Warum scheiterten die Kinderbeihilfen?

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Warum scheiterten die Kinderbeihilfen? [] [] Aus dem System des Leistungslohns ergibt sich zwangsläufig eine wirtschaftliche Benachteiligung von Familien mit Kindern. Deshalb wurden in den letzten Jahren in über 30 Staaten Familienausgleichs...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/896A07AE-9245-4899-A564-A348A6A9C20B
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Warum scheiterten die Kinderbeihilfen? [] [] Aus dem System des Leistungslohns ergibt sich zwangsläufig eine wirtschaftliche Benachteiligung von Familien mit Kindern. Deshalb wurden in den letzten Jahren in über 30 Staaten Familienausgleichskassen oder ähnliche Einrichtungen geschaffen. Die Bundesregierung hat, obwohl nach Artikel 6 des Grundgesetzes die Familie unter dem besonderen Schutz des Staates steht, keinerlei Schritte zur wirtschaftlichen Hilfe für Familien mit Kindern unternommen. [] [] Gegenwärtige Steuerermäßigungen unzureichend [] Die gegenwärtige Gewährung von Steuerermäßigungen nach der Steuerklasse III ist sozial höchst ungerecht. Die Steuerermäßigung beträgt gegenüber Ehepaaren ohne Kinder bei Ehepaaren mit einem [] Monatseinkommen von 300 DM [] für 1 und mehr Kinder insgesamt 6.25 DM [] Monatseinkommen von 400 DM [] für 1 Kind 8.25 DM [] für 2 Kinder 15.15 DM [] für 3 Kinder 23.40 DM [] Monatseinkommen von 600 DM [] für 1 Kind 12.60 DM [] für 2 Kinder 24.35 DM [] für 3 Kinder 39.- DM [] Monatseinkommen von 1000 DM [] für 1 Kind 18.75 DM [] für 2 Kinder 37.50 DM [] für 3 Kinder 62.25 DM [] [] Durch die indirekte staatliche Kinderbeihilfe, die im Wege der Steuerermäßigung gewährt wird, werden also gerade die sozial schwächeren Bevölkerungskreise gegenüber den höheren Einkommensbeziehern benachteiligt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat deshalb die Initiative zur Schaffung von Kinderbeihilfen ergriffen, damit über die Beschäftigten desöffentlichen Dienstes hinaus für alle Kinder Kinderbeihilfen gezahlt werden. [] [] SPD-Entwurf von 1950 [] Bereits kurze Zeit nach dem Zusammentritt des ersten Deutschen Bundestages hat die SPD-Fraktion im März 1950 einen Gesetzentwurf über die Gewährung von Kinderbeihilfen vorgelegt. Danach sollten für alle Kinder bis zum 18. Lebensjahr aus Steuermitteln Kinderbeihilfen von monatlich 20 DM gewährt werden. Die Ausschußberatungen über diesen SPD-Antrag wurden von der Regierungsmehrheit sehr in die Länge gezogen, da die CDU einen eigenen Gesetzentwurf über die Kinderbeihilfen beabsichtigte. [] [] CDU-Entwurf von 1951 [] Im Juli 1951 brachte endlich die CDU-Fraktion den angekündigten Gesetzentwurf über die Errichtung von Familienausgleichskassen ein. Danach war vorgesehen, für die einzelnen Berufs- und Wirtschaftszweige bei den Unfallberufsgenossenschaften Familienausgleichskassen zu bilden. Die Kinderbeihilfen sollten nicht für alle Kinder, sondern nur für Familien mit drei und mehr Kindern gewährt werden. Ueber die Höhe der Kinderbeihilfen enthielt der CDU-Gesetzentwurf keine genauen Vorschriften. Die Höhe sollte von Jahr zu Jahr durch die Bundesregierung festgesetzt werden, wobei die Möglichkeit zur Zahlung unterschiedlicher Kinderbeihilfen für einzelne Berufsgruppen vorgesehen war. Nach dem CDU-Antrag sollten die erforderlichen Mittel für Beschäftigte durch Beiträge der Arbeitgeber und für Selbständige durch Umlage aufgebracht werden. [] [] Der Kompromiß bei den Ausschußberatungen [] Der Sozialpolitische Ausschuß des Deutschen