Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Fotos: Joker; Redaktion: Sibilla Drews
Verkehrspolitik in der Sackgasse? [] [] Wie der Verkehrskollaps verhindert werden kann. [] [] PDS LINKE LISTE IM BUNDESTAG [] [] Verkehr und Mobilität. [] [] Jede und jeder von uns ist mobil: zu Fuß, per Fahrrad, mit dem Auto, der Bahn oder mit dem Flugzeug, zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Verwandten- oder Arztbesuch oder in den Urlaub. [] [] Mobilität ist wichtig und hat neben dem wirtschaftlichen auch einen bedeutenden sozialen Aspekt. Verkehr, Ortsveränderungen von Personen und Gütern also, bildet die Grundlage für Leben und Wirtschaften in unserer arbeits- und funktionsteiligen Gesellschaft. Doch Verkehr ist, wenn er wie in den Industrieländern überhandnimmt, mit vielen negativen Begleiterscheinungen verbunden: [] [] Jährlich sterben weltweit 725.000 Menschen bei Autounfällen. [] 65 % aller Einwohnerinnen und Einwohner in der Bundesrepublik fühlen sich durch Verkehrslärm belästigt. [] Wir werden gezwungen, unser Leben in den Städten immer mehr den vermeintlichen Erfordernissen des Verkehrs anzupassen. Fußgängerinnen und Fußgänger werden in Tunnel unter die Erde verbannt, Kinder dürfen aus Sicherheitsgründen das Haus nicht mehr verlassen. [] Der Abstell- und Bewegungsraum für Autos übertrifft die gesamte Wohnfläche aller Wohnungen in der Bundesrepublik um 60 Prozent. [] Verkehrsbedingte Emissionen beeinflussen nicht nur die regionale Umwelt, sondern in wachsendem Maße auch das globale ökologische Gleichgewicht. Die Abnahme der Ozonschicht und die weltweite Klimaveränderung konfrontieren uns mit einer kaum noch umkehrbaren Entwicklung. Für den Treibhauseffekt z. B. sind die C02-Emissionen mit 50 % maßgeblich verantwortlich. Diese widerum [!] stammen zu 66 % aus dem motorisierten Individualverkehr, gegenüber 8 % aus dem ÖPNV und 3 % aus dem Bahnverkehr. [] [] Trotz des bereits erreichten hohen Grades der Automobilisierung unserer Gesellschaft werden weitere horrende Verkehrszuwächse prognostiziert. (Zuwächse im Personenfernverkehr um ca. 30 %, im Güterfernverkehr um 95 % und im Luftverkehr um 150 % bis zum Jahr 2010.) Eine stadtverträgliche, soziale und ökologische Neuordnung der Verkehrsverhältnisse ist seit langem überfällig. Die PDS hat ein ökologisches Verkehrskonzept erarbeitet, das an den Ursachen ansetzt: Dort, wo Verkehr entsteht. [] [] Überflüssigen Verkehr vermeiden. [] [] Verkehr entsteht zu einem großen Teil durch verkehrserzeugende Strukturen und ist somit auch längerfristig mittels strukturpolitischer Maßnahmen wieder reduzierbar. [] [] Im Personenverkehr ist die Verachtfachung der Verkehrsleistungen in den letzten 40 Jahren zum größten Teil auf die Zersiedlung und Trennung der ursprünglich eng miteinander verbundenen Funktionen Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung sowie auf die Zerstörung von Naherholungsgebieten zurückzuführen. [] [] Während das Verkehrsbedürfnis eines westlichen Großstädters seit Jahrzehnten weitgehend konstant ist, hat sich die Verkehrsleistung, die Länge der zurückgelegten Wege, drastisch erhöht. Betrug 1960 die durchschnittliche Länge der einzelnen Wege noch 6,2 km, so waren es 1990 bereits 13 km. [] [] Möglichkeiten zur Reduzierung des Personenverkehrs ergeben sich, indem man raumordnerische und städtebauliche Elemente in die Verkehrsplanung einbezieht, z. B. in der Siedlungspolitik. Eine "kompakte Stadt der "kurzen Wege", macht durch eine bessere Nahversorgung das fußläufige Erreichen von Versorgungseinrichtungen möglich, bietet mehr Lebensqualität und macht die Zentren der Städte wieder bewohnbar. [] [] Im Güterverkehr sind die prognostizierten hohen Zuwächse