AN UNSERE DEUTSCHEN GENOSSEN!!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals An unsere deutschen Genossen! Anfang dieses Jahres bereitete die reaktionäre Bourgeoisie Finnlands einen gegenrevolutionären Staatsstreich vor, und ihre bewaffneten Truppen gingen bereits zum Anfall gegen die Arbeiterklasse vor. Die Arbeiter e...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: N.N., Tryekeri-A.-B. Fram, Stockholm
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1918
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/1632281B-61D3-4661-945F-D624F32AE6B5
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals An unsere deutschen Genossen! Anfang dieses Jahres bereitete die reaktionäre Bourgeoisie Finnlands einen gegenrevolutionären Staatsstreich vor, und ihre bewaffneten Truppen gingen bereits zum Anfall gegen die Arbeiterklasse vor. Die Arbeiter erhoben sich dann zu einem schweren und bitteren Kampf für ihre Befreiung und für die Demokratie. Dieser Kampf kam der Arbeiterklasse Finnlands sehr teuer zu stehen, denn die Kapitalistengruppen anderer Länder kamen Finnlands Bourgeoisie zu Hilfe. Die Revolution hätte vielleicht diesen Feinden Stand halten können, ihr Schicksal wurde aber besiegelt als die Heeresmacht des deutschen Militarismus der Bourgeoisie zu Hilfe eilte. Dann wurde der Widerstand der Revolutionsarmee gebrochen und die finnische Arbeiterklasse unterlag den eisernen Hacken der Bourgeoisie. Deutsche Arbeiter in feldgrauen Uniformen, die dazu als Söldner der Bourgeoisie dienten, plünderten das Volkshaus in Helsingfors und nahmen dessen Einrichtung und Zierate als Kriegsbeute mit nach Deutschland. Die Unterdrückung der Revolution hatte die grausame Rache der Bourgeoisie zur Folge. Als der Widerstand der Revolutionstruppen nach heissem Kampfe vereitelt war, dauerte unter den Gefangen ein greuliches Blutbad fort. So wurde in Tammerfors sogleich jeder fünfzehnte Mann unter den Revolutionären füsiliert. Die Zahl der in diesem Blutbad und in dem Kampf an der Front umgebrachten Arbeiter beträgt, niedrig eingeschätzt an 13,000 Menschen. Die überlebenden, etwa 80.000 revolutionäre rote Krieger wurden in Gefangenlager eingesperrt. Von diesen Unglücklichen wurden während des Monats Mai ohne Untersusuchung [!] [Untersuchung] und Urteil, als die Revolution schon unterdrückt war, täglich mehrere hundert Mann, auf wenigstens 10,000 Mann zu veranschlagen, erschossen. Aber vielleicht noch viel schrecklicher war das Schicksal der übrigen. In Gefängnissen zusammengepfercht, so eng dass nicht einmal bei Nacht alle auf dem kalten, feuchten Boden Raum finden konnten, mussten sie monatelang die durch Ausdünstungen und Exkremente verpestete Luft ertragen. Speise erhielten sie nur ganz unzureichend und von verfaulten Stoffen bereitet. Epedemien [!] [Epidemien] wüteten unter den Massen von Gefangenen. Noch viel grausiger ist die Zahl der vor Hunger gestorbenen. In einem einzigen Gefangenenlager, zu Ekenäs, wo 6.000-8.000 Gefangene eingesperrt waren, starben während fünf Wochen mehr als eintausend Menschen vor Hunger. Insgesamt wird die Zahl der vor Hunger und Erkrankungen gestorbenen auf mehr als 10,000 Menschen geschätzt - und zwar schon Anfang September. Genaue Ziffern können nicht angeführt werde [!], weil offizielle diesbezügliche Ziffern nicht veröffentlicht sind. Vorgenannte Zahlen sind aber eher zu niederig [!] als zu hoch, geben auch eher ein allzu lichtes als ein allzu finsteres Bild des Ganzen ab. Und trotzdem dass in schwedischen Zeitungen von finnischen Behörden erlassene konfidentielle Berichte erschienen, die ein furchtbares Bild von den Verhältnissen in den Gefängnissen abgaben, ist auch nicht eine einzige unparteische [!] [unparteiische] Prüfung derselben vorgenommen worden. Die Ueberlebenden werden von ausserordentlichen Gerichten wegen Staatsverbrechen verurteilt. Nach Angabe von 16. September sind bereits 21.262 Menschen zu Zuchthaus und zu Strafarbeit für mehr als drei Jahre verurteilt. Die Todeurteile [!] [Todesurteile] sollen etwa eintausend betragen. Nur 3.075 von den Gefangenen sind ganz freigelassen. 