Opposition konkret: Güter gehören auf die Bahn

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Opposition konkret: [] Güter gehören auf die Bahn [] [] Gütertransport spielt sich in der Bundesrepublik in ständig wachsendem Umfang auf der Straße ab. Täglich rollen 100000 inländische und 30000 ausländische Lastkraftwagen auf unseren Stra...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) / Linke Liste, Bundestagsgruppe, Enkelmann, Dagmar
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 05.1994
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/C825771C-77D9-490F-B1FC-3DE86BA05D49
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Opposition konkret: [] Güter gehören auf die Bahn [] [] Gütertransport spielt sich in der Bundesrepublik in ständig wachsendem Umfang auf der Straße ab. Täglich rollen 100000 inländische und 30000 ausländische Lastkraftwagen auf unseren Straßen und transportieren dabei jährlich 3,5 Milliarden Tonnen Güter. Mittlerweile sind allerdings 40 Prozent aller Lkw nutzlos, d. h. ohne Ladung unterwegs - entweder zurück zum Standort oder zum nächsten Einsatzort. Bereits heute nehmen die ökologischen und gesundheitlichen Probleme überhand, die von einem ausufernden Güterverkehr auf der Straße verursacht werden. Nach Angaben des Instituts für Verkehrswissenschaft stößt der Straßengüterverkehr jährlich 28,4 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid aus (gegenüber 2,3 Millionen beim Schienengüterverkehr). Beim Schwefeldioxid (hauptsächlich verantwortlich für das Waldsterben) belaufen sich die Emissionen der Lkw auf jährlich 38000 Tonnen, die der Güterbahn lediglich auf 4400 Tonnen. Doch der Trend geht ungebrochen weiter: Auch wenn 1991 die Staus auf bundesdeutschen Straßen eine Gesamtlänge von 130000 Kilometer erreichten und beim Gütertransport Mehrkosten von etwa 15 Prozent verursachten, rechnen die Prognosen des Bundesverkehrswegeplans mit einer Verdopplung des Güterverkehrs bis zum Jahr 2010. [] [] Eine Ursache für das unverhältnismäßige Wachstum liegt darin, daß in den Kostenrechnungen der Firmen der Transportaufwand so gut wie keine Rolle spielt. Die Transportkosten sind im Vergleich zum Warenwert in den letzten Jahren ständig gefallen. So werden auch die beabsichtigte Einführung der Euro-Vignette und die Erhöhung der Mineralölsteuer die Wirkungen aus der Absenkung der Lkw-Steuer nicht kompensieren. Der Straßengütertransport wird unter dem Strich billiger. Infolge der Aufhebung des innerdeutschen Tarifbindungssystems seit dem 1. 1. 94 sowie der auf EG-Ebene beschlossenen schrittweisen Aufhebung der Kabotagevorbehalte wird sogar erwartet, daß das Tarifniveau im Straßengüterfernverkehr mittelfristig um 20 bis 30 Prozent sinkt. All diese Umstände forcieren eine weiter fortschreitende Arbeitsteilung und eine kontinuierliche Verringerung von Fertigungstiefen in der Produktion - eine Entwicklung, deren Irrsinn darin gipfelt, daß die Einzelteile eines gewöhnlichen Erdbeerjoghurts mehr als 7000 Kilometer zurücklegen, bis der Joghurt in den Regalen unserer Warenhäuser steht. [] [] Während der Straßengüterverkehr also drastisch weiter anwachsen wird, werden sich die Wettbewerbspositionen von Bahn und Binnenschiffahrt weiter verschlechtern - zumindest solange, wie eine gerechte Anlastung der ökologischen und sozialen Folgekosten für die einzelnen Verkehrsträger nicht existiert. Diese externen Kilometerkosten liegen bei einem 28-Tonnen-Lkw nach UPI (Umwelt Prognose Institut) gegenwärtig bei fast 9 DM. Die Autobahnbenutzungsgebühr hingegen wird einen Spediteur mit weniger als 2 Pfennig pro Kilometer belasten. [] [] Eine weitere Attraktivitätssteigerung wird der Straßengüterverkehr durch die derzeitigen Pläne der EG-Kommission erfahren, das zulässige Gesamtgewicht für Lkw von zur Zeit 40 Tonnen auf 44 Tonnen anzuheben. Schon die letzte Erhöhung der zulässigen Tonnage von 38 auf 40 Tonnen, die mit dem Ziel begründet war, in Europa einheitliche Maße und [] [] Die entsprechenden Drucksachen können über die PDS/LL im Bundestag, Information und Dokumentation, Bundeshaus Bonn-Center, 53113 Bonn, kostenlos bezogen werden. [] [] PDS LINKE LISTE IM BUNDESTAG [] [] V.i.S.d.P.: MdB Dagmar Enkelmann, PDS/ LINKE LISTE IM BUNDESTAG, 53113 Bonn, Tel. 0228/167392, Mai 1994 [] [] Opposition konkret: [] [] Gewichte für den Straßenverkehr zu