zurückzuführen auf eine steigende Konzentration von Produktion und Handel bei gleichzeitiger EU- und Weltmarktorientierung der Unternehmen sowie auf sich verändernde Wirtschaftsstrukturen. Auch hier ergeben sich raumordnerische un strukturpolitische Möglichkeiten zur Einsparung von Verkehr. Langfristig wirksam sind hier insbesondere Konzepte, die der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung mit verkehrserzeugenden Unternehmens- und Standortstrategien entgegenwirken und regionale Wirtschaftskreisläufe fördern. [] [] Eine Entkoppelung von Wohlstand und Lebensqualität auf der einen und Verkehrswachstum auf der anderen Seite ist dringend geboten. Durch preispolitische Maßnahmen wie eine entfernungs- und fahrleistungsgebundene Erhöhung der Transportkosten sowie durch ordnungspolitische Instrumente zur Vermeidung von Leerfahrten kann eine kleinräumige Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs unterstützt werden. [] [] Bürgerbeteiligungsrechte stärken. [] [] Vermeidung von Verkehr allein macht aber noch kein ökologisches Verkehrskonzept aus. Die Reduzierung von Verkehrsaufkommen muß begleitet werden von einer Verkehrsverlagerung auf umweltfreundliche Verkehrs- und Transportsysteme sowie von technischen Verbesserungen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen. Als besonders wirksame und dazu kostengünstige Maßnahme fordert die PDS/Linke Liste die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesfernstraßen (Tempo 100 auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen). Neben der emissionsmindernden Wirkung trägt ein Tempolimit auch zur Verkehrssicherheit bei - ebenso wie eine Senkung der Promille-Grenze auf 0,0. [] [] Anstatt die sich bietenden raumordnerischen Möglichkeiten für die Verkehrsplanung zu nutzen, zielt die Bundesregierung darauf ab, Planungselemente wie das Raumordnungsverfahren und die Umweltverträglichkeitsprüfung zu entwerten und auszuhebeln. Ebenso kontraproduktiv wirkt die Beschneidung von Mitsprache- und Einspruchsrechten der Bevölkerung. Wenn von der Bevölkerung ein Umdenken, ein Wertewandel hin zur Benutzung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln erwartet wird, dann müssen die Bürgerinnen und Bürger, die Umweltverbände und Initiativen stärker als bisher an Entscheidungs- und Planungsprozessen beteiligt werden. Die Ursachen für lange Planungszeiträume liegen nicht in der Nutzung von Mitspracherechten sondern eher im politisch-administrativen und finanzpolitischen Bereich. [] [] Alternativen sind möglich. [] [] Bausteine eines ökologischen und sozial verträglichen Verkehrssystems: [] [] Verkehrssparende Flächennutzungspläne [] Diese sehen u. a. eine Planung neuer Wohn- und Gewerbegebiete und Freizeiteinrichtungen nur in Anbindung an vorhandene Siedlungsschwerpunkte vor, [] räumen bei der Ausweisung von Wohnbauflächen im Stadtgebiet der Erschließung durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr ein und [] sollten Bund, Länder, Städte und Kommunen veranlassen, ihre Verwaltungseinrichtungen zu dezentralisieren. [] [] Städtebauliche Maßnahmen [] Verkehrsreduzierend wirkt auch das Prinzip der Flächensparsamkeit, denn nur (Wohn)gebiete hoher Dichte ermöglichen z. B. eine "Stadt der kurzen Wege". [] Verkehrsvermeidung erfordert ebenfalls, das Prinzip der Funktionstrennung von Wohnen, Arbeiten, Freizeit aufzugeben und stattdessen nutzungsgemischte Strukturen zu schaffen. [] Ebenso notwendig ist der Verzicht auf konkurrierende Verkehrsbauten wie Straßenplanung neben Stadtbahnen oder Parkhäuser in Citylage. [] Stellplatzverordnungen sollten nicht zum Bau von Garagen und Parkplätzen verpflichten, sondern Fahrradabstellanlagen und Abgaben für den öffentlichen Verkehr