Medienpolitisches Konzept der RFFU

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: DGB-Archiv im AdsD Medienpolitisches Konzept der RFFU [] Die RFFU im DGB ist die gewerkschaftliche Organisation in den Medien Hörfunk, Fernsehen und Film. Sie strebt eine einheitliche Mediengewerkschaft an. [] Die RFFU fordert die V...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU), Hauptvorstand
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 21.04.1974
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/15B8FA5E-5775-429F-9EDA-C71CB25E808E
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: DGB-Archiv im AdsD Medienpolitisches Konzept der RFFU [] Die RFFU im DGB ist die gewerkschaftliche Organisation in den Medien Hörfunk, Fernsehen und Film. Sie strebt eine einheitliche Mediengewerkschaft an. [] Die RFFU fordert die Verwirklichung der vom Grundgesetz garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und des Anspruchs auf umfassende Informations- und gleiche Bildungschancen. Massenkommunikation soll unabhängige Meinungsbildung, Chancengleichheit und Selbstbestimmung ermöglichen. Die RFFU verlangt die Beseitigung undemokratischer Strukturen im Medienbereich, die diesen Zielen entgegenstehen. [] Die RFFU tritt ein für die Vielfalt der Meinungen und Medien, für die Mitbestimmung, für die gesellschaftliche Kontrolle auch des Films und neuer Medien, für den Betrieb von Hörfunk und Fernsehen ausschließlich in öffentlich-rechtlicher Form und für die Unabhängigkeit des Hörfunks und des Fernsehens von kommerziellen Interessen, von einzelnen Gruppen der Gesellschaft und vom Staat. Die RFFU ist bereit, für diese Ziele alle gewerkschaftlichen Mittel einzusetzen. [] 1 Eigenverantwortung und Kontrolle Die Vielfalt der Informationen und Meinungen muß durch innere demokratische Struktur der Medien und durch öffentliche Kontrolle gesichert sein. [] Informationsaustausch und Kooperation zwischen Vertretern der Mitarbeiter in den Medien und Vertretern der Öffentlichkeit müssen institutionell gesichert werden. Nur so sind Eigenverantwortung und Kontrolle sinnvoll. [] 2 Programmauftrag des Rundfunks Hörfunk und Fernsehen haben den Auftrag, Information, Bildung und Unterhaltung zu vermitteln. Dieser Auftrag verpflichtet dazu, kritisches Bewußtsein zu fördern. Hörer und Zuschauer sollen durch das Programm über die bloße Konsumentenhaltung hinaus zu freier Urteilsbildung und verantwortlicher Teilnahme an den gesellschaftlichen Prozessen angeregt werden. [] Die Erfüllung des Programmauftrags verlangt die öffentlich-rechtliche Struktur der Rundfunk-/Fernsehanstalten und ihre Unabhängigkeit von kommerziellen, staatlichen und Gruppen-Interessen. [] Der Programmauftrag der Rundfunk-/Fernsehanstalten darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß die Meinungsvielfalt beeinträchtigt und der Umfang der Informations- und Kulturprogramme weiter verringert wird. [] 3 Aufgaben der Rundfunk-/Fernsehräte und Verwaltungsräte Die Aufgaben der Rundfunk-/Fernsehräte und Verwaltungsräte müssen in den Rundfunkgesetzen präzise beschrieben und streng voneinander abgegrenzt werden. Dabei ist davon auszugehen, daß die Rundfunk-/Fernsehräte als Vertreter der Öffentlichkeit die Einhaltung der in den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen festgelegten Programmrichtlinien, die Verwaltungsräte die Geschäftsführung zu überwachen haben. [] 4 Besetzung der Rundfunk-/Fernsehräte Um die Kontrolle des Programmauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sicherzustellen, müssen für die Zusammensetzung der Rundfunk-/Fernsehräte folgende Prinzipien gelten: a Die Berechtigung gesellschaftlicher Gruppen, in diesen Gremien vertreten zu sein, muß vom Gesetzgeber anläßlich jeder Neuwahl des Rundfunk-/Fernsehrats überprüft werden. b Die vom Gesetzgeber als gesellschaftlich relevant anerkannten Gruppen wählen ihre Vertreter in eigener Verantwortung nach demokratischen Grundsätzen. c Wenn Vertreter der jeweiligen Legislative oder der Parteien diesen Gremien angehören, darf ihr Anteil 20% nicht überschreiten. d Vertreter der Bundes- oder einer Länderexekutive dürfen nicht Mitglieder in diesen Gremien sein. e Die Zahl der Gewerkschaftsvertreter in den Gremien muß in Zukunft der Bedeutung ihrer Aufgaben entsprechen, für die