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Opposition ernst gemeint? [] 16.10.1951, Bonn. - Große Aufregung im Bundestag. [] Adenauer im Zustand höchster Erregung. Schumacher, Ollenhauer und Carlo Schmid stecken die Köpfe zusammen. Erregtes Gemurmel in den Abgeordnetenbänken. [] Was ist geschehen? Ein Vertreter der "Opposition" hat es gewagt, in Opposition zu treten. Ein alter Sozialdemokrat, Dr. Lütkens, hat dem Bürgerkriegskanzler ungeschminkt die Wahrheit gesagt: [] "Dr. Adenauer hat sich offensichtlich in eine Position hineinmanövriert, die es ihm jetzt unmöglich macht, für die Wiedervereinigung Deutschlands zu sorgen, wie es die Bevölkerung von einem deutschen Regierungschef erwartet." [] Entspricht diese Feststellung den Tatsachen? [] Jeder westdeutsche Bürger kann ihre Richtigkeit bestätigen. [] Adenauer mißachtet den Willen der Bevölkerung, weil er nicht die deutsche Einheit, sondern Remilitarisierung und Bruderkrieg wünscht. [] Dr. Lütkens erklärte weiter: [] "Folge dieser Politik ist, daß Adenauer angesichts seiner Verpflichtungen gegenüber den Hohen Kommissaren nicht einmal Unabhängigkeit in der Innenpolitik erreicht hat. Vordringliche Forderung im Bundestag muß die Wiederherstellung der deutschen Einheit und nicht eine "Integration Europas" sein. Alle Verträge, die Dr. Adenauer abschließen will, der Schuman-Plan, der Pleven-Plan und auch die Verträge, über die er jetzt mit den Hohen Kommissaren verhandelt, erschweren die Wiedervereinigung Deutschlands, machen sie unmöglich, wenn sie nicht gar noch Schlimmeres auslösen." [] Ist das nicht die Meinung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung? [] Der sozialdemokratische Abgeordnete machte sich in diesen Minuten zum Sprecher des Volkes: Adenauer in Abhängigkeit von den Hohen Kommissaren, Adenauer gegen die deutsche Einheit! [] An Stelle der deutschen Einheit: "Integration Europas". Was das heißen soll, weiß Adenauer zwar selbst nicht genau, um so besser aber das, was es verbergen soll, nämlich eine von den USA-Kriegsinteressenten gewünschte Spaltung Europas im Interesse der Vorbereitung eines neuen Krieges gegen den anderen Teil Europas. [] In einem war Dr. Lütkens zu pessimistisch, und zwar als er erklärte: [] "Bislang wird durch die Politik Adenauers die Wiederherstellung der deutschen Einheit auf Jahrzehnte hinausgeschoben." [] Wenn es nach Adenauer ginge! Aber es geht nicht nach ihm! Die Zeiten sind nun auch in Deutschland vorbei, wo "Männer" die Geschichte machten. [] Die Geschichte des deutschen Volkes wird von nun an in ganz Deutschland vom Volke selbst gemacht. [] Das also war der Grund für die Aufregung im Bonner Bundestag, für Adenauers zorngeschwollene Adern. [] Wir stellen fest: [] Schumacher bezeichnet sich selbst gegenüber der Regierung als "Opposition". Ein Sprecher der SPD-Fraktion hat nun der Volksopposition gegen Adenauers Bruderkriegspolitik Ausdruck verliehen. Man müßte annehmen, daß alles in bester Ordnung ist in der Bonner Demokratie. Weit gefehlt! Noch während der Debatte schlichen Schumacher, Ollenhauer und Carlo Schmid aus dem Plenarsaal. Auf dem Gang steckten sie die Köpfe zusammen und verfaßten eine Erklärung gegen Dr. Lütkens. [] In der Erklärung des "sozialdemokratischen" Dreigestirns heißt es, der Fraktionssprecher sei offenbar "aus einer psychischen Unpäßlichkeit" heraus von der "Linie des Parteivorstandes" abgewichen. Darin wird beteuert, die SPD-Fraktion lehne die Formulierungen ihres Sprechers ab und mißbillige sie. "Psychische Unpäßlichkeit" sollte aber bedeuten, daß Dr. Lütkens einen geistigen Defekt habe. [] Genau wie Hitler bezeichnet also auch Schumacher politisch Andersdenkende als Verrückte. Das sollten die 95 Prozent der westdeutschen Bevölkerung, die für Einheit und Frieden sind, zur Kenntnis nehmen. [] Dr. Gerhard Lütkens ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei seit 1919. Kein gewöhnliches Mitglied. Dr. Gerhard Lütkens war außenpolitischer Referent beim Parteivorstand der SPD bis zu diesem 16. Oktober. Er wird nun aus dem Außenpolitischen Ausschuß des