Die SPD für die Freilassung von Kriegsgefangenen

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die SPD für die Freilassung von Kriegsgefangenen [] Rede des sozialdemokratischen Abgeordneten Stock in der verfassungsberatenden Landesversammlung für Großhessen [] Ich möchte hier von der Tribüne des Parlaments, wahrscheinlich als dem erste...

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Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bezirksverband Kassel, Hessische Nachrichten
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 07.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/8F6DEBAD-9A85-4485-AB01-0AD8858C99BF
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die SPD für die Freilassung von Kriegsgefangenen [] Rede des sozialdemokratischen Abgeordneten Stock in der verfassungsberatenden Landesversammlung für Großhessen [] Ich möchte hier von der Tribüne des Parlaments, wahrscheinlich als dem ersten Parlament der neu erstehenden deutschen Republik, über diese wichtige Frage, die alle Deutsche angeht, sprechen. Es dreht sich jetzt nicht mehr darum, nur einen Teil der Gefangenen aus der Kriegsgefangenschaft freizubekommen, sondern es geht um alle Kriegsgefangenen. Es handelt sich um eine Angelegenheit des gesamten Volkes. Die Kriegsgefangenenfrage muß schnellstens gelöst werden. - (Sehr richtig!) [] Die Sorge um die Kriegsgefangenen, der Eltern, der Mütter, der Frauen, der Kinder um ihre Väter ist groß. Ich habe dieserhalb versucht, von den Instanzen, die sich mit der Frage der Kriegsgefangenen beschäftigen, das einschlägige Material zu sammeln, muß ich Ihnen mitteilen, daß die Zahl der noch in Kriegsgefangenschaft Befindlichen einschließlich der Vermißten, über die noch keine Nachricht eingegangen ist, immer noch nahezu 5 Millionen beträgt. - (Hört, hört!) [] Ich habe auch versucht, festzustellen, wie groß die Zahl der Gefangenen in den einzelnen Ländern ist. Es ist auch geprüft, wie weit sich die einzelnen Länder bemühen, die Kriegsgefangenen zu entlassen und welche Maßnahmen dort in bezug auf ihre Verpflegung und Unterkunft getroffen wurden, ebenso wie die postalischen Verhältnisse sind. Es darf gesagt werden, daß sich alle Organisationen die erdenklichste Mühe geben, das Los unserer Kriegsgefangenen zu erleichtern. Es muß andererseits auch gesagt werden, daß diese Organisationen auch heute noch erheblichen Schwierigkeiten begegnen, um die nötigen Feststellungen treffen zu können. Wir haben dieser Tage durch die Rede des Außenministers Byrnes gehört, daß die amerikanische Regierung sich mit der Kriegsgefangenenfrage beschäftigt hat und der amerikanische Außenminister Byrnes gab folgendes bekannt: [] "Die Vereinigten Staaten haben fast alle in ihrem Lande befindlichen Kriegsgefangenen nach Deutschland zurückgeschickt. Wir unternehmen unverzügliche Schritte, um die in anderen Teilen der Welt befindlichen deutschen Kriegsgefangenen baldigst zurückzusenden." [] Diese Worte wirken erlösend. Wir wissen dadurch, daß wenigstens von einem Lande, nämlich von Amerika, die Kriegsgefangenenfrage restlos gelöst werden soll. Wir haben weiter erfahren, daß auch die englische Regierung sich mit dieser Frage beschäftigt. Wir hören, daß jeden Monat 15000 Kriegsgefangene von England nach Hause geschickt werden sollen. - (Zuruf von der SPD: "Zu wenig!") [] Es befinden sich im englischen Mutterlande zurzeit noch 380000 Kriegsgefangene und weitere 115000 befinden sich noch in den englischen Dominien. Wenn aus England monatlich 15000 Kriegsgefangene entlassen werden, wird noch eine sehr lange Zeit vergehen, bis der letzte Kriegsgefangene heimgekehrt sein wird. Wir haben allerdings