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Speisekammergesetz - und was dann? [] 1. Die nachfolgende Zusammenfassung enthält den Text (mit geringen Kürzungen) des Nothilfegesetzes zur Entwicklung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen, die Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz und die Kommentare, die von den verschiedenen Körperschaften und Organisationen dazu gemacht worden sind. Wenn diese Darstellung in den Händen der Leser ist, dann wird die Fragebogenaktion für die Normalverbraucher und die Vertriebenen bereits abgeschlossen sein. Dieser Teil des unpopulären Gesetzes, der ihm den populären Spottnamen "Speisekammergesetz'' gegeben hat, dürfte für 99 Prozent der städtischen Normalverbraucher, die seit mehr als zwei Jahren ihren nomalen Verbrauch nicht erreichten, abgeschlossen sein. Unter ihnen wird es nur wenige geben, die höhere Bestände als ihnen zustehen, melden können. [] 2. Mit dieser Speisekammernachfrage ist das Gesetz aber noch nicht erledigt. Die entscheidende Aufgabe beginnt erst. Die SPD war nicht mit der Schnüffelei in den leeren Speisekammern der "Normalverbraucher" und Vertriebenen einverstanden. Sie hat das Gesetz trotzdem als Ganzes akzeptiert, weil es eine wirksame Waffe der Unterernährten gegen die Satten, der Besitzlosen gegen die Besitzenden werden kann. Es war notwendig, die Umfrage auch auf die Nicht-Selbstversorger auszudehnen, um den Verdacht des Auslandes zu zerstören, als wenn Normalverbraucher und Vertriebene etwas zu verbergen hätten. [] 3. Der Hauptteil des Gesetzes gilt der Erfassung und wenn möglich der Beschlagnahme der gehorteten Lebensmittel bei vielen hunderttausend Lebensmittelproduzenten und Lebensmittelverteilern. Bei ihnen stecken noch große Mengen der dringend benötigten Lebensmittel. Sie werden versteckt, schwarz gehandelt, ans Vieh verfüttert, gehamstert, gehortet und den deutschen Durchschnittsbürgern, den Kindern und den Frauen vorenthalten. Es ist eine antinationale Schandtat, die von einer nicht zu kleinen Schicht gegen das Volk verübt wird. [] 4. Die Ablieferung hat versagt. Theoretisch soll der deutsche Nicht-Selbstversorger täglich 1550 Kalorien erhalten, 875 Kalorien sollten davon aus der deutschen Lebensmittelerzeugung kommen, 675 Kalorien pro Tag und Person versprachen die Alliierten aus dem Ausland einzuführen. Sie haben ihr Versprechen gehalten. Die deutschen Lebensmittelproduzenten haben ihre Pflicht verletzt. Darum müssen wir hungern. [] 5. Das Gesetz, das der Wirtschaftsrat am 23. Januar angenommen hat, gibt den deutschen Behörden die Möglichkeit, gegen die Saboteure der Ernährung wirksam vorzugehen. Die Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, müssen ausgenutzt werden, zur Rettung des Volkes, Die SPD will Tatsachen schaffen, sie will das Gesetz benutzen, um eine gerechte Verteilung der geringen Vorräte zu erlangen. [] 6. Für den sozialdemokratischen Vertrauensmann in allen Gemeinden und allen Funktionen erwachsen besondere Aufgaben. Auf die Gemeinden und auf die höheren Instanzen muß Druck ausgeübt werden, um das Gesetz wirksam zu machen. Aufgabe jedes einzelnen ist, nach seinen Kräften mitzuhelfen. Regierungen und Verwaltungen haben jetzt die Vollmacht zu handeln. Wir, die Vertreter der Interessen des Volkes, müssen Verwaltungen und Regierungen zwingen, das Gesetz anzuwenden. Ausreden dürfen nicht mehr akzeptiert, Lauheit und bürokratische Schlamperei nicht mehr geduldet werden. Die Befehlshaber der Besatzungsmächte haben sich bereiterklärt, notfalls auf Anforderung der deutschen Behörden Truppen zur Verfügung zu stellen, um gehortete Lebensmittel ausfindig und den städtischen Verbrauchern und Vertriebenen zugänglich zu machen. Wenn die Lebensmittelproduzenten und Verteiler pflichtvergessen genug sind, müssen auch solche Mittel angewendet werden. Schon einmal ist ein solches Anerbieten der Besatzungsmächte gemacht worden, ohne daß deutsche Behörden es akzeptiert hätten. Das Resultat: Wir haben weiter gehungert. [] 7. Aufgabe der sozialdemokratischen Vertrauensmänner ist, alle Fälle von Schwarzhandel und Hortung zu erkunden; sie den zuständigen lokalen Instanzen (und eventuell auch der Parteizentrale) zu melden. Die Aufdeckung der Hamsterlager ist nur durch eine breite Volksbewegung möglich. Es ist unsere Aufgabe, sie