unorganisiert ist, braucht nicht brav zu sein und kann machen, was er will. Er bekommt vom Bundesfinanzminister die Weihnachtszuwendung auf jeden Fall. [] Unser Bundesfinanzminister scheint merkwürdige Vorstellungen von der Funktion einer Gewerkschaft im demokratischen Staat zu haben; wenn die DAG das Angebot der Arbeitgeber nicht annimmt und sich ausdrücklich zu weiteren Verhandlungen bereit erklärt, ist das für ihn »arbeitsunfriedliches Verhalten«, und wenn die DAG sich weiterhin durch seine Drohungen in ihrer Haltung nicht beeinflussen laßt, versucht er mit sehr zweifelhaften Methoden, ihre Mitglieder durch Gewährung einer »Friedensprämie« (vorsorgliche Streikbrecherprämie) unter Druck zu setzen, um die von ihm offensichtlich befürchtete Streikgefahr zu bannen. [] Es ist an der Zeit, [] dem Finanzminister der Bundesrepublik klarzumachen, wie weit man gehen darf, um nicht in den begründeten Verdacht zu geraten, den Gewerkschaften unter mißbräuchlicher Anwendung staatlicher Gewalt das Handwerk legen zu wollen - und es wäre sehr heilsam, wenn dem Bundesfinanzminister diese Belehrung entweder durch den Bundestag oder aber auch durch das Bundeskabinett in sehr nachdrücklicher Weise zuteil würde. [] Angestellte des öffentlichen Dienstes, laßt Euch nicht beirren! [] Wir haben den Einschüchterungsversuchen der Arbeitgeber die überzeugende sittliche Berechtigung Eurer Forderung gegenüberzustellen. Das aber wissen und befürchten die Arbeitgeber, und daher erklärt sich auch die Skrupellosigkeit in der Auswahl ihrer Kampfmittel. [] Nach wie vor fordern wir ein halbes Brutto-Monatsgehalt! [] Not bricht nicht nur Eisen, Not bricht, wenn es sein muß, auch die Bürokratie! [] DRUCK: PAULSEN & JANSEN, HAMBURG
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