die Hoffnung, daß mit dem weiteren Abebben des Kriegsgeistes auch in England in nächster Zeit der Gedanke sich durchsetzen wird, daß man die Zahl der in jedem Monat zu entlassenden Kriegsgefangenen vergrößern wird und daß damit der Zeitpunkt, wo der letzte Kriegsgefangene heimkehren wird, wesentlich näherrücken wird. Wir wissen wenigstens, daß diese Länder sich mit der Frage der Entlassung der Kriegsgefangenen beschäftigen und somit ist der Zeitpunkt, an dem der letzte Kriegsgefangene nach Hause kommt, wenigstens abzusehen. [] Was die in den anderen Ländern noch zurückgehaltenen 4 Millionen Kriegsgefangenen betrifft, so sind wir über deren Heimkehr noch völlig im unklaren. In Frankreich sollen sich noch an 800000 Kriegsgefangene befinden. Wie viele Kriegsgefangene sich noch in den Ostländern befinden, war nicht genau festzustellen. Sicher handelt es sich aber um mehrere Millionen. [] Die postalischen Verhältnisse sind wenig günstig und in den Kreisen der betroffenen Eltern, Frauen und Kinder herrscht eine große Sorge auch deswegen, weil von mehreren hunderttausend Kriegsgefangenen bis heute noch keinerlei Lebenszeichen eingegangen ist. - (Zurufe von der SPD: Sehr richtig! Das ist die Demokratie Rußlands!) - Bei dieser trostlosen Lage der Verhältnisse hält der Ausschuß es für notwendig, daß von dieser Stelle aus ein offenes Wort an alle gerichtet wird. - (Sehr richtig! bei der SPD) [] Seit fünfviertel Jahren ruhen nunmehr die Waffen, unerhörtes Leid hat dieser Krieg über die Welt gebracht, das Leid des deutschen Volkes aber wird noch stark vermehrt dadurch, daß die große Zahl von Kriegsgefangenen noch nicht in die Heimat zurückgekehrt ist. - (Sehr wahr! bei der SPD) [] Wir bekennen: Militaristische und nationalsozialistische Verbrechen sind die Ursachen dieses Elends und von Deutschland haben diese Verbrechen durch den Nationalsozialismus ihren Ausgang genommen. Wir wissen: Der Fluch der ganzen Welt lastet auf uns, dem ganzen deutschen Volke. Das nationalsozialistische Dritte Reich hat das deutsche Volk in Krieg und Not gestürzt und trägt dafür allein die Verantwortung. Man soll aber überall in der Welt bedenken: Nicht alte Deutschen waren Nazis, und nicht alle Deutschen waren Militaristen. Deshalb kann auch das ganze deutsche Volk nicht für die Verbrechen der Nazis verantwortlich gemacht werden. - (Sehr richtig! bei der SPD) [] Niemals haben die Nazis in freier Abstimmung die Mehrheit im deutschen Volke gehabt. (Sehr richtig! im ganzen Hause) [] Und nun, da wir beginnen, den deutschen Staat auf der Grundlage der Demokratie neu zu errichten, soll man wissen: Diese im Geiste der Demokratie und im Geiste des Humanismus begonnene Aufbautätigkeit leidet sehr stark darunter, daß unsere Kriegsgefangenen noch immer nicht in die Heimat zurückgekehrt sind, ja, daß über das Schicksal von Hunderttausenden noch immer eine völlige Ungewißheit herrscht. Das seelische Leid, das auf den Eltern, auf den Kindern, auf den Geschwistern dieser Kriegsgefangenen lastet, ist groß. Der Sache der Freiheit, der Menschenliebe und der Völkerverständigung, wie auch dem Frieden, würde ein großer Dienst geleistet werden, wenn man den Eltern die Söhne, den Frauen ihre Männer, den Kindern den Vater zurückgeben würde. Für die junge Demokratie aber, die in Deutschland aufgerichtet werden soll, würde die baldige Heimkehr der Kriegsgefangenen eine nicht zu unterschätzende Unterstützung darstellen. [] Im Namen der Menschlichkeit fordern wir Sozialdemokraten deshalb die baldige Freilassung der Kriegsgefangenen. [] Verantwortlich: Bezirksverband Kassel der SPD, Weis. [] Druck: Hessische Nachrichten 50000 10 46
Published:07.1946