zu führen. Ganz besondere Verpflichtung und Möglichkeit ergibt sich für die Vertrauensmänner der Vertriebenen und Evakuierten in den Landgemeinden. [] 8. Ein großer Teil der Lebensmittelproduzenten und Lebensmittelgroßhändler steht im Lager der bürgerlichen Parteien, vor allem in der CDU/CSU. Bisher hat es die CDU/CSU unterlassen, wirksame Appelle und praktische Aktionen durchzuführen, um diesen Teil ihrer Wähler an ihre Pflicht gegenüber Deutschland zu mahnen. Wenn die CDU weiter schweigt und nichts tut, macht sie sich zum Hauptschuldigen an unserer Lebensmittelnot. Sie führt in fast allen deutschen Ländern die Verwaltung der Ernährungswirtschaft. Sie leitet in der Doppelzone das Verwaltungsamt für Ernährung und Landwirtschaft. Ihre Vertreter sitzen in allen Teilen der Ernährungsverwaltung. Sie und ihre Vertreter sind verantwortlich für das schlechte Funktionieren der Verwaltung der Lebensmittel. Um so größer ist ihre Verpflichtung, diejenigen ihrer Wähler, die Lebensmittelproduzenten und Großverteiler sind, zu mahnen, ihre deutschen Mitmenschen nicht unchristlich und undemokratisch aus Habgier verhungern zu lassen. [] Nothilfegesetz [] zur Entwicklung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen [] Die Ernährungsnot zwingt zu außergewöhnlichen Maßnahmen. Zur Ermittlung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen wird daher bestimmt. [] § 1 Im vereinigten Wirtschaftsgebiet werden die Bestände ermittelt an: [] a) Brotgetreide, Mehl, Nährmitteln, Kartoffeln, [] b) tierischen und pflanzlichen Fetten und Oelen für die menschliche Ernährung, Käse und anderen Molkereiprodukten, [] c) Fleisch und Fleischwaren, [] d) Zucker. [] § 2 Meldepflichtig sind für die Bestände nach § 1 a) bis d) Leiter landwirtschaftlicher Betriebe; Leiter von Betrieben, die Lebensmittel dieser Art herstellen, lagern, bearbeiten, verarbeiten und verteilen; Leiter von Einrichtungen der Gemeinschafts- und Sammelverpflegung einschließlich der Gaststätten. [] Für die Leiter der Haushalte landwirtschaftlicher Betriebe sowie für die Haushalte von Selbstversorgern und Teilselbstversorgern mit Marktleistung gelten die Vorschriften nach § 7. [] § 3 Die in § 2 genannten Personen haben an einem von dem Direktor der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des vereinigten Wirtschaftsgebietes zu bestimmenden Stichtag alle in ihrem Eigentum oder Gewahrsam befindlichen Lebensmittel der im § 1 genannten Art gemäß § 2 zu melden. An diesem Stichtag auf dem Transport befindliche Waren sind unverzüglich nach Eingang nachzumelden. [] Für diese Meldungen sind Vordrucke zu verwenden, die von den Meldepflichtigen rechtsverbindlich zu unterzeichnen sind. [] § 4 1. Bestände, die entgegen den Bewirtschaftungsbestimmungen erworben oder zurückgehalten sind, werden der öffentlichen Bewirtschaftung zugeführt. [] 2. Eine Strafverfolgung findet nicht statt, wenn der Meldepflichtige die Bestände wahrheitsgemäß und fristgerecht angibt, sofern nicht bis zur Abgabe der Meldung eine Anzeige gegen ihn erstattet oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet wurde. [] § 5 1. Wer bei der allgemeinen Viehzählung am 3. Dezember 1947 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, wird strafrechtlich nicht verfolgt, wenn er seine Angaben innerhalb von zwei Wochen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei der für die Viehzählung zuständigen Dienststelle berichtigt und bei Inkrafttreten dieses Gesetzes weder eine Anzeige gegen ihn erstattet, noch eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist. [] 2. Eine allgemeine Viehzählung wird am 3. März 1948 durchgeführt. Auf die dabei abgegebenen Bestandsmeldungen finden die Strafbestimmungen des § 6 Anwendung. [] § 6 Gegen Personen, die entgegen der Meldepflicht keine Erklärung oder eine unrichtige oder unvollständige Erklärung abgegeben haben, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde eine Ordnungsstrafe von 100 RM bis zu 30000 RM verhängt. Bei vorsätzlicher Unterlassung oder Verletzung der Meldepflicht kann auf Gefängnis bis zu 3 Jahren und auf Geldstrafe bis zu 100000 RM oder auf eine dieser Strafen erkannt werden. Erweisen Art und Umfang der Zuwiderhandlung die Unzuverlässigkeit des Schuldigen für die Ausübung seines Berufes, so hat das Gericht