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Sonderabdruck [] NEUE BAUWELT [] 7. JULI 1947 - 2. JAHRGANG - BERLIN - HEFT 27 [] Verlag des Druckhauses Tempelhof, vorm. Deutscher Verlag, Berlin-Tempelhof - Abonnementspreis: Monat 3.60 M, Vierteljahr 10.80 M, zuzüglich Zustellgebühr oder Porto (Einzelheft 1.00 M u. 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Schunck im April 1947 auf der Kölner Arbeitstagung des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung seinem Referat über ein neu zu schaffendes Boden- und Baurecht voran. Er findet überall im Städtebau der Welt immer mehr Geltung. [] Ein Obereigentum am städtischen Boden ist Wunsch jedes verantwortlich planenden Städtebauers. Er galt zunächst für Gartenstädte, wie sie erstmals von Ebenezer Howard und später von Raymond Unwin in England richtungweisend schon vor Jahrzehnten gefordert wurden; er gilt heute für alle Neugestaltung durch unsere gesamte Land- und Stadtplanung. [] Dabei spricht das Elend der 12 bis 15 Millionen verdrängten Deutschen aus Ost und Südost, die Haus und Hof, Wohnung und Hausrat, ihre ganze Existenz verloren haben, sowohl für den gegenseitigen Schadensausgleich als auch für den Zwang zu einer Bodenreform eine nicht mehr mißzuverstehende Sprache. Deutschland kann angesichts der über das ganze Land hinweg reichenden Zerstörung und seiner so schwer wiegenden Aufgaben beim Aufbau, des Zusammenrückens in seinem so sehr eingeengten Raum, einer dadurch unvermeidlichen ländlichen und städtischen Flurbereinigung einer grundlegenden sozial gerecht wirkenden Bodenreform in Land und Stadt nicht mehr länger ausweichen. [] Nun bietet der für die deutsche Wirtschaft unvermeidliche Währungs-, Guthaben- und Schadensausgleich eine einmalige Gelegenheit, die für die Durchführung einer Bodenreform auszunutzen ist. Die Verbindung mit diesem wirtschaftlich entscheidenden Ausgleich kann zweckmäßig gleichzeitig auch Grundlage einer neuen Ordnung für den so eingeengten Raum des restlichen Deutschlands abgeben. Ein solcher Ausgleich könnte zugleich einen ebensolchen der Schulden des gesamten Grundbesitzes herbeiführen. Er schaffte nüchterne Klarheit über unsere wirtschaftliche Lage, über unsere Verarmung im ganzen und im einzelnen. Er bedeutet aber außerdem Schrumpfung der alten Grundkapitalwerte. Durch den sich noch verändernden Strukturwandel können diese Grundwerte weder in der alten Höhe noch untereinander im alten Verhältnis weiter gelten, noch wirtschaftlich getragen werden. [] Eine sozial gerichtete Wirtschaft kann allein Grundlage neuen Bodenrechts sein, das in erster Linie der Güter schaffenden Arbeit zu dienen hat. Dafür müssen wir uns völlig befreien von verzwickten Ueberschneidungen, die in der alten Bau- und Bodenwirtschaft zu einem unüberbietbaren Chaos unserer Volkswirtschaft und einer wachsenden Bürokratie geführt hatten. Der große Währungs-, Schulden- und Schadensausgleich bedeutet daher eine Generalinventur unseres verbliebenen Vermögens. Sie allein kann Ausgangspunkt neuen Beginnens sein, wenn wir, befreit von den Schlacken der Vergangenheit, wirklich neu, von vorn anfangen wollen. Je einfacher und überlegter nun die neuen Grundlagen wären, um so größer wird auch der Erfolg sein. Denn: "Wer ernsthaft die neue Arbeit beginnt, wird bald sehen, daß er das ganze Gefüge des Lebens in Bewegung bringen muß, wenn sie gelingen soll." (Baudirektor Schumacher in seinen "Gedanken über die künftige Großstadt".) [] Durch Entschuldung im Wege gegenseitiger Verrechnung können wir auch allmählich die restlichen Grundwerte tilgen und so im Gleichmaß mit der allmählichen Neugestaltung zu einem Obereigentum im gesamtdeutschen Wirtschaftsraum kommen. Dann ist Baulandumlegung in den Städten und eine umfassende Flurbereinigung und Neueinteilung auf dem Lande möglich, entsprechend der neuen Land- und Stadtplanung. Sie kann bald