Das "rote Gespenst"

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Das "rote Gespenst". [] In furchtbarem Zusammenbruch nach außen und innen ist die überlebte und Volksfeindliche monarchische Gewalt in Deutschland hinweggefegt worden. Eine schlimme Erbschaft hat der neue Volksstaat antreten müssen....

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1918
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/B424C02E-764A-4FCC-87F9-C55837F6D4EE
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals Das "rote Gespenst". [] In furchtbarem Zusammenbruch nach außen und innen ist die überlebte und Volksfeindliche monarchische Gewalt in Deutschland hinweggefegt worden. Eine schlimme Erbschaft hat der neue Volksstaat antreten müssen. Der wahnwitzige Machtrausch der Gebieter von gestern hat die ganze Welt in Waffen gegen uns vereinigt und das deutsche Volk aus blühendem Wohlstand in schwere Not und Entbehrung gestürzt, ja der Hungersnot nahe gebracht. Jetzt geht es vor allem um [] Frieden und Brot. [] Beides will und soll die sozialistische Volksregierung schaffen. Nicht ihre Schuld sind die harten vom Feinde diktierten Bedingungen des Waffenstillstandes und die verzweifelte Lage unserer Ernährungs- und Versorgungsverhältnisse. Wem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, der muß sich in dieser schweren Zeit der Vedrängnis hinter die Regierung stellen, die allein für Sicherheit und Ordnung, nicht minder wie für [] Freiheit und Fortschritt [] bürgt. Geht es nach ihrem Willen, so soll es von nun an nur noch freie und satte Menschen in Deutschland geben. Dazu aber bedarf sie des Vertrauens des Volkes. [] Noch betäubt und eingeschüchtert von den Sturmtagen der Revolution steht ein großer Teil des Bürgertums der neuen Zeit fassungslos und mißtrauisch gegenüber. Der sozialistische Charakter des neuen Volksstaates erfüllt gewisse Kreise mit Besorgnis. Das [] rote Gespenst [] ist ihnen von früheren Machthabern so oft drohend an die Wand gemalt worden, daß ihnen noch der Schreck in allen Gliedern sitzt. Aber Bange machen gilt nicht! Jedes Gespenst verschwindet, wenn man beherzt darauf zugeht. An der Hand des sozialdemokratischen Parteiprogramms läßt sich so manche der schwersten Befürchtungen zerstreuen. [] Eine der schreckendsten Sorgen dieser Ängstlichen ist die um Teilung des Privatvermögens. Aber nicht um das Privateigentum, sondern um eine gerechte Verteilung des Nationaleinkommens, die jeden Angehörigen der Gesellschaft vor Hunger und Elend schützt, handelt es sich im sozialistischen Staat der Zukunft. Nur das private Eigentum an Produktionsmitteln soll aufhören. Grund und Boden, Gruben und Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen und Verkehrsmittel sollen in Eigentum der Allgemeinheit, die Hauptwarenproduktion in eine sozialistische umgewandelt werden. Eine solche [] Vergesellschaftung geeigneter Großbetriebe [] ist übrigens auch heute schon vielfach mit Erfolg durchgeführt: z. B. in der Verstaatlichung der Preußischen Eisenbahnen, die geradezu das Rückgrat der preußischen Finanzen bilden. [] Von einer Teilung der privaten Ersparnisse des Mittelstandes ist gar keine Rede. Dagegen soll der Großbetrieb, bisher eine Quelle des Elends und der Unterdrückung für die Arbeiterklassen, zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt für alle Volksgenossen werden. [] Wie ungerecht bisher unter der Herrschaft des Großkapitalismus die Verteilung der Lebensgüter war, hat ein Gegner des Sozialismus, der Engländer John Stuart Mill, schon vor nahezu hundert Jahren ausgesprochen: [] "Wie wir es jetzt sehen, verteilt sich das Ergebnis der Arbeit fast im umgekehrten Verhältnis zur Arbeit - so daß die größten Anteile denen zufallen, welche überhaupt nie gearbeitet haben, die nächstgrößten denen, deren Arbeit beinahe nur nominell ist, und so weiter herunter, und die Vergütung in gleichen Verhältnissen zusammenschrumpft, wie die Arbeit schwerer und unangenehmer wird, bis endlich die ermüdendste und aufreibendste Arbeit nicht mit Gewißheit darauf rechnen kann, selbst nur den notwendigsten Lebensbedarf zu erwerben." [] Vor brutalen und übereilten Enteignungseingriffen in die privaten Betriebe schützt die Erwägung, daß der Sozialismus nur lebensfähig ist, wenn er uns als Gesamtheit reicher, nicht wenn er uns ärmer macht. [] Nicht mit einem Schlage, sondern planmäßig Schritt für Schritt will der Sozialismus das Wirtschaftliche System umgestalten und die Herrschaft einer kleinen Zahl ungekrönter Industrie- und Kapitalkönige, dieüber hunderttausend und mehr Lohnsklaven herrschen, auf die Gesamtheit der Schaffenden im Volke übertragen. Die große Mehrheit der Bevölkerung wird einem solchen Plane wohlwollend gegenüberstehen. [] Eine gewalttätige Diktatur der Minderheit, wie sie die Bolschewiki in Rußland ausüben und wie sie vielfach bei uns gefürchtet wird, widerspricht den Grundsätzen des Sozialismus und dem Programm der sozialdemokratischen Partei Deutschlands in höchstem Maße [!] Die sozialdemokratische Partei kämpft nach ihrem Programm nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die [] Abschaffung der Klassenherrschaft und der Massen selbst, [] für gleiche Rechte und gleiche Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Abstammung. Sie kämpft gegen jede Art der Ausbeutung und der Unterdrückung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse. [] Die sozialdemokratische Volksregierung kann und wird diese demokratischen Grundsätze nicht verleugnen. Darum tritt sie auch ein für die möglichst baldige Zusammenberufung der Nationalversammlung, die über die künftige Verfassung der deutschen Volksrepublik zu entscheiden haben wird.
Published:1918