bei Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe auf Einsetzung eines Treuhänders für die Dauer bis zu 3 Jahren, in besonders schweren Fällen auf Zwangsverpachtung für die Dauer von 9 Jahren zu erkennen, bei Inhabern und Leitern von gewerblichen Betrieben ist auf Einsetzung eines Treuhänders für die Dauer bis zu 3 Jahren oder auf Schließung des Betriebes zu erkennen. Die einzusetzenden Treuhänder werden von der obersten Landesbehörde bestellt. In Fällen, in welchen eine schwere Gefährdung der Lebensmittelversorgung vorliegt, kann die Schließung des Betriebes oder die Einsetzung eines Treuhänders bzw. die Zwangsverpachtung durch die oberste Landesbehörde erfolgen. Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen eine solche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. [] Gegen die von der Verwaltungsbehörde verhängte Ordnungsstrafe ist die Anrufung des ordentlichen Gerichts zulässig. Hierdurch wird die Zahlungspflicht für die Ordnungsstrafe nicht aufgeschoben. [] In allen Fällen ist zusätzlich die Einziehung der verschwiegenen Bestände anzuordnen. [] Jede rechtskräftig gewordene Bestrafung ist öffentlich bekanntzugeben. [] § 7 Alle Haushaltsvorstände sind verpflichtet, Angaben über die an einem Stichtag in ihrem Eigentum oder Gewahrsam befindlichen Bestände an Mehl und Kartoffeln zu machen, sofern diese Bestände für Mehl die Rationen für eine Zuteilungsperiode und für Kartoffeln die zulässige Einlagerungsmenge überschreiten. [] Selbstversorger und Teilselbstversorger mit Marktleistung haben die Bestände zu melden, die ihre zulässige Selbstversorgerrationen überschreiten. [] Der Direktor erläßt die hierzu erforderlichen Durchführungsbestimmungen. [] § 8 Meldepflichtige nach § 7, die entgegen ihrer Meldepflicht schuldhaft keine Erklärung oder eine unrichtige oder unvollständige Erklärung abgeben, werden nach den Bestimmungen der Verordnung über die Auskunftspflicht vom 13. Juli 1923 (RGBl. 1 a 723) bestraft. [] § 9 Dieses Gesetz gilt auch für Ausländer, die nicht in Lagern untergebracht sind. [] § 10 1. Die Landesregierungen führen die nach diesem Gesetz erforderlichen Maßnahmen nach den Weisungen des Direktors durch. [] 2. Der Direktor ist berechtigt, die Durchführung dieses Gesetzes unmittelbar zu überwachen. [] 3. Die Landesregierungen bestimmen die Behörden, die für die Anordnung der Maßnahmen nach § 6 zuständig sind, und regeln das Verfahren. [] 4. Die Landesregierungen treffen Maßnahmen zur Nachprüfung von Meldungen. Zu den Nachprüfungen sind Kontrollausschüsse heranzuziehen, die von den gewählten Vertretungen der kommunalen Selbstverwaltung zu bestimmen sind. [] 5. Der Direktor und die Dienststellen der Länder sind im Rahmen dieses Gesetzes auskunftsberechtigte Dienststellen nach der Verordnung über die Auskunftspflicht vom 13. Juli 1923 (RGBl. 1, S. 723). [] § 11 Der Direktor erläßt die erforderlichen Durchführungsbestimmungen. [] § 12 Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft. [] ("DPD-Brief / Inland", Hamburg, 26. Januar 1948.) [] Durchführungsbestimmungen [] Zu ermittelnde Bestände [] § 1 Gemäß § 1 des Nothilfegesetzes sind zu ermitteln: [] a) Bei Brotgetreide: die Bestände an Roggen, Weizen, Gerste einschließlich Gemenge aus diesen Getreidearten; bei Mehl: die Bestände an Mehlerzeugnissen aus Getreide aller Art, auch Backschrot, soweit sie zur menschlichen Ernährung bestimmt sind und nicht unter den Begriff Nährmittel fallen; bei Nährmitteln: die Bestände an Grieß, Graupen, Grütze, Flocken aus Getreide aller Art, Teigwaren, kochfertige Suppen, Kindergetreidenährmitteln und Kinderstärkemehl sowie Puddingpulver; bei Kartoffeln: die Bestände an Kartoffeln aller Art einschließlich Speise-, Pflanz-, Trocken- und Dosenkartoffeln. [] b) Bei tierischen und pflanzlichen Fetten und Oelen für die menschliche Ernährung, Käse und anderen Molkereiprodukten: die Bestände an Milch (eingedickt oder eingetrocknet), auch mit Zusatz von Zucker, Butter und Butterschmalz, Käse jeder Art, Milchzucker, Milchnährmitteln (auch mit Zusatz von Getreide). [] Die Bestände an tierischen Fetten (Talg, Schmalz und Speck), Knochenfett, Tran, nicht gehärteten Fetten: Oelen (mit Ausnahme von Holzöl und Rizinusöl); die Bestände an Margarine, Kunstbutter, pflanzlichem Talg und sonstigen pflanzlichen Fetten, gehärteten Fetten, Oelen und