beginnen, wird aber, aufs Ganze gesehen, viele Jahrzehnte dauern, nämlich genau solange, wie planmäßig die damit verbundene bauliche Umgestaltung in den einzelnen Bereichen der Länder dauern wird. [] Für alle neue Nutzung kann alsdann aus dem Obereigentum abgeleitet ein Erbmiet-, und für das Land Erbpachtbesitz über in Stiftungen zweckgebundene Grundvermögen geschaffen werden. Für ein solches Erbmiet- und Erbpachtrecht wird nachstehend ein von Georg Heyer, Berlin-Waidmannslust, schon weitgehend durchgearbeiteter Gesetzentwurf vorgeschlagen: [] Entwurf eines Gesetzes [] über Erbmiete und Erbpacht [] § 1. Jeder in einem Obereigentum zweckgebundene, bebaute Grundbesitz kann noch den Vorschriften dieses Gesetzes im Wege der Erbmiete oder der Erbpacht genutzt werden. [] § 2. Als zweckgebunden ist bebauter Grundbesitz nur dann anzusehen, wenn er durch die Landesplanung als solcher in den Bebauungs- oder den landwirtschaftlichen Nutzungsplänen mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörden ausgewiesen worden ist und von dazu errichteten Stiftungen getragen wird. [] § 3. Stiftungen über Grundvermögen sind nach einheitlichen von den Regierungen der Länder herausgegebenen Mustersatzungen zu errichten. [] § 4. Im Einvernehmen mit der Landesplanung ist in den Satzungen jeder Stiftung Zweck und Wirkungsbereich eindeutig zu umschreiben. [] § 5. Grundsätzlich ist zweckgebundener Grundbesitz in seinem gesamten Kostenaufwand einschließlich ersparter Zinsen zu tilgen und im Gleichlauf mit der Tilgung mit öffentlich-rechtlicher Wirkung wertmäßig abzuschreiben. [] § 6. Die Erbmiete oder Erbpacht darf in ihrer Höhe nur so bemessen werden, daß daraus [] a) der Schuldendienst für Zins und Tilgung (Abschreibung), [] b) der laufende Unterhaltungsaufwand, [] c) die laufenden Unkosten einschl. der Verwaltung getragen werden kann. [] Bei gewerblicher Nutzung: Vertriebsräumen (Läden), Betrieben oder Werkstätten kann in gegebenen Fällen eine veränderliche Lagerente vertraglich vereinbart und als Zuschlag zur Miete erhoben werden. [] § 7. Nach erfolgter Tilgung und Abschreibung des Gesamtkostenaufwandes ist die Erbmiete oder Erbpacht um den Betrag der ersparten Zinsen und Tilgungen zu senken. Ein Satz von einem Viertel der Erbmiete oder Erbpacht kann weiter erhoben werden, wenn und soweit diese Mittel zur wiederkehrenden Erneuerung der technischen Einrichtungen der Bauwerke nachweislich benötigt werden. [] § 8. Erbmiete - oder Erbpacht ist allgemein von der Stiftung unkündbar zu vergeben. Ausnahmen sind bei Erbwohnbesitz nur für Fälle gröblicher Pflichtverletzungen im Vertrage vorzusehen. Bei Vertriebsräumen (Läden), Betrieben und Werkstätten können auch andere Gründe vertraglich vereinbart werden. [] Die Landesplanung kann auf Grund verfassungsmäßig erlassener Sondergesetze für bestimmte Bereiche eine vorzeitige Beendigung der davon betroffenen Erbmiet- bzw. Erbpachtverträge herbeiführen. In der Regel ist hierfür eine längere Vorankündigung und Anbietung anderen annähernd gleichartigen Besitzes zu gewähren. (Allgemein etwa 3-5 Jahre vorher.) [] Der Erbmieter einer Erbwohnung kann jedoch zur Erhaltung seiner Freizügigkeit alljährlich einmal mit viermonatiger Frist zum Ende eines Kalenderjahres kündigen. Der Erbpächter kann alljährlich mit zwölfmonatiger Frist zum Ende eines Wirtschaftsjahres kündigen. [] § 9. Ausnahmen von den Bestimmungen des § 6 und § 8 können nur von den höheren Verwaltungsbehörden des Landes bewilligt werden. Sie sind alsdann im Einvernehmen mit der Landesplanung schon bei der Baugenehmigung festzulegen. Dadurch aufkommende höhere Erträge - Mieten oder Pachten - sind gesondert zu verwalten und zu nutzen. Sie müssen ausschließlich kulturellen oder sozialen Aufgaben oder gemeinnützigen Einrichtungen für die von dieser Stiftung umschlossenen Gemeinschaft zugeführt werden. [] § 10. Erbmiete oder Erbpacht