Bundestages hat sich in fast 30 Sitzungen, an denen auch Vertreter des Bundesrates, der verschiedensten Ministerien und Sachverständige teilnahmen, bemüht, auf der Grundlage der Gesetzentwürfe der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion einen neuen Gesetzentwurf zu schaffen. Dieser von Sozialpolitischen Ausschuß ausgearbeitete Gesetzentwurf sah vor, Kinderbeihilfen vorerst nur an Familien mit drei und mehr Kindern zu gewähren. Es sollte eine gleiche Kinderbeihilfe von je 20 DM gezahlt werden. Beabsichtigt war, die erforderlichen Mittel im wesentlichen durch Beiträge der Arbeitgeber und in gewissem Umfange von Selbständigen mit höherem Einkommen aufzubringen. Die verwaltungstechnische Durchführung des Familienausgleichs sollte in möglichst einfacher Weise unter Einschaltung der Finanzämter beim Beitragseinzug und der Postanstalten bei der Auszahlung der Kinderbeihilfen erfolgen. Dieser vom Sozialpolitischen Ausschuß ausgearbeitete Gesetzentwurf stellte einen echten Kompromiß dar. Die SPD hatte sich für die Anlaufzeit mit der Gewährung von Kinderbeihilfen erst vom dritten Kind an einverstanden erklärt, während die CDU bereit war, eine einheitliche Kinderbeihilfe ohne Unterscheidung nach Berufs- und Wirtschaftszweigen mit Auszahlung durch die Post anzuerkennen. [] [] Der Umfall der Regierungsparteien [] Nach Zustandekommen dieses Kompromisses wurde allgemein mit der Verabschiedung des Gesetzesüber den Familienausgleich noch in diesem Bundestag gerechnet, zumal die CDU auf ihrem Hamburger Parteitag ausdrücklich eine entsprechende Erklärung abgegeben hatte. Um so überraschender war es, daß die CDU am 15. Juni 1953 im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages erklärte, sie könne leider dem vorgesehenen Gesetzentwurf über den Familienausgleich nicht zustimmen. Dieser Auffassung schlossen sich die FDP und DP an, die schon früher im Gegensatz zur CDU stärkere Vorbehalte gegen den Familienausgleich geäußert hatten. Ueber die Hintergründe dieses Umfalls der Regierungsparteien sind nur Vermutungen möglich. Es ist aber interessant, daß am 6. Juni 1953 die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände in einem Schreiben an den Bundesarbeitsminister sich gegen den vom Sozialpolitischen Ausschuß ausgearbeiteten Gesetzentwurf gewandt hatte und wieder für den ursprünglichen CDU-Plan eines Familienausgleichs nach Wirtschaftszweigen unter Einschaltung der Berufsgenossenschaften und unter Auszahlung der Kinderbeihilfen durch die Arbeitgeber eintrat. [] Unverzüglich nach der ablehnenden Haltung der Regierungsparteien hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den im Ausschuß gemeinsam ausgearbeiteten Gesetzentwurf über Kinderbeihilfen als Initiativantrag im Plenum des Bundestages eingebracht. Bei den Ausschußberatungen über diesen Gesetzentwurf rückten nunmehr die Regierungsparteien von dem Ergebnis der monatelangen gemeinsamen Ausschußarbeit ab. Sie machten die Verabschiedung des Gesetzentwurfes noch in diesem Bundestag dadurch unmöglich, daß zu 43 Paragraphen Abänderungsanträge gestellt wurden. Wiederholt haben sich die Regierungsparteien und insbesondere die CDU in programmatischen Erklärungen für eine familienfreundliche Politik ausgesprochen. Auch in Bezug auf die Kinderbeihilfen bestehen aber zwischen den Programmen dieser Parteien und ihrer praktischen Politik krasse Widersprüche. [] [] Wähler! [] Denkt am 6. September daran! [] Wählt die Kandidaten der SPD [] [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
Published:06.09.1953