Tran-Kunstspeisefett. [] c) Bei Fleisch und Fleischwaren: die Bestände an Fleisch aller Art, ferner an Wurst, Fleischdauer- und Räucherwaren einschließlich Konserven. [] d) Bei Zucker: die Bestände an Verbrauchszucker, Verbrauchsrohzucker und Rohzucker. [] § 2 Landwirtschaftliche Betriebe (§ 2 des Nothilfegesetzes) sind die Betriebe mit einer Betriebsfläche von 0,5 ha und mehr. Von den Leitern dieser Betriebe sind die Bestände abzüglich der Mengen zu melden, die für den Haushalt oder die Selbstversorgergemeinschaft nach dem Selbstversorgerrecht bestimmt sind. [] Der betroffene Kreis [] § 3 Als Stichtag für die Ermittlung der Bestände wird der 20. Februar bestimmt. [] Die Meldepflichtigen haben nach den Vordrucken am 20. Februar 1948 in ihrem Gewahrsam befindliche Lebensmittel zu melden und die Vordrucke spätestens am 23. Februar 1948 bei dem Bürgermeisteramt abzugeben. Sind Bestände nicht vorhanden, so ist Fehlanzeige zu erstatten. Die Gemeinden haben die gemeldeten Bestände unverzüglich aufzurechnen und die Ergebnisse an die zuständigen Kreisdienststellen zu senden. Die obersten Landesbehörden für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben dem Direktor der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Zusammenstellung der dem Land gemeldeten Bestände vorzulegen. [] Beschlagnahmen [] § 4 Die Bestände, die entgegen den Bewirtschaftungsbestimmungen erworben oder zurückgehalten sind, gelten als zugunsten der obersten Landesbehörden für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beschlagnahmt und sind nach deren näheren Weisungen der öffentlichen Bewirtschaftung zuzuführen. [] Ausnahmen [] § 5 Bei Kartoffeln sind nur Speisekartoffeln zu melden. [] Die im Haushalt befindlichen Lebensmittel, die zum unmittelbaren Verbrauch im eigenen Haushalt aus dem Ausland eingeführt worden sind, sind nicht anzugeben. [] Selbstversorger und Teilselbstversorger mit Marktleistung sind diejenigen Personen, die von den Ernährungsämtern als solche anerkannt sind und die entsprechenden Lebensmittelkarten erhalten. Sie haben die Vorräte an Mehl und Speisekartoffeln anzumelden, welche die für die Selbstversorgergemeinschaft nach dem Selbstversorgerrecht zustehenden Mengen überschreiten, ohne Rücksicht darauf, ob sie getrennt von den Marktvorräten gelagert werden oder nicht. [] § 6 Ausländer (§ 3 des Nothilfegesetzes) sind nicht die Angehörigen der Besatzungsmacht, die von den Besatzungsarmeen verpflegt werden. [] ("DPD-Brief / Inland", Hamburg, 2. Februar 1948.) [] Termine Nach der im Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates veröffentlichten Durchführungsverordnung zum "Speisekammergesetz" sollen zum 20. Februar die durch das Gesetz geforderten Bestandsmeldungen an Lebensmitteln abgegeben werden. [] Die Bestandserhebung soll in drei Gruppen vorgenommen werden, und zwar in landwirtschaftlichen Betrieben über 0,5 ha Betriebsfläche, in gewerblichen Betrieben der Ernährungswirtschaft und schließlich in Haushaltungen. Für alle drei Gruppen sind verschiedene Fragebogen vorgesehen Haushaltungen haben danach lediglich Mehl und Speisekartoffeln anzugeben, soweit die Bestände bei Mehl die Rationen einer Zuteilungsperiode und bei Kartoffeln die zulässige Einkellerungsmenge überschreiten. [] Die Durchführungsverordnung, die am 1. Februar in Kraft getreten ist, bestimmt weiter, daß bei allen Bestandsmeldungen der 20. Februar als Stichtag zu gelten hat und die ausgegebenen Formulare bis zum 23. Februar bei den Bürgermeisterämtern abzugeben sind. Ausdrücklich wird festgestellt, daß auch Fehlmeldungen erstattet werden müssen. [] ("Hannoversche Presse", Hannover, 5. Februar 1948.) [] Abstimmungsergebnis Der Zweizonen-Wirtschaftsrat nahm am Freitag das "Nothilfegesetz zur Ermittlung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen", das sogenannte "Speisekammergesetz", gegen eine Stimme der KP an. [] Annahmedebatte Ueber das sogenannte "Speisekammergesetz" berichtete der CDU-Abgeordnete Theophil Kaufmann. Kaufmann sagte, mit dem Gesetz werde zur Verbesserung der Ernährungslage das letzte Wort von deutscher Seite gesprochen. Nach Ansicht des Ernährungsausschusses, sei die gründliche "Erfassung" bisher nicht gelungen. Das Ausland werde Deutschland nur dann helfen, wenn von den Deutschen selbst alles getan werde. Der SPD-Abgeordnete Schöttle