gesellschaftspolitischen, kulturellen und sozialen Interessen aller Arbeitnehmer einzutreten. [] Um die Information der Arbeitnehmer in den Rundfunkanstalten sicherzustellen und das sachverständige und kritische Potential im Rundfunkrat zu verstärken, müssen von den Beschäftigten gewählte Vertreter beratende Mitglieder in diesen Gremien sein. [] 5 Besetzung der Verwaltungsräte Der Verwaltungsrat trifft als Aufsichtsorgan der Geschäftsführung innerbetriebliche Entscheidungen. Er ist deshalb paritätisch zu besetzen, und zwar zur einen Hälfte mit vorn Rundfunkrat gewählten Vertretern - die nicht der Bundes- oder einer Länderexekutive angehören dürfen - und zur anderen Hälfte mit innerbetrieblichen und außerbetrieblichen Vertretern der Beschäftigten. Die außerbetrieblichen Vertreter werden von den in den Betrieben vertretenen Gewerkschaften, die Tarifpartner sind, vorgeschlagen und von den Beschäftigten gewählt. [] 6 Innere Struktur der Rundfunkanstalten Die hierarchisch gegliederten Rundfunkanstalten bedürfen des demokratischen Ausbaus. Die Intendantenverfassung und die aus ihr abgeleitete autoritäre Form der Geschäftsführung - auch auf allen anderen Ebenen der Hierarchie - entsprechen nicht dem gesellschaftspolitischen Konzept der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und nicht den Zielsetzungen einer demokratischen Unternehmensverfassung. Deshalb fordert die RFFU ein kollegial verfaßtes Direktorium, das seine Beschlüsse mit Mehrheit faßt und das gemeinsam verantwortlich ist. Dieses Direktorium setzt sich aus dem Vorsitzenden (Intendanten) und den Direktoren, darunter einem Arbeitsdirektor zusammen. Der Vorsitzende und die Direktoren werden vom Verwaltungsrat vorgeschlagen und vom Rundfunk-/Fernsehrat gewählt; der Arbeitsdirektor kann nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmer-Vertreter im Verwaltungsrat gewählt werden. Der Vorsitzende koordiniert die Arbeit der Direktoren und vertritt die Anstalt nach außen. Funktionen vom Abteilungsleiter an aufwärts sollen nicht gegen die Stimmen der Mehrheit aller Betroffenen und nur auf Zeit übertragen werden. Über den Kreis der jeweils Betroffenen müssen Organisationspläne Auskunft geben. [] 7 Personalvertretung in den Rundfunkanstalten Rundfunk- und Fernsehanstalten sind keine Verwaltung oder Behörde und benötigen deshalb eigene Personalvertretungsgesetze. Eine Einbeziehung in das Bundespersonalvertretungsgesetz beziehungsweise in Länderpersonalvertretungsgesetze kann nur als vorübergehende Lösung betrachtet werden, wobei Sonderregelungen für die Rundfunk-/Fernsehanstalten vorzusehen sind. Strukturelle, wirtschaftliche, personelle und soziale Entscheidungen müssen der Mitbestimmung des Personal-/Betriebsrats unterliegen. [] 8 Fachgruppenvertretung und Redakteursausschuß Unter Mitwirkung der Personal-/Betriebsräte und zur Unterstützung ihrer Arbeit können die Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen der Rundfunkanstalten Fachgruppenvertretungen bilden. Dazu gehören auch Redakteursausschüsse. Ihre Einordnung in das System der Fachgruppen ermöglicht die Geschlossenheit der Arbeitnehmervertretung auch in publizistischen Fragen. [] 9 Nicht angestellte Mitarbeiter in Rundfunkanstalten Die Vielfalt der Programmgestaltung, die sich aus dem Programmauftrag der Rundfunkanstalten ergibt, verlangt die Beschäftigung auch nicht angestellter Mitarbeiter. Sie sind in alle Mitbestimmungs- und Mitwirkungsregelungen einzubeziehen. Ihre wirtschaftliche und soziale Sicherung ist durch Tarifverträge zu gewährleisten. [] 10 Gebührenfestsetzung Die finanzielle Sicherung der Anstalten ist die Voraussetzung für ihre Unabhängigkeit. Durch gesetzliche Regelung muß ausgeschlossen werden, daß die Gewährung oder Versagung von Gebührenerhöhungen als politisches Druckmittel gegen die Anstalten mißbraucht werden kann. Das Recht zur Gebührenfestsetzung soll einer Kommission übertragen werden, die von allen Rundfunk- und Fernsehräten gemeinsam gewählt wird, deren Mitglieder aber diesen Räten nicht angehören müssen. [] 11 Werbung in Hörfunk und Fernsehen Werbung in Hörfunk und Fernsehen widerspricht dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Massenmedien. Solange die Anstalten Werbung zulassen müssen - etwa weil anders eine ausreichende Finanzierung des