verlangen. In dem Maß wie Stadtviertel, Bezirke und Städte vomöffentlichen Verkehr gut erschlossen werden, ist eine gezielte Parkraumverknappung angezeigt. [] [] Öffentlicher Personennahverkehr [] Mit effektiven, fahrgastfreundlichen Netze bei Preisen, die deutlich unter denjenigen des Individualverkehrs liegen, kann der ÖPNV bereits heute einen großen Teil des derzeit motorisierten Verkehrs übernehmen. [] Mit bürgerfreundlicher Tarifgestaltung oder alternativen Bedienungsformen des gebundenen oder ungebundenen Verkehrs zu Schwachlastzeiten und im ländlichen Raum (z. B. Rufbussystem) können vor allem die Kommunen noch viel mehr für die flächenhafte Erschließung durch den ÖPNV tun. [] Grundsätzliche Vertaktung von Fahrplänen im Nah-, Regional- und Fernverkehr - in Ballungsgebieten mit einem 10-Minuten-Takt als Mindestvoraussetzung. [] Förderung von Nachtverkehrsplänen und Nachttaxen. [] Sonderprogramme zur Verbesserung. der Mobilität von Frauen (u. a. Frauen-Nachttaxen und ausschließlich für Frauen reservierte Abteile während des Nachtverkehrs und zu Hauptverkehrszeiten). [] Bessere Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Verkehrs für Behinderte - z. B. durch behindertengerechte Zufahrten und Einstiege und eine finanzielle Subventionierung. [] Grundsätzliche Bevorzugung desöffentlichen Verkehrs gegenüber dem Individualverkehr - u. a. durch entsprechende Ampelschaltung, durch getrennte Trassenführung von Straßenbahnen und durch abgetrennte Bus- und Taxispuren. [] [] Ob Per Pedes oder velo ... [] [] Fahrradverkehr [] Verbesserte Bedingungen für den Fahrradverkehr lassen sich erreichen durch die Schaffung eines engmaschigen, geschlossenen Wegenetzes, die Einrichtung von Fahrradstraßen, Freigabe, der Fußgängerzonen für den Radverkehr dort, wo dieses räumlich möglich ist, Bereitstellung von Fahrradständern und Abstellanlagen, die an Knotenpunkten mit Servicestationen ausgestattet werden. Wo keine Fahrradstraßen existieren, kann für den Radverkehr auf der Fahrbahn Platz geschaffen werden (bei Tempo 30 innerorts). [] Die Möglichkeiten eines "bike&ride" werden ausgebaut und durch die Einrichtung von überdachten, bewachten und mit Servicestationen versehenen Fahrradparkplätzen begleitet. [] [] Fußgängerverkehr [] Für den Fußgängerverkehr, die stadtverträglichste und innerorts wichtigste, aber häufig vernächlässigte Verkehrsart, gilt das gleiche wie für den Fahrradverkehr: ein komfortables und sicheres geschlossenes Fußwegenetz erhöht die Attraktivität des Zufußgehens. Fußgängerzonen sollten zu Fußgängerachsen erweitert und verknüpft, Kreuzungsbereiche durch Ampelanlagen mit einem Rundum-Grün für den Fußgängerverkehr fußgängerfreundlich gestaltet werden. [] [] Motorisierter Individualverkehr [] Er ist überwiegend für die negativen Auswirkungen des Verkehrs verantwortlich und nur mit restriktive Maßnahmen zurückzudrängen: Straßenrückbau mit Entsiegelungs- und Renaturierungsmaßnahmen; Neuordnung des Parkangebots durch ein restriktives Parkraummanagement wie Reduzierung des öffentlichen Parkraums und Erhebung von gestaffelten, in Innenstadtlage höheren Parkgebühren; Generelle Verkehrsverbote in den Stadtzentren und die Einführung von Tempo 30 innerorts sowie Reduzierung des Platzverbrauchs durch parkende Autos mit einer umfassenderen Unterstützung von "Carsharing"-Initiativen zur besseren Autonutzung (z. B. das Projekt STATTAUTO in Berlin). [] [] Herausgeberin: PDS/Linke Liste im Bundestag [] Arbeitskreis "Ökologie, Soziales, Wirtschaft" [] Bundeshaus Bonn-Center, 53113 Bonn, Redaktion: Sibilla Drews [] V.i.S.d.P.: Dr. Dagmar Enkelmann, MdB [] Reduktionsschluß: 7.6. 1994 [] Fotos: Joker
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