sagte in der Diskussion über das Gesetz: "Wir haben nicht daran gearbeitet, um General Clay einen Gefallen zu tun, sondern weil wir glauben, daß dieses Gesetz dringend notwendig ist und Erfolg haben muß." [] ("Tagesspiegel", Berlin, 24. Januar 1948.) [] Das letzte Mittel In der Debatte, die der Abstimmung vorausging, sprachen sich die beiden großen Parteien CDU und SPD für das Gesetz aus, obwohl es hundertprozentig weder der Meinung der einen noch der Meinung der anderen Partei entspräche. Doch habe man gemeinsam einen Weg gesucht um zu helfen. Der Abg. Becker (KP) griff die Ernährungspolitik, für die die CDU hauptsächlich verantwortlich sei, scharf an. Man sei jetzt schon davon überzeugt, daß bei den Meldungen nichts herauskomme. Die Verwaltungen würden Schindluder mit der arbeitenden Bevölkerung treiben. Der Abgeordnete Schöttle (SPD) erklärte, Becker habe eine ausgesprochen sabotierende Rede gehalten. Das Gesetz sei das Ergebnis harter Auseinandersetzungen und das letzte Mittel, noch einmal Ordnung in die Dinge zu bringen. [] ("Hannoversche Presse", Hannover, 24. Januar 1948.) [] Kommentare [] Drastische Maßnahmen Die katastrophale Lage im britisch-amerikanischen Besatzungsgebiet, insbesondere aber in Westdeutschland, macht nach Auffassung des Zweizonenwirtschaftsrates einschneidende Maßnahmen erforderlich. Auf der Konferenz der Militärgouverneure mit deutschen Vertretern war bereits in eindringlicher Weise von den gesetzgebenden Organen gefordert worden, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um alle nur irgendwie verfügbar zu machenden Bestände an Lebensmitteln zu erfassen, damit der vorgesehene Anteil aus deutscher Erzeugung an den Gesamtrationen aufgebracht werden kann. [] ("Telegraf", Berlin, 23. Januar 1948.) [] Worum es geht In der Annahme des "Speisekammergesetzes" liegt das Eingeständnis der verantwortlichen deutschen Vertreter, daß in Deutschland selbst noch etwas zu holen ist. Dieses Eingeständnis war nötig und wird vielleicht auch außenpolitisch von Bedeutung sein. Denn wenn einzelne Deutsche nicht wissen, daß große Mengen Nahrungsmittel in falsche Kanäle fließen - die in Deutschland lebenden Ausländer wissen es. Und es würde der deutschen Gesamtsituation nichts schädlicher sein, als wenn der Eindruck entstände, man wolle den ausländischen Stellen, die helfen sollen, Sand in die Augen streuen und sie übervorteilen. [] Die wenigen aber, die gerade jetzt, in Deutschlands schwärzester Zeit, es für um so wichtiger halten, daß die letzten Grundlagen unseres persönlichen wie unseres Gemeinschaftslebens nicht völlig zerstört werden, sollten sich einig sein über dies eine: daß der Appell an die eigene Kraft und die eigene Anstrengung, aus dem Bewußtsein der eigenen Verantwortung, unbedingt und ohne Zweifel vorangehen muß jedem Appell an die Hilfe anderer. Zu leicht degradiert sich der Bittende zum Bettler. Und es geht hier nicht um das Fett allein, sondern um den Rest des deutschen Namens, drinnen und draußen. [] ("Die Welt", Hamburg, 17. Januar 1948.) [] Aenderungen [] Dem § 6 (Strafen bei Verstößen) wünschten die Parteien folgende Fassung zu geben: [] SPD: [] a) Bei landwirtschaftlichen Betrieben: [] 1. Einsetzung eines Treuhänders für die Dauer von höchstens 3 Jahren in schweren Fällen. [] 2. Zwangsverpachtung des Betriebes für die Dauer von 9 Jahren in besonders schweren Fällen. [] b) Bei gewerblichen Betrieben: [] 1. Einsetzung eines Treuhänders für die Dauer von höchstens 3 Jahren in schweren Fällen. [] 2. a) Zwangsverpachtung des Betriebes für die Dauer von 3 bis 6 Jahren oder [] b) Schließung des Betriebes in besonders schweren Fällen. [] CDU: [] Bei vorsätzlicher Unterlassung oder Verletzung der Meldepflicht kann auf Gefängnis bis zu 3 Jahren und auf Geldstrafe bis zu 100000 Mark oder auf eine dieser Strafen erkannt werden. Erweisen Art und Umfang der Zuwiderhandlung die Unzuverlässigkeit des Schuldigen für die Ausübung seines Berufes, so hat das Gericht bei Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe auf Einsetzung eines Treuhänders auf die Dauer bis zu 3 Jahren zu erkennen, bei Inhabern und Leitern von gewerblichen Betrieben ist auf Einsetzung eines Treuhänders für die Dauer bis zu 3 Jahren oder auf Schließung des Betriebes zu erkennen. Die einzusetzenden Treuhänder werden von der