Rundfunks nicht gewährleistet werden kann -, müssen auch Inhalt und Form der Werbung im Sinne des Programmauftrags kontrolliert werden. [] Sendungen zur Verbraucheraufklärung sind auch im sogenannten Werbe-Rahmenprogramm anzubieten. [] 12 Tochtergesellschaften und Beteiligungen Hörfunk und Fernsehen sollen ausschließlich öffentlich-rechtlich betrieben werden. Eine schleichende Privatisierung durch die Gründung von Werbetöchtern, durch Beteiligung an privaten Atelierbetriebsunternehmen und Produktionsstätten und durch die Neugründung weiterer Herstellungs- und Vertriebsstätten auf privatrechtlicher Basis ist zu unterbinden. Die RFFU fordert die Übernahme der Tochtergesellschaften in die Rundfunkanstalten oder die Auflösung von Beteiligungen an Privatunternehmen. Solange diese Forderung noch nicht verwirklicht ist, müssen die Mitarbeiter bei den privaten Unternehmen den Beschäftigten bei den Rundfunkanstalten sozial gleichgestellt werden. Außerdem sind in die Aufsichtsorgane der Tochtergesellschaften der Rundfunkanstalten Vertreter der Beschäftigten aufzunehmen. [] 13 Gesellschaftliche Kontrolle des Films Der Film hat, wie die anderen Medien, eine öffentliche Aufgabe, auch wenn er privatwirtschaftlich organisiert ist. Deshalb ist gesellschaftliche Kontrolle des Films durch ein Filmgesetz sicherzustellen. Die Entwicklung kooperativer, gemeinwirtschaftlicher und gemeinnütziger Einrichtungen für Herstellung, Vertrieb und Abspielung ist zu fördern. [] 14 Film in der EG Der Integration des Films in der EG haben die Förderung der Qualität des deutschen Films und die Sicherung des technischen und handwerklichen Standards vorauszusehen. Die europäische Integration vollzieht sich im Bereich des Films besonders rasch. Wie in anderen Ländern sind dem deutschen Film angemessene Schutzfristen einzuräumen. [] 15 Nachwuchsförderung und Ausbildung Die RFFU fordert eine für alle Medien geltende staatliche Förderung des Nachwuchses. Die Nachwuchsförderung muß im Bereich der Medien koordiniert und verstärkt werden, um eine medienübergreifende Ausbildung zu ermöglichen. Betriebsinterne Ausbildungsgänge können nur Ergänzung sein. Die RFFU verlangt Mitspracherechte bei der Ausarbeitung der Förderungs- und Ausbildungsrichtlinien, einheitliche Tarifverträge für die Auszubildenden und Verankerung der Rechte dieser Mitarbeiter in den Personalvertretungsgesetzen beziehungsweise im Betriebsverfassungsgesetz. [] 16 Weiterbildung Die Weiterbildung in den öffentlich-rechtlichen wie in den privaten Betrieben im Medienbereich muß einheitlich geregelt werden. Die RFFU fordert entsprechende Tarifverträge, außerdem die Festsetzung eines angemessenen Bildungsurlaubs. [] 17 Urheberrecht Urheber- und Leistungsschutzrechte sind wichtige Schutzrechte der Medienschaffenden. [] Der Kreis der urheber- und leistungsschutzrechtlich geschützten angestellten Mitarbeiter ist nach fachlicher Beurteilung ihrer Beteiligung an den Produktionen zu erweitern. Alle anderen angestellten Arbeitnehmer sind an der Realisierung dieser Produktionen beteiligt und müssen durch tarifvertragliche Regelungen ebenfalls einen Anteil an den Erlösen der Rundfunkanstalten aus der Fremdnutzung ihrer Produktionen erhalten. [] 18 Archive - Kinemathek Zu den imöffentlichen Auftrag hergestellten Sendungen muß die Öffentlichkeit über die Ausstrahlung hinaus einen Anspruch auf Zugang haben. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind zu schaffen. Ein Filmarchiv mit regelmäßigen öffentlichen Vorführungen (Kinemathek) ist zu gründen. [] 19 Medienunterricht Medienerziehung gehört zu den Aufgaben der Schulen und Hochschulen und der Erwachsenenbildung. Erst die Kenntnis von Struktur, Arbeitsweise und Wirkung der Medien ermöglicht kritisches Bewußtsein, nicht zuletzt gegenüber den Medien selbst. [] 20 Medienforschung Inhalt, Form und Wirkung der Produkte der Medien sind bisher nicht ausreichend erforscht. Daher ist wissenschaftlich zu untersuchen, ob die Medien ihrem gesellschaftlichen Auftrag und ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht werden. Die RFFU fordert ein öffentlich-rechtliches Institut, das regelmäßig entsprechende Forschungsaufträge vergibt und die Ergebnisse veröffentlicht. [] Vom RFFU-Hauptvorstand verabschiedet am 21. Oktober 1974
Published:21.04.1974