22.092 Menschen, die zu Strafarbeit für kürzere Zeit als fünf Jahre verurteilt waren, sind bedingungsweise freigelassen worden. Aber auch in Freiheit leben sie wie Sklaven, ohne Streikrecht und Bewegungsfreiheit, stets auf die Gefahr hin ihre Strafe im Gefängnis absitzen zu müssen. Die bürgerlichen Ehrenrechte und damit das Stimmrecht sind ihnen auf noch längere Zeit hinaus entzogen. Noch warten viele tausende auf ihr Urteil. Die Arbeiterklasse Finnlands ist somit grösstenteils zu den Bedingungen einer Pariasklasse erniedrigt, wie bei Beginn der Revolution die Mitglieder der finnischen Regierung offiziell und rücksichtslos erklärten. Den Umfang der Verwüstung, die der finnischen Arbeiterklasse widerfahren ist, erkennt man am besten, wenn man sich die entsprechenden Ziffer vergegenwärtigt, sofern es sich um die Arbeiterklasse Deutschlands handeln würde. In Deutschland wären dann. [!] zu Strafarbeit verurteilt etwa 500.000 bedingungsweise [etwa] 600.000 [] zum Tode [etwa] 25.000 [] ohne Urteil füsiliert [etwa] 250.000 [] vor Hunger gestroben [!] [gestorben] [etwa] 250.000 [] gefallen oder bei der Gefangennahme erschossen [etwa] 300.000 []Das heisst insgesamt mehr als 800.000 Menschen umgebracht, zu Strafen verurteilt 1.100.000 und dabei noch einige hunderttausend noch nicht verurteilt. Die Weltgeschichte kennt kaum eine ähnliche, grausame und schreckliche Greueltat wie die, welche die Bourgeoisie Finnlands und ihre auswärtigen Helfershelfer begangen haben. Diese gegen die Arbeiterklasse gerichtete, persönliche Rache ist aber nur eine Seite der in Finnland triumphierenden Reaktion. Vor der Revolution waren in Finnland etwa 120.000 politisch und 160.000 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Die Arbeitervereine hatten mehr als 1.000 eigene Häuser und viel Eigentum ausserdem. In den politischen Wahlen waren 46-47 Prozent der Stimmenden Sozialisten und von 200 Volksvertreten waren 92 Sozialdemokraten. Jetzt sind alle politischen und gewerkschaftlichen Vereine zerstört, jede Organisation niedergeschlagen, die Häuser und anderes Eigentum der Arbeiter als gute Prise genommen. In der Volkversammlung sitzt jetzt nur ein Sozialist - 38 Volksvertreter sind verhaftet, unter ihnen viele, die an der Revolution gar nicht teilnahmen. Von diesen sind nunmehr 9 zum Tode verurteilt. Einige Vertreter sind erschossen ohne Urteil oder sind vor Hunger in den Gefangenenlagern gestorben. Die Uebrigen sind in die Verbannung gegangen. Eine Arbeiterpresse besteht nicht mehr. Jede Art einer organisierten Arbeiterbewegung ist unmöglich gemacht. Nachdem sie sich auf diese Weise der Arbeiterklasse erledigt und die einzige Stütze des Fortschritts und der Demokratie vernichtet hatte, hat die Reaktion aus dem Lande einen wahren schwarzen Reaktionsherd zu machen begonnen, dadurch ihre finsteren Pläne entblössend, um deren Verwirklichung es nötig war zuerst die Arbeiterklasse zu zermalmen. Man arbeitet jetzt daran eine Monarchie Finnland zu errichten und zur Stütze der Bourgeoisie geht man jetzt einen Fürsten aus Deutschland zu holen, in der [!] sicheren Glauben dass Deutschland in aller Welt die stärkste Stütze der Reaktion ist und bleibt. Den im Jahre 1917 gesetszlich [!] [gesetzlich] eingeführten Acht-Stunden-Tag hat man aufgehoben. Das allgemeine kommunale Stimmrecht, das ebenfalls 1917 gesetzlich festgestellt wurde, versucht man jetzt ganz wertlos und ungültig zu machen. Das Agrarproblem, die Frage, von der Aufhebung der feudalen Verhältnisse und der Froninstitution, ist in einer den Gutbesitzern günstigen Richtung gelöst. Ja, selbst eine Einschränkung des allgemeinen politischen Stimmrechts ist von ihnen geplant. Dies und noch vieles, andere hat das ausschliesslich aus Bürgen bestehende Rumpparlament [!] [Rumpfparlament ?] ausgeführt, ohne dass die Arbeiterklasse ein einziges Wort in der Angelegenheit zu sagen gehabt hat. In den zehntausend Arbeiterheimen Finnlands aber, die ihre Versorger verloren haben, wütet gleichzeitig Hunger und unsägliches Elend, niemand kümmert sich darum und jeder Notschrei der Unglücklichen wird unterdrückt. Solch ein abschreckendes Programm hätte Finnlands Bourgeoisie ohne Hilfe des deutschen Imperialismus nicht zu planen gewagt und nicht ausfüren [!] [ausführen] können. Auf dem Wege der geheimen Diplomatie sicherte sich die finnische Bürgerklasse schon lange vor der Revolution die Hilfe Deutschlands in ihrem Vorhaben, und die Arbeiter Deutschlands verhinderten es nicht! Uniformierte deutsche Arbeiter ertränkten in Blut die finnische Arbeiterrevolution! Die reaktionäre Macht wird auch jetzt noch mit Hilfe nach Finnland verlegten deutschen Militärs aufrechterhalten. Die finnische Regierung har selbst kundgeben lassen, dass deutsche Militär auf Wunsch der Rügierung nach Finnland verlegt sei, und mit Hilfe dieser Heeresmacht und von Deutschland unterstützt kann sie ihr Zwangsregime gegen die Arbeiter Finnlands durchsetzen. Deutsche Genossen! Eure elende reaktionäre Regierung führte Euch die finnische Arbeiterrevolution zu bezwingen. Wollt Ihr noch jetzt, wo die Reaktion auch in Eurem eigenen Lande zu weichen beginnt - wollt Ihr noch jetzt der blutigen Reaktion unter die Arme greifen, die sich jetzt auf Eure Bajonette stützt, und die hier in kurzen Worten geschildert ist?! Ohne Euch kommt diese Reaktion ins Schwanken. Seid eingedenk: Die Arbeiter aller Länder müssen sich vereinigen! Tryekeri-A.-B. Fram, Stokholm 1918
Published:1918