Obersten Landesbehörde bestellt. [] (Eigenbericht.) [] SPD-Fraktion gegen leere Gesten Die sozialdemokratische Fraktion hat an diesem Gesetz nicht nur deswegen mitgearbeitet, weil darin ein Beweis für den guten deutschen Willen gesehen wurde, die eigenen Reserven restlos einzusetzen, sondern vor allem in der Absicht, die Vorräte, für deren Hortung zahlreiche Beweise vorliegen, tatsächlich zu erfassen. Bei den sehr schwierigen Verhandlungen um die Formulierung des Gesetzes haben die Vertreter der bürgerlichen Parteien klar erkennen lassen, daß ihnen an einer wirksamen Ausgestaltung gar nicht gelegen war. Da auch sie nicht die Verantwortung dafürübernehmen konnten, daß durch das Nichtzustandekommen eines solchen Gesetzes die ausländischen Kredite für Lebensmittelimporte in Gefahr gebracht werden, wollten sie es nur bei einer bloßen Geste bewenden lassen und haben sich nachhaltig gegen unsere Bemühungen um Einbau von schnellwirkenden Verwaltungsmaßnahmen und wirksamer Kontrollen durch politische Ausschüsse gewehrt. [] (Eigenbericht.) [] Diskussionen "Um die Verbesserung der deutschen Ernährungslage zu sichern, wird mit diesem Gesetz das letzte Wort von deutscher Seite gesprochen", erklärte der Abgeordnete Kaufmann (CDU) als Sprecher des Ernährungsausschusses. "Es bleibt uns keine andere Möglichkeit mehr, aus eigenen Kräften weitere Hilfsmaßnahmen durchzuführen." Inhalt und Härte der im Gesetz vorgesehenen Eingriffe zeigen die grenzenlose deutsche Not und die Notwendigkeit zusätzlicher Hilfe von draußen. [] "Eine kräftige Exekutive ist zur Durchführung dieses "Speisekammergesetzes" notwendig, denn nichts ist schädlicher als eine staatliche Autorität, die auf dem Papier steht", erklärte der Abgeordnete Minister a. D. Blücher (FDP). [] Das einzige Ergebnis dieses Gesetzes werde sein, meinte der Abgeordnete Becker (KP), daß einige Millionen Fragebogen bedruckt, verschickt und wieder eingestampft würden. Als er das Gesetz als "einen neuen Betrug an dem deutschen Arbeiter" bezeichnete, wurde der Abgeordnete vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. [] Das Gesetz ist das letzte Mittel, um auf dem Boden der Gesetzlichkeit noch einmal Ordnung in die Dinge zu bringen, sagte der Abgeordnete Schöttle (SPD). "Wir haben nicht daran gearbeitet, um General Clay einen Gefallen zu tun, sondern weil wir glauben, daß dieses Gesetz dringend notwendig ist und Erfolg haben muß." [] ("DPD", Hamburg, 23. Januar 1948.) [] Die CDU im Amt ... Dr [!] Köhler nannte in seinen weiteren Ausführungen zur Ernährungslage das "Speisekammergesetz" die verantwortungsvollste Entscheidung, die der Frankfurter Wirtschaftsrat bisher getroffen habe. Mit ihm ist nach seiner Ansicht der Beweis erbracht worden, daß die deutschen Stellen die Notwendigkeit begriffen hätten, die im eigenen Lande vorhandenen Lebensmittelvorräte auch restlos zu erfassen und zu verteilen. [] ("Die Welt", Hamburg, 29. Januar 1948.) [] ... und "privat" - Die Bayern-Bauern Als ein "Ausnahmegesetz gegen die Bayern" bezeichnete am Freitag der CSU-Abgeordnete und Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes, Dr. Alois Schlögl, das sogenannte "Speisekammergesetz". [] ("DPD", Hamburg 30. Januar 1948.) [] Arnold wünscht Ausnahmen Eine Änderung des beim Wirtschaftsrat in Frankfurt zur Debatte stehenden sogenannten "Speisekammergesetzes", das die Ausstellung von Fragebogen über die in den Haushaltungen vorhandenen Lebensmittel vorsieht, forderte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Arnold, in einem Schreiben an den Präsidenten des Wirtschaftsrates in Frankfurt am Main. Der Ministerpräsident schlägt vor, daß alle die landwirtschaftlichen Betriebe, landwirtschaftlichen Haushaltungen; Voll-, Teil- und Selbstversorger von dem Gesetz ausgenommen werden, die das auferlegte Ablieferungssoll erfüllt haben. [] ("Rheinische Zeitung", Köln, 24. Januar 1948.) [] Zentrumsstandpunkt Das "Speisekammergesetz" wird ebenso wirkungslos bleiben wie alle anderen Bewirtschaftungsgesetze vorher, erklärte Dr. Stricker, der als Zentrumsmitglied dem Wirtschaftsrat angehört. Das Zentrum habe diesem Gesetz nicht zugestimmt, weil es gegen den gesunden Menschenverstand sei. [] ("DPD", Hamburg, 28. Januar 1948.) [] Gedanken eines Delegierten Ein sozialdemokratischer Abgeordneter schreibt, unter welchen