Bonner Parlaments zurückgezogen und soll in Zukunft innerhalb der SPD-Fraktion und des SPD-Parteivorstandes nur noch mit untergeordneten Arbeiten beschäftigt werden. [] Aber an diesem 16. Oktober war Dr. Lütkens in Wirklichkeit viel mehr. Er als Sozialdemokrat bewies, daß es in der Sozialdemokratischen Partei bis hinein in die Bundestagsfraktion starke Differenzen über die Politik Schumachers, Ollenhauers und Schmids gibt. Das ist ganz natürlich. [] Die ehrlichen und anständigen Sozialdemokraten unterscheiden sich in den Lebensfragen der Nation in nichts, aber auch gar nichts von allen anderen anständigen Deutschen. Sie wollen den Frieden. Sie wollen keinen Bruderkrieg. Sie sind aber nicht nur gegen etwas, sondern auch für etwas. Sie sind nämlich dafür, daß die Deutschen als Deutsche ihre Angelegenheiten endlich anfangen, in ganz Deutschland selbst in Ordnung zu bringen, ohne Hohe Kommissare, so, wie es die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik vorschlägt, weil das der Ausweg aus dem Dilemma ist, das Adenauer und Schumacher der westdeutschen Bevölkerung eingebrockt haben. [] Wir fragen nun die ehrlichen Sozialdemokraten, [] wir fragen jene, die noch bis zum 16. Oktober den Phrasen Schumachers Glauben schenkten: [] Worin unterscheidet sieh Schumacher noch von Adenauer? [] Die amerikanische Zeitung "Der Tagesspiegel", die in deutscher Sprache gedruckt wird und in Westberlin erscheint, gibt am 18. Oktober die Antwort: [] "Weder über das Ziel noch über die Art des Vorgehens zeigten sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Opposition. Die Standpunkte der Parteien weichen höchstens in der Dringlichkeit, nicht aber in der Methode voneinander ab." [] Bringen wir einen weiteren "unverdächtigen" Kronzeugen. Der Bonner Korrespondent der "New York Herald Tribune", Alsop, erklärt in einem Artikel vom 15. Oktober, der "Widerstand" Schumachers gegen den Schuman-Plan und das Projekt der "Europa-Armee" seien ein bloßes taktisches Manöver. Schumacher würde die deutsche Wiederaufrüstung durchaus unterstützen, und zwar unter Bedingungen, "die geradeswegs in einen dritten Weltkrieg führen müßten". [] Das ist es. Schumacher macht in Opposition, damit die Amerikaner trotz der ablehnenden Haltung der westdeutschen Bevölkerung ihren dritten Weltkrieg bekommen. [] Schumachers Aufgabe besteht darin, Verwirrung zu stiften, [] die friedliebenden Menschen in Westdeutschland zu täuschen. Er hat den Auftrag, ihren Widerstandswillen zu lähmen, damit sie sagen: "Es wird schon nichts passieren. Schumacher hat es ihnen ja wieder ordentlich gegeben. Er paßt schon auf, daß der Adenauer keine Dummheiten macht." Schumacher will erreichen, daß die Menschen beruhigt sind, daß sie die schreckliche Gefahr nicht erkennen, in der sich das deutsche Volk befindet. [] Das ist eine sehr ernste Sache. Die westdeutsche Bevölkerung tut gut, sich in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß Schumacher selbst immer mehr ausländische Truppen ins Land ruft, damit unter dem "Schutz" dieser Truppen die Aufrüstung vollzogen wird. [] Jetzt geht es im wahrsten Sinne des Wortes um das Leben, um Deutschland, um Europa. Das deutsche Volk wird unüberwindlich im Ringen um Einheit und Frieden sein, wenn es zusammensteht und den Kriegstreibern die Stirn bietet. Einer ist nichts. Wenige sind wenig. Alle vereint im Kampf für Frieden und für ein besseres Leben, sind wir eine unüberwindliche Macht, die Deutschland vor dem Untergang bewahren wird. [] Darum alle Kraft für die Einberufung einer gesamtdeutschen Beratung über freie, gleiche, geheime und demokratische Wahlen zu einer Nationalversammlung, zur Schaffung eines einheitlichen, friedliebenden, demokratischen Deutschlands. [] Gesamtdeutsche Beratung dafür, daß sechseinhalb Jahre nach Ende des Hitlerkrieges endlich ein Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen wird, der Abzug aller Besatzungstruppen erfolgt. [] Schluß mit der Bürgerkriegshetze! [] Schluß mit der Aufrüstung! [] Deutsche an einen Tisch!
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