| Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; handschriftlicher Vermerk: Ulm April 1970; linker Seitenrand gelocht
Gegen das neue BERUFSBILDUNGSGESETZ [] Im August 1969 wurde das neue Berufsbildungsgesetz vom Bundestag verabschiedet. Am 1. September trat es in Kraft. [] Kaum ein Lehrling oder Arbeiter weiß, daß es existiert. Noch weniger wissen, was der Inhalt des Gesetzes für die Betroffenen, die Lehrlinge und demnächst für die Arbeiter bedeutet. Die Eile, mit der das Gesetz kurz vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet wurde, ebenso wie die geringe Information durch Presse und Fernsehen lassen vermuten, daß es für den Lehrling nichts Gutes bedeutet. [] Was es mit dem Gesetz nun auf sich hat, das wollen wir, die REVOLUTIONÄRE JUGEND (MARXISTEN-LENINISTEN), euch in einigen Flugblättern erklären. [] In diesem, unserem ersten Flugblatt, wollen wir zeigen,, was sich für uns verschlechtert hat. Die Hintergründe und was wir dagegen tun können werden wir in den nächsten Flugblättern erläutern. [] Was hat sich nun durch das Gesetz für die Lehrlinge verschlechtert? [] 1. zum Beispiel Stufenplan (§ 26): [] In dem Stufenplan wird dem Lehrling keine 3 bis 3 1/2 jährige Ausbildung mehr garantiert, sondern die Länge der Ausbildung liegt in der Hand eures Chefs. Dieser bestimmt, ob die Lehre 1, 2 oder 3 Jahre dauert . Es klingt zwar nicht schlecht, daß man dann eine kürzere Lehrzeit haben kann, aber: [] KÜRZERE LEHRZEIT = SCHLECHTERE AUSBILDUNG = SCHLECHTERE BEZAHLUNG [] Dieser Stufenplan ist so wichtig, daß wir in unserem zweiten Flugblatt näher darauf eingehen werden. [] 2. zum Beispiel Überstunden: [] In dem Gesetz wird festgelegt, daß die Lehrlinge zu Überstunden herangezogen werden können (§ 10), wobei die Vergütung 1/100 der Ausbildungshilfe beträgt. Das wären im 1. Lehrjahr ca. -.90 bis 1.50 DM/Stunde. Die Frage ist nur, was Überstunden mit Ausbildung zu tun haben. [] 3. zum Beispiel Kündigungsfristen: [] Bisher hattet ihr 2 Wochen gesetzliche Kündigungsfrist. Wenn ihr jetzt einen anderen Beruf lernen wollt, müßt ihr mindestens 4 Wochen warten und weiterarbeiten. Wem nützt das? [] 4. zum Beispiel Krankenfortzahlung: [] Früher mußte der Betrieb im Krankheitsfall 12 Wochen weiterzahlen. Jetzt habt Ihr Pech, wenn ihr ernsthaft krank werdet. Der Betrieb muß nach sechs Wochen nichts mehr bezahlen (§ 12,2). [] Bisher waren die Lehrlinge vor "Mißhandlungen und Beleidigungen" ausdrücklich geschützt. Körperliche Züchtigungen waren verboten. Im neuen Gesetz steht nichts mehr davon. Eure Meister und Ausbilder brauchen sich also nicht mehr zurückhalten. [] Wenn man dann noch den § 9 liest, in dem davon die Rede ist, dass der "Auszubildende" (Lehrling) insbesondere verpflichtet ist, den Weisungen seines Ausbilders oder anderer weisungsberechtiger Personen zu folgen, dann muß auch dem Vernageltesten klar sein, wohin der Hase läuft. [] Die Änderungen, die vorgenommen wurden, sind Verschlechterungen für die Lehrlinge. Verbesserungen sind sie für die Kapitalisten. [] Für die Interessen der Kapitalisten ist das Gesetz. gemacht, gegen die Interessen der Lehrlinge und Arbeiter. [] Wer mehr über das Berufsbildungsgesetz wissen will oder sich über unsere Arbeit informieren möchte, der soll bei uns vorbeikommen. [] Wir treffen uns [] jeden Montag um 20 oo Uhr im Falkenkeller (bei Magirus Werk I an der Donau). [] REVOLUTIONÄRE JUGEND (MARXISTEN-LENINISTEN) [] Lehrlingsgruppe Ulm
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