Gesichtspunkten er dem "Nothilfegesetz" zugestimmt hat und wie er sich eine wirksame Handhabung vorstellt: [] Ueber den allgemeinen Aerger wegen der Befragung der Haushalte ist leider der eigentliche Sinn dieses Gesetzes übersehen worden. Dabei ist die Masse der Kritiker ganz einfach auf die geschickte Gegenpropaganda der Horter und ihrer politischen Beauftragten hereingefallen. Ganz bewußt haben diese Kreise - und in ihrem Gefolge leider auch eine große Anzahl von Journalisten - es verstanden, die Dinge so darzustellen, als wenn es sich in der Hauptsache um eine Ueberprüfung der Vorräte in den Haushaltungen handle. Dieses Manöver ist raffiniert durch den Spottnamen "Speisekammergesetz" unterstützt worden. Tatsächlich handelt es sich natürlich praktisch ausschließlich um die Erfassung solcher Waren, die in den be- und verarbeitenden Betrieben, in den Lagerhäusern und im Verarbeitungsgesetz steckengeblieben sind - nicht zuletzt im Hinblick auf die kommende Währungsreform. Daß wir im Kampf gegen solche Hortungen alle Veranlassung hatten, uns für ein wirksames Gesetz einzusetzen, dürfte von niemandem bezweifelt werden. [] Insbesondere haben wir unsere Anstrengungen darauf konzentriert, der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, gegen böswillige Sünder, gegen das allgemeine Interesse - und um solche handelt es sich zweifellos in allen Fällen, in denen auch von den Möglichkeiten einer nachträglichen Anmeldung, wie sie das Gesetz vorsieht, kein Gebrauch gemacht wird - schnell vorgehen zu können. Bisher sind bekannte Verstöße gegen Bewirtschaftungsvorschriften kaum zu ahnden gewesen, weil die Langsamkeit der Gerichte eine wirksame Strafe ausschloß - abgesehen von dem fehlenden Willen, mit den Mitteln der Justiz das Allgemeininteresse zu sichern. [] Nach den Vorschriften des Gesetzes kann nunmehr die Verwaltung in schweren Fällen von sich aus Treuhänder langfristig einsetzen, Zwangsverpachtungen auf neun Jahre vornehmen, Geschäfte schließen usw., ohne daß die Einberufung der Gerichte aufschiebende Wirkung hat. Dabei ist zu bemerken, daß die Verwaltung heute auf allen Ebenen unter parlamentarischer Kontrolle steht und dadurch politische Einwirkungsmöglichkeiten gegeben sind, die gegenüber der Justiz völlig fehlen. [] Ein weiteres Moment verdient Beachtung: Wir haben gegen den Widerstand der bürgerlichen Parteien die Einschaltung von Kontrollausschüssen durchgesetzt, die von den parlamentarischen Vertretungen der kommunalen Körperschaften zu wählen sind. Dadurch ist ebenfalls ein starker Einfluß der Oeffentlichkeit und der Politiker auf den verschiedenen Ebenen gegeben. [] In der Vorbesprechung ist überdies die Militärregierung nachdrücklich darauf hingewiesen worden, daß es insbesondere das Fehlen von Exekutivmitteln, z. B. der zusammengefaßte Einsatz bewaffneter Polizei ist, was die bisher beschlossenen Bewirtschaftungsgesetze so unwirksam macht. Wir haben deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir mit diesem Gesetz u. a. auch den Zweck verfolgen, festzustellen, inwieweit die Militärregierung bereit ist, den wirksame Einsatz dieser Exekutivmittel zu ermöglichen. [] Energisches Vorgehen gegen die Horter - die in ihrem engeren Umkreise meistens recht gut bekannt sind - wird am schnellsten mit dem Verdacht aufräumen, daß man wieder einmal bei den Kleinen etwas sucht, wo nur bei den Großen etwas zu finden ist. Es sollte deshalb jeder nur mögliche politische Druck auf die Verwaltung in den Ländern, Kreisen und Gemeinden angewandt werden, um diese zur Aktion zu bringen. [] (Eigenbericht.) [] "Widersinnige Musterung" Der innerdeutsche Ausgleich funktioniert nicht, auf Grund der bisher angewandten fehlerhaften Erfassungssysteme stehen die errechneten Vorräte nicht zur Verfügung. Sie deshalb aber gerade bei dem Normalverbraucher zu vermuten, der sie am schmerzlichsten vermißt, ist absurd. Sollte man ernstlich von dem Erfolg des geplanten Unternehmens überzeugt sein, wäre die Aktion eigentlich überflüssig, denn die Lebensmittel befänden sich bereits an dem Platz, an den sie gebracht werden sollten. [] Man hat in den bald drei Nachkriegsjahren viele Erfassungssysteme durchprobiert - mit permanentem Mißerfolg. Nunmehr sollen 20 Millionen Haushalte geprüft werden. Das wird schon technisch nicht möglich sein. In der Zeit der