ist immer nur auf eine wirtschaftlich und räumlich festumgrenzte Einheit - Wohnung, Werkstatt, Betriebs- oder Vertriebsräume (Läden) oder landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Fläche - zu beschränken. Im Vertrag ist der Zweck der vereinbarten Nutzung, sind Rechte und Pflichten des Erbmieters oder Erbpächters und der Stiftung eindeutig zu umschreiben. Die Länder werden Muster solcher Verträge herausgeben. Abweichungen von diesen Mustern bedürfen der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde des Landes. [] § 11. Auf Grund der Erbmiete oder Erbpacht steht dem Erbmieter oder Erbpächter das veräußerliche und vererbliche Recht zu, die ihm überlassene Einheit (§ 10) vereinbarungsgemäß zu nutzen. Die Ueberlassung der Nutzung im Wege des Nießbrauchs ist ausgeschlossen, im Wege des Verkaufs an einen Dritten darf dieser nicht mit anderen Sachen oder Verbindlichkeiten gekoppelt werden. Die Ueberlassung ist an die Zustimmung der Stiftung gebunden, die sie aus ihr wichtig erscheinenden Gründen verweigern kann. [] § 12. In dem Vertrage ist das für die Begründung des Erbbesitzes vom Erbmieter oder Erbpächter zu tragende Entgelt, über Pflichten und Rechte des Erbmieters oder Erbpächters und der Stiftung, über die Höhe der Miete oder Pacht sowie über den Ausschluß jeglichen Gewinnes bei der Veräußerung Vorsorge zu treffen. [] § 13. Das Recht der Erbmiete oder Erbpacht ist im Grundbuch zunächst an bereiter Stelle einzutragen. Ihm dürfen im Range nur die Aufbauschulden vorgehen. Nach Tilgung dieser Aufbauschulden ehält [!] die Erbmiete oder Erbpacht den ersten Rang im Grundbuch. [] Der Erbmieter oder Erbpächter wird nicht in das Grundbuch eingetragen. Alle Erbmieter oder Erbpächter einer Stiftung werden in einem Erbmieterverein oder Erbpächterverein zusammengeschlossen, der gegenüber der Stiftung deren Rechte zu vertreten hat. [] § 14. Bei Veräußerung des Erbbesitzes hat die Stiftung das Vorkaufsrecht. Das gilt auch für den Verkauf im Falle des Konkurses oder im Wege der Zwangsvollstreckung - soweit diese noch § 17 nicht ausgeschlossen ist. Die 504, 505, 508, 509, 510 und 513 des BGB gelten entsprechend. [] Die Ausübung des Vorkaufsrechts der Stiftung ist bei Erbwohnbesitz ausgeschlossen, wenn der Erbmieter seinen Erbwohnbesitz an seinen Ehegatten oder an einen Abkömmling ersten Grades veräußert oder vererbt. [] § 15. Die Stiftung kann verlangen, daß der Erbbesitz aufgehoben wird, wenn der Erbmieter diesen Besitz nicht dauernd selbst bewohnt oder vereinbarungsgemäß nutzt oder wenn er grobe Mißwirtschaft treibt. Weitere Vereinbarungen können im Erbmiet- oder Erbpachtvertrag getroffen werden. [] § 16. Wird der Erbmieter oder der Erbpächter von mehreren Personen beerbt, so entscheidet, falls der Erblasser nicht selbst Bestimmungen über die Rechtsnachfolge für sein Erbmiet- oder Erbpachtrecht getroffen hat oder die Erben sich nicht auf einen Rechtsnachfolger einigen, die Stiftung darüber, wer von den Erben das Miet- oder Pachtrecht fortsetzen soll. Den Vorrang hat ein Erbe, der zur Zeit des Todes des Erblassers mit ihm in Hausgemeinschaft gelebt hat. Bei gewerblichem oder handwerklichem sowie bei landwirtschaftlichem oder gärtnerischem Besitz ist der Uebergang nur bei nachgewiesener Berufseignung unabdingbare Voraussetzung des Ueberganges. [] § 17. Zwangsvollstreckung in dem Erbmiet- oder Erbpachtbesitz und seine Nutzungen wegen persönlicher Schuld des Erbmieters oder Erbpächters ist unzulässig und daher rechtsunwirksam. [] § 18. Alle zur Begründung von Erbmiet- oder Erbpachtbesitz getroffenen Vereinbarungen sind von allen Gebühren, Stempelabgaben und Steuern des Reichs, der Länder und sonstigen öffentlichen Körperschaften befreit. Zur Abgeltung wird eine einheitliche Gebühr zu Gunsten des Landes erhoben. [] Druckhaus Tempelhof. 200. 7. 47
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