erreichen, war unter umwelt- und verkehrspolitischen Gesichtspunkten schädlich und mit einem hohen Finanz- und Verwaltungsaufwand verbunden. Eine weitere Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts wird die Probleme noch einmal verschärfen und steht dem dringlichen Ziel einer Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene entgegen. [] [] Stattdessen wären dringend Maßnahmen erforderlich, um die Talfahrt der Güterbahn zu stoppen: 1993 gingen die Umsatzerlöse im Güterverkehr um 1,6 Milliarden auf 8,8 Milliarden DM zurück. Sogar der sogenannte Hoffnungsträger der Bahn, der kombinierte Ladungsverkehr, brach um 102 Millionen auf 699 Millionen Mark ein. Der Anteil des Schienengüterverkehrs beträgt nur noch 18 Prozent gegenüber 61 Prozent, die der Straßengüterverkehr ausmacht. [] [] Um eine spürbare Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene zu erreichen, bedarf es einer Vielzahl von Maßnahmen, die in ihrer Bandbreite von Sofortmaßnahmen bis hin zu langfristigen strukturpolitischen Konzepten reichen. Dazu müssen in einem ressortübergreifenden integrierten Gesamtverkehrskonzept verkehrs-, wirtschafts-, finanz-, umwelt- und raumordnungspolitische Maßnahmen ineinandergreifen. Von seiten der Politik wäre es in diesem Zusammenhang dringend erforderlich, das Denken (und Handeln) im 4-Jahres-Rhythmus der Legislaturperioden aufzugeben und in längeren Zeiträumen zu planen. [] [] Als eine geeignete Sofortmaßnahme zur Senkung der Schadstoffemissionen wäre z.B. eine Festlegung von Produktnormen in der Europäischen Union zu nennen, die Höchstverbrauchswerte für Lkw vorschreibt. Eine solche Obergrenze für den Treibstoffverbrauch könnte direkt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Eine weitere Maßnahme, die mittelfristig zu Erfolg im Sinne eines ökologischen Verkehrskonzeptes führen würde, wäre die Einführung einer EU-weiten Schwerverkehrsabgabe, die nach dem zulässigen Gesamtgewicht und der gefahrenen Strecke berechnet werden müßte. Sie würde zum einen den modal split zwischen Straße und Schiene zugunsten der Bahn verändern und hätte zum anderen den Vorteil, daß sie gleichermaßen für in- und ausländische Lkw Geltung besäße. [] [] Die Einnahmen aus dieser Schwerverkehrsabgabe sollten zweckgebunden zur Beseitigung der durch den Lkw-Verkehr verursachten Schäden sowie zum Ausbau und zur Modernisierung des Schienengüterverkehrs und des kombinierten Verkehrs herangezogen werden. Eine so zu erreichende Vollkostendeckung nach dem Verursacherprinzip hätte eine Vielzahl von positiven Wirkungen: Überflüssiger Verkehr entfiele, regionale Wirtschaftskreisläufe würden gestärkt und umweltverträglichere Verkehrsmittel bevorzugt: Mit Maßnahmen zur Reduzierung des Gütertransports auf der Straße müssen auf der Angebotsseite selbstverständlich Maßnahmen zur Verbesserung des Bahnangebots einhergehen: der Ausbau neuer, schneller Umschlagstechnologien, eine flächendeckende Infrastruktur von Güterverkehrszentren sowie die Entwicklung neuer Transportprodukte. [] [] Die wirksamste Maßnahme gegen den Verkehrsinfarkt ist und bleibt jedoch die Vermeidung von Verkehr, auch von Güterverkehr, sowie dessen Reduktion auf die notwendigen Transporte. Verkehrsvermeidung ist eine strukturpolitische, langfristorientierte Querschnittsaufgabe. Sie setzt eine Entkopplung von Verkehrs- und Wirtschaftswachstum voraus und ist Teil unternehmerischer Standortentscheidungen, Teil staatlicher Wettbewerbspolitik, Raumordnungs- und regionaler Wirtschaftspolitik wie auch Teil privater Konsumentscheidungen. In betriebliche Umweltbilanzen und Produktbewertungsmethoden müßte künftig auch eine produktbezogene Transportkettenanalyse einfließen. Zu verkehrssparenden Wirtschaftsstrukturen gehören außerdem flexiblere Fertigungstechnologien sowie der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, um kundennähere Standortkonzepte und kleinbetriebliche, regionale Produktionsstrukturen zu ermöglichen. [] [] Nur mit einer Strategie, die in der Prioritätenfolge auf Verkehrsvermeidung (nicht als Einschränkung, sondern als Verbesserung der Mobilität), auf Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger und Optimierung technischer Möglichkeiten setzt, werden die verkehrspolitischen Herausforderungen der Zukunft in einer für Menschen und Umwelt erträglichen Weise zu bewältigen sein.
Published:05.1994