Hausobleute, der Block- und Zellenwarte hätte man vielleicht einen organisatorischen Erfolg erwarten dürfen. Für eine junge Demokratie wäre ein solches Verfahren aber untragbar. Sie ist ohnehin mit so vielen Hypotheken belastet, daß man sich vor jeder weiteren Diffamierung peinlichst hüten muß. [] Den Schiebern unter den formalen Normalverbrauchern wird es nicht schwerfallen, Auswege zu finden, um ihre gehorteten Waren sicherzustellen. Die Kleinen aber, die Unerfahrenen, die Ehrlichen, die Armen und Anständigen werden in Unruhe und Unsicherheit versetzt, und ihr Mißtrauen gegenüber den Behörden wird sich erhöhen. Es war eine Anordnung der Besatzungsbehörden, die den Gefängnisinsassen höhere Rationen gab - damit wurde offiziell die zusätzliche Beschaffung von Lebensmitteln, die für diese Gruppe von Menschen ja nun wirklich unmöglich ist, für normal erklärt. Man hat weder die Exekutivorgane noch überhaupt eine Macht, den Selbsterhaltungswillen der Normalverbraucher unter amtliche Kontrolle zu nehmen. Man hat aber die Möglichkeit, dem kleineren Teil des Volkes, der an der Quelle sitzt, genau auf die Finger zu sehen - und das sollte man endlich ohne Zögern tun. [] ("Lübecker Freie Presse", Lübeck, 27. Januar 1948.) [] Appell der Frauen Der am 28. Januar in Hannover tagende Ausschuß für Frauenfragen beim Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands faßte folgende Entschließung. [] Angesichts der katastrophalen Ernährungslage, besonders in den Großstädten und unter den Vertriebenen und Evakuierten in Stadt und Land, fordern wir eine gerechte Verteilung aller noch vorhandenen Vorräte und wirksame Maßnahmen gegen Schiebertum und Schwarzmarktgeschäfte. Wir sind nicht der Meinung, daß die Ausgabe von Fragebogen an Normalverbraucher zu diesen wirksamen Maßnahmen gehört. [] Wir fordern strengste Bestrafung aller Deutschen, die sich nicht schämen, aus dem Hungersterben unseres Volkes ein Geschäft zu machen. [] Wir appellieren an die deutschen Behörden, rücksichtslos gegen alle Hungergewinnler vorzugehen. [] Wir appellieren darüber hinaus an jene Länder, in deren Hand unser Schicksal liegt: [] Gebt uns die Möglichkeit zu arbeiten, damit wir unser Brot selber bezahlen können, gebt uns Brot, damit wir die Kraft haben, zu arbeiten. [] (Eigenbericht.) [] Soziale Gerechtigkeit Auf einer Pressekonferenz in München am 18. Januar sagte Dr. Schumacher, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, die SPD werde in Frankfurt mitmachen, wenn es um den Komplex der restlosen Erfassung geht: doch sei es zwecklos, wenn mit dem Fragebogenmann nicht der bewaffnete Polizist da wäre, sowohl bei allen Selbstversorgern als auch bei allen Verarbeitungsproduzenten. So konnte die sozialdemokratische Fraktion des Wirtschaftsrates von diesem notwendigen Standpunkt nicht abgehen, da die westdeutsche Ernährungskrise Maßnahmen von einer bisher nicht gekannten Strenge verlangt, wenn in letzter Minute ein vollkommenes Chaos verhütet werden soll. Die CDU dagegen bestand anfangs auf einem System der Ausgabe neuer Fragebogen, statt durchgreifenden politischen Maßnahmen zuzustimmen. Schließlich wurde von der CDU ein Vorschlag eingebracht, an die abliefernde bäuerliche Bevölkerung wertbeständige Gutscheine auf die kommende Währung auszugeben. Diese einseitige Bevorzugung einer Bevölkerungsgruppe wurde aber von der SPD mit Entschiedenheit als widersinnig abgelehnt, weil es sich um einen Berufsstand handelt, der ungefähr als einziger die Zeit des politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs nicht nur ohne nennenswerten Substanzverlust, sondern in den meisten Fällen unter erheblichen Gewinnen an Sachwerten überstanden hat, die auf dem Wege des ungesetzlichen Tausches erworben wurden. [] Da die SPD als sozialistische Partei dem Wohle des ganzen Volkes dienen will, mußte sie auch in diesem Falle klar und bestimmt bleiben, so daß erst nach tagelangen Beratungen und Verhandlungen das Notgesetz zustande kam, das unter den gegebenen Umständen im wesentlichen den Anforderungen nach sozialer Gerechtigkeit und praktischer Brauchbarkeit entspricht. [] ("SPD-Mitteilungsblatt", Frankfurt, 30. Januar 1948.) [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Hannover. Druck: Hannoversche Presse, Hannover
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