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LIEGT ES AN DEN DEUTSCHEN BERGARBEITERN? [] Kameraden Bergarbeiter! [] Angestellte und Beamte im Bergbau! [] Jedesmal, wenn im Bergbau die Förderziffern fallen, also die Kohlenproduktion zurückgeht. setzt bei den verantwortlichen Stellen ein großes Rätselraten ein: Wer trägt die Schuld an dem Rückgang? [] Die Herren der amerikanisch-britischen Kontrollgruppe für den Bergbau in der Villa "Hügel", die der deutschen Separatistenbehörde in Frankfurt und der DKBL im "Glück-Auf-Haus" machen sich die Sache trotz besseren Wissens sehr einfach und erklärten: [] Es liegt an den deutschen Bergarbeitern! [] Wir wollen einmal sachlich und nüchtern untersuchen, ob diese Behauptung den wahren Tatsachen entspricht. Mehr noch! Wir werden hieb- und stichfest nachweisen: [] 1. daß unter den augenblicklich im Bergbau herrschenden Verhältnissen eine Gesundung der westdeutschen Bergbauwirtschaft unmöglich ist und die Voraussetzungen für eine sich ständig aufwärts entwickelnde Kohlenproduktion nicht vorhanden sind, und [] 2. wer die wahren Schuldigen sind, die diese Fieberkurve in der westdeutschen Kohlenförderung verursachen. [] Den Bergarbeitern zu Dank verpflichtet! [] Schon allein die absurde Behauptung, das Auf und Ab in der Kohlenförderung sei auf das Schuldkonto der Bergarbeiter zu buchen, trägt nicht zur Erhöhung der Kohlenproduktion bei. Die Bergarbeiter empfinden diese unwahre Behauptung als bewußte Verleumdung und Beschimpfung, die keinesfalls ihre Arbeitsfreudigkeit steigert und hinter der die verantwortlichen Stellen ihre eigene Unfähigkeit in der Öffentlichkeit verbergen wollen. [] Das Gegenteil ist wahr! Es ist gerade und ausschließlich das Verdienst der westdeutschen Bergarbeiter, daß überhaupt nach dem Zusammenbruch 1945 Kohle gefördert werden konnte. Ihrer Erkenntnis, daß Kohle der entscheidende Grundstoff ist, der zum Aufbau dringend benötigt wird, ihrem Vermögen, sich ungeachtet der erhöhten Gefahren, des ständig zunehmenden Mangels an Maschinen, Werkzeugen und Ersatzteilen helfen zu können, ist es zu verdanken, daß trotz aller gegenteiligen Anzeichen die Kohlenproduktion bedeutend gesteigert werden konnte. [] Wir lassen Tatsachen sprechen! [] Wir lassen zuerst einen amerikanischen Bergbau-Ingenieur zu Wort kommen. Nach einer Grubenfahrt im Ruhrrevier, bei der er die katastrophalen Arbeitsverhältnisse studieren konnte, erklärte er: [] "Ich bewundere die Bergarbeiter, weil sie bei solchen Verhältnissen Kohle fördern können. Bei uns wäre das nicht möglich. Nicht einmal ein Indianer würde sich bereit finden, unter solchen Umständen zu arbeiten." [] Und was sagten britische Bergleute, die deutsche Gruben befahren haben?: [] Sie haben die Köpfe geschüttelt und erklärt, unter solchen Bedingungen würden britische Bergleute nicht arbeiten. [] Was sind das für Verhältnisse, von denen amerikanische und britische Bergbaufachleute sprechen? [] Berechnungen, die von niemandem bestritten werden, haben ergeben, daß zur Gewinnung von 1t Steinkohle = 5 kg Stahl benötigt werden. Die DKBL hat ermittelt, daß auf Grund der Vernachlässigung der Ausrüstung der Bergbaus in den letzten Jahren zur Zeit zur Gewinnung von 1 t Steinkohle = 8 kg Stahl notwendig geworden sind. [] Der Bergbau bekommt aber nur pro geförderte t Kohle 1 bis 2 kg Stahl zugeteilt. Durch diese Stahl-Unterversorgung, die auf allen Schachtanlagen immer spürbarer wird, kommt der Bergbau auf den Hund, seine Leistungsfähigkeit sinkt von Monat zu Monat. [] Es fehlt an allem! [] Wir ersparen es uns, auf die Auswirkungen des Hitlerkrieges einzugehen. Es sind bekannte, schreckliche Tatsachen. Ebenso wahr und bekannt ist aber auch, daß die Stahl-Unterversorgung drei Jahre nach Beendigung des fürchterlichen Krieges, zu grauenhaften Zuständen auf den Gruben geführt hat. [] Es fehlt an allem, und der Mangel ist nicht etwa geringer, sondern immer größer geworden. [] Früher hatte jeder Mann vor Kohle eine Säge, oft noch in Ersatzsägeblatt in der Gezähekiste. Das Holz wurde lange gelagert und kam trocken in die Grube. Heute haben fünf bis zehn Bergleute eine Säge, das Grubenholz ist noch grün und das Abschneiden erfordert ein vielfaches Mehr an Zeit und Kräfteaufwand. [] Rutschenbleche und Transportbänder sind zerschlissen; an vielen Stellen bereits durchscheuert, weisen sie Löcher auf. Die Kohle, die ein Bergarbeiter in die Rutsche oder auf das Transportband schippt, muß teilweise von Kameraden seines Rutschenbetriebes noch zwei- bis dreimal geladen werden. An den schadhaften Stellen in der Rutsche der am Transportband entweicht immer wieder die bereits geladene Kohle. Mehr Zeit, mehr Kräfteverschleiß sind die Folgen. [] Da sich der Abbau vor Kohle schnell vollzieht, müssen täglich Schienenstränge und Preßluftrohre nachgelegt werden. Schienen, Laschen, Schienennägel, Preßluftrohre, Flanschen, Dichtungen und Schrauben sind aber nicht genügend vorhanden. Suchen Warten und behelfsmäßiges Weiterarbeiten kosten unendlich viel Zeit und noch mehr Arbeitsenergie der Bergarbeiter. [] Warum Demontage der Zubringer-Industrie? [] Dieser Mangel an Maschinen, Ersatzteilen und Material im Bergbau konnte schon längst weitgehendst beseitigt sein. Neben den Zechen stehen die Metallbetriebe der Zubringer-Industrie für den Bergbau. Warum laufen sie drei Jahre nach Beendigung des Krieges noch immer nicht? Warum produzieren sie nicht, um den hemmenden Faktor in der Bergbauindustrie zu beseitigen? [] Obwohl diese Betriebe der Zubringer-Industrie nichts mit Rüstungsbetrieben zu tun haben, sollen dennoch eine Anzahl demontiert werden. Deshalb stehen sie auch mit auf der Demontageliste, und die Bergarbeiter fragen: Warum sollen sie demontiert werden? Weil sie als lästige Konkurrenz der amerikanischen Monopolisten betrachtet werden! [] Im Rahmen des Marshall-Planes wollen die Amerikaner Maschinen, Ersatzteile, Werkzeuge und andere Materialien, die ihre eigene Industrie herstellt, auf dem deutschen Markt verkaufen. Auf diese Weise wollen sie ihr brennendes Problem der "Überproduktion" auf Kosten des deutschen Volkes lösen. Ob diese Maschinen, Ersatzteile und Werkzeuge, die nach den Bedingungen des amerikanischen Bergbaus hergestellt sind, sich auch für den deutschen Bergbau eignen, interessiert die Herren amerikanischen Geschäftemacher nicht. "Hilfsplan" nennen sie zwar den Marshall-Plan, aber gute Geschäfte machen meinen sie. [] England hat bereits mit diesen amerikanischen Bergbaumaschinen im Werte von vielen Millionen Dollar trübe Erfahrungen gemacht. Sollen bei uns auf den Schachtanlagen denn auch für Millionen Dollar Maschinen herumliegen, die für unseren Bergbau ungeeignet sind, die zu nehmen man uns aber zwingen will? [] Dabei taucht noch eine andere Frage auf. Was wird eines Tages, wenn unsere Zubringer-Industrie teils demontiert, teils aus Konkurrenzgründen verkommen und rückständig am Boden liegt und die Herren Monopolisten jenseits des Wassers an der Lieferung von Maschinen, Ersatzteilen, Werkzeugen und Material nicht mehr interessiert sind? Wie steht dann unsere Bergbauindustrie da? Das sollten sich auch diejenigen einmal überlegen, die da glauben, den Plan der Marshallisten befürworten zu müssen. [] Katastrophengefahr im Bergbau! [] Wasserrohre zum Nachlegen der Wasserleitungen kommen erst an letzter Stelle. Fehlt es an Wasserleitungsrohren, muß mit "tiefem Bedauern" die ständige Berieselung des sich immer wieder neu ansammelnden Kohlen- und Steinstaubes unterbleiben. Erst kommen auf alle Fälle Preßluftrohre vor Ort, man benötigt sie dringend zur Gewinnung der Kohle, denn nur sie bringt gute Profite. [] Die Unterlassung der Berieselung von Kohlen- und Steinstaub erhöht zwar die Gefahren für Kohlenstaubexplosionen und Silikoseerkrankungen, weil die verantwortlichen Stellen die wirksame Bekämpfung der Ursachen hintanstellen, aber das geht ja auf Kosten des Lebens und der Gesundheit der Bergarbeiter. [] Gewiß erhöht sich dadurch die Katastrophengefahr im Bergbau um ein Vielfaches, aber es ist heute für die Nutznießer des Bergbaus kein Problem mehr, tausende durch Unfall und Silikose aus dem Produktionsprozeß ausscheidende Bergarbeiter zu ersetzen. [] Die separate, unsoziale Währungsreform sorgt für Massenarbeitslosigkeit, also für Bergarbeiter-Nachschub und das Achtpunkteprogramm der DKBL soll durch verstärkte Antreibung die angeordnete Leistungssteigerung bringen, um den durch Materialmangel bedingten Ausfall an Kohle durch erhöhte Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft wett zu machen. [] Ein anderer Engpaß! [] Es fehlt aber nicht nur durch die Stahl-Unterversorgung an Maschinen, Ersatzteilen, Werkzeugen und Material aller Art, hergestellt aus Stahl oder Eisen. Es fehlt z. B. auch an Preßluftdichtungen. Auf vielen Schachtanlagen geht dadurch 50 bis 60 Proz. und mehr des Druckes der Preßluft verloren. Deshalb laufen die Abbauhämmer viel zu langsam, Schrämmaschinen, Kohlenhobel, Haspel und andere Preßluftmaschinen unter Tage bleiben aus Preßluftmangel stehen. Auf einigen Zechen läßt man, um einen geringfügigen Ausgleich zu schaffen, im Schichtwechsel und nachts diese Maschinen laufen. Natürlich kann man in einer Stunde Schichtwechsel dreimal am Tage und in Nachtarbeit nicht das nachholen, was in der Morgen- und Mittagschicht unterbleiben mußte. Ebenso entstehen durch Materialmangel erhebliche Dampf- und Stromverluste. Auch solche Verluste sollen durch Mehrarbeitsleistung ausgeglichen werden. [] Kohlenhauer ohne Grubenlampe! [] Es lassen sich noch Bände schreiben über den Mangel an Grubenholz, an Hacken- und Schaufelstielen, an Förderbändern und Preßluftschläuchen, an fehlenden und undichten Lutten, an Unfallschutzmitteln und Schutzkleidung, an schlechtem Schmieröl und nicht vorhandenen Spurlatten, an elektrischen Ersatzteilen, fehlenden Förderwagen, bis zum Drahtgeflecht für Bergeversatz und einem einfachen Nagel, um es festzunageln. [] Unter den vielen, durch Materialmangel hervorgerufenen Hemmnissen für die Steigerung der Kohlenförderung greifen wir nur noch eines heraus. Die Leistungsfähigkeit im Streb hängt wesentlich von der Beleuchtung ab. Das weiß man seit Jahrzehnten und hat deswegen früher große Kosten aufgewandt, die Streben mit elektrischen Kabellampen oder elektrischen Preßluftlampen zu beleuchten. Auch früher hat man nur Aufwendungen gemacht, wenn sie dringend erforderlich waren und die Leistungsfähigkeit erhöht wurde. Wie steht es aber heute mit der Beleuchtung? Man sollte es für selbstverständlich halten, daß jedenfalls jeder Bergmann sein Geleucht hat und daß die Verwaltungen der Schachtanlagen dafür Sorge tragen, daß dieses Geleucht in Ordnung ist. Von dieser Selbstverständlichkeit sind wir heute weit entfernt. Es kann sogar vorkommen, daß die Bergbehörde Ausnahmegenehmigungen erteilt und gestattet, daß jeder zweite Bergmann ohne Lampe einfährt. Die Lampen sind oft nicht genügend aufgeladen, und es wird bei halber Lichtstärke gearbeitet. Jede Arbeit wird durch den Lichtmangel erschwert. Das Arbeiten bei behelfsmäßiger, unzureichender Beleuchtung vor Ort erfordert zusätzliche Aufmerksamkeit und stellt an die Arbeitskraft und Gesundheit der Bergarbeiter schwere Anforderungen. [] Kameraden Bergarbeiter! [] Wir fragen euch, sind so die Zustände auf den Gruben? Ihr werdet uns antworten: Sie sind schlimmer, sie sind unerträglich! [] Wir konnten hier nur einen Bruchteil dessen wiedergeben, was tatsächlich täglich auf den Gruben unter Tage gefällig ist. Diese für die Bergarbeiter untragbaren Verhältnisse sind aber auch denen gut bekannt, die euch ohne Recht und Grund fälschlich am Radio in aller Öffentlichkeit anklagten. Also verfolgen sie außer der Absicht, sich von ihrer Unfähigkeit reinzuwaschen, noch ein anderes Ziel? Natürlich! Sie wollen euch Bergarbeiter mit völlig unbegründeten Anschuldigungen einschüchtern, um dann die Ausbeutungsschraube fester anzuziehen. Jedochüberschätzen sie sowohl die Geduld als auch Langmut unserer Bergarbeiter. [] Unsere Kumpels haben ihr Bestes getan, sie haben Unmenschliches geleistet, sie waren immer für Steigerung der Kohlenproduktion, aber nicht um jeden Preis! Vor allem nicht um den Preis ihres Lebens und ihrer Gesundheit! Die verantwortlichen Instanzen müssen jetzt erst einmal im Bergbau alle Voraussetzungen für eine weitere Produktionssteigerung schaffen. Jeder andere Versuch, ohne gesunde Voraussetzungen eine Steigerung der Förderung herbeizuführen, geht auf Kosten der Bergarbeiterschaft. Er würde sowohl für die Gesundheit der Bergarbeiter als auch für den Bestand der deutschen Bergbauwirtschaft verheerende und niemals wieder gutzumachende Folgen heraufbeschwören. [] Kein Bergarbeiter kann eine solche verhängnisvolle Politik, die seinen und den Interessen seines Volkes zuwiderläuft, unterstützen. [] Politik mit dem Hunger! [] Ein anderer Faktor, der einer Gesundung der Bergbauindustrie hindernd im Wege steht, ist die Politik mit dem Hunger, die nahezu zwei Jahre von den ausländischen Herren und ihren deutschen Agenten betrieben wurde. [] Es scheint sich um eine besondere Art amerikanischer Politik zu handeln, um europäische Länder und Völker marshallreif zu machen. Erst entzog man den Bergarbeitern und ihren Familien für eine möglichst lange Periode die wichtigsten Nahrungsmittel, die ihnen auf ihren Normalverbraucherkarten zustanden. Wenn der so organisierte Hunger die Bergarbeiter bis an den Rand der Verzweiflung getrieben hatte, präsentierte man ihnen ein Care-Paket, oder wie im Monat Juni durch eine "Sonderaktion", 10 Pfund Fett und Fleisch. Voraussetzung, um in den Genuß dieser hochwertigen Lebensmittel zu kommen, war: Steigerung der Kohlenförderung auf 290000 t täglich. [] Die Belegschaften von 88 Schachtanlagen haben diese sogenannte "Sonderzuteilung" Fett und Fleisch erhalten. Sie haben damit die früher einbehaltenen Lebensmittel gegen Entrichtung einer zusätzlichen Leistung nachträglich ausgehändigt bekommen. [] Alle anderen Bergarbeiter, es handelt sich um die Belegschaften von nahezu 100 weiteren Gruben im Ruhrgebiet, die ebenfalls bedeutende Anstrengungen machten, gingen leer aus. Neuerdings gaben die Zechenleitungen von mehreren Schachtanlagen bekannt, daß die Belegschaften ihrer Gruben noch einmal durch Verfahren einer zusätzlichen Schicht am Sonntag, dem 25. Juli, Gelegenheit bekommen, nachträglich Fett und Fleisch zu verdienen. Wir nennen dieses Vorgehen eine unverantwortliche Politik mit dem Hunger. Es ist mehr als beschämend für die Bergarbeiter und das deutsche Volk, daß man sie durchführen kann. [] Von solchen und ähnlichen Maßnahmen, die jeder anständige Mensch, der an einer Gesundung der Bergbauwirtschaft interessiert ist, verurteilen muß, sind alle Anspornpläne und Anreizaktionen begleitet. Kein Wunder, daß nach jeder Aktion solcher Art die Produktion immer wieder zurückgefallen ist. [] Anreizpläne sind volksfeindliche Aktionen! [] Leider bringen diese Aktionen der deutschen und ausländischen Monopolherren große Gefahren für die Bergarbeiter und den Bestand des deutschen Bergbaus mit sich. Daher sind sie als volksfeindlich und volksschädliche Aktionen abzulehnen und zu bekämpfen. [] Von Hunger getrieben, zur Verzweiflung gebracht, gehen kranke und schwerkranke Bergarbeiter, sofern eine solche Anreizaktion anläuft, zum Knappschaftsarzt und fordern gesundgeschrieben zu werden. Alles dringende Abraten, die fachmännische Beratung durch die Ärzte nützt nichts, denn hinter den Erkrankten steht der organisierte Hunger, die Not und das Elend zu Hause; sie sind stärker und treiben die kranken Bergleute zur Zeche. Die Folgen sind schrecklich und nicht auszudenken. Einige Kumpels kamen dabei zu Tode. Viele haben auf Jahre, andere für immer ernsthaften Schaden erlitten. Das ist Raubbau an Leben und Gesundheit deutscher Bergarbeiter und führt niemals zu gesunden Produktionsverhältnissen. [] Schluß mit der Raubbaupolitik! [] Das ist aber nur die eine Seite einer systematisch betriebenen Raubbaupolitik. Bei jeder Anreizaktion wurden weitgehendst Vor- und Ausrichtungsarbeiten eingestellt, weil die Parole lautete: Alle Mann vor Kohle! Und die Folgen? Reparatur und andere dringende unaufschiebbare Arbeiten wurden teilweise eingestellt. [] Notwendige Vorrichtungs- und Abteufarbeiten zur Erschließung neuer Kohlenlager ruhten bzw. wurden stark vernachlässigt. Gewiß sind die Auswirkungen einer solchen planlosen Ausbeute von heute auf morgen nicht sogleich spürbar; aber wir Deutschen als bergbautreibende Nation sind auch dann noch gezwungen, Kohle zu fördern, wenn die ausländischen Herren nicht mehr an unserer Kohle interessiert sind, ja sie sogar als lästige Konkurrenz empfinden. [] Hinzu kommt noch, daß im Ruhrbergbau fast nur noch ergiebige Flöze abgebaut werden. Um alles weniger Ergiebige und Profitversprechende kohlt man herum, läßt diese Flöze einfach liegen und vergeudet so deutsches Volkseigentum. Der Jahresbericht der DKBL berichtet über dieses traurige Kapitel auf Seite 23 folgendes: [] "Bisher haben die Steinkohlenbergwerke versucht, den durch zunehmende Ungunst der natürlichen Verhältnisse sowie durch wachsende Materialpreise bedingten Kostensteigerungen dadurch zu begegnen, daß sie in günstigere Flözmächtigkeiten ausweichen. So betrug im Jahre 1947 die mittlere Mächtigkeit der gebauten Flöze 1,49 m, die der anstehenden dagegen nur 1,07 m." [] Aus dem Bergbau-Archiv Band 5/6 entnehmen wir aus einem Vortrag des Herrn Dr. Ing. Glebe folgende Stelle: [] "Auf die Ursachen für den bevorzugten Abbau von dickeren Flözen sei in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen. Jedenfalls ist als Auswirkung ein erheblicher Eingriff in die Substanz festzustellen, da es häufig schwierig ist, einmal aufgegebene und nur teilweise verhauene (d. h. angebaute) Abteilungen nachträglich wegen eines dünnen Flözes wieder in Betrieb zu nehmen. Der weitere Eingriff in die Substanz kommt im einzelnen in untenstehender Tabelle zum Ausdruck. [] Auf die verschiedenen Flözmöglichkeiten einschl. [] Bergemittel entfallende Fördermengenanteile [] Flöze I.1933 I.1936 VIII.1938 I.1941 V.1944 VII.1946 [] über: [] 2m 11,1% 11,1% 10,2% 16% 10,3% 11,6% [] 1,5-2m 22,2% 24,2% 23,8% 26% 30,6% 30,8% [] 1-1,5m 41% 38,9% 40,6% 36% 36% 40,6% [] bis 1m 25,7% 25,8% 25,4% 22% 23,1% 17% [] Hier sieht man, daß der Anteil der Flöze in der Gruppe von 1,5 m bis 2,- m seit 1933 von Jahr zu Jahr zugenommen hat, wogegen der Anteil der geringmächtigeren Flöze, insbesondere der unter 1 m, wesentlich zurückgegangen ist." [] Zähneknirschend verfolgen erfahrene Bergleute und nicht wenige Beamte diese wahnwitzige Politik. Sie sehen schwarz in die Zukunft. Lust und Liebe zu ihrem Beruf, zu ihrer Arbeit wird ihnen genommen. So vom Verantwortungsbewußtsein gegenüber ihrer deutschen Nation gequält, von erhöhten Gefahren täglich umgeben und vom organisierten Hunger angetrieben, stehen heute deutsche Bergleute vor dem Kohlenstoß. Wahrlich, es sind keine anspornenden Eindrücke, die auf sie einwirken. [] 35 Millionen DM Lohngelder einbehalten! [] Ein ganz neues Mittel, welches wahrscheinlich den Arbeitseifer unserer Bergleute ganz besonders "anfeuern" wird, ist das widerrechtliche Einbehalten von rund 35 Millionen Mark Restlohngelder vom Monat Mai. Erst hat man durch die separate und unsoziale Währungsreform jenen Bergarbeitern, Berginvaliden, Angestellten und Beamten die tatsächlich noch über einen Notgroschen verfügten, diesen entwertet. Jetzt, am 15. Juli, also mit 23 Tagen Verspätung, bequemt man sich endlich, die Mindestlöhne auszuzahlen. Aber nicht etwa den Betrag, für den die Bergleute geschuftet, Kohle gefördert haben. Nein! Es wurde nur ein Zehntel des Mai-Restlohnes ausbezahlt. Um die anderen neun Zehntel wurden die Bergarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes betrogen. [] Kameraden Bergarbeiter! Wir überlassen es eurer Entscheidung, ob das die richtigen Wege sind, die zur Schaffung von gesunden Grundlagen für die Produktion führen? [] Euer Anspruch aber auf Auszahlung der zu Unrecht eingehaltenen [] 35 Millionen DM Lohngelder [] vom Mai-Restlohn bleibt bestehen und ihr alle solltet einig und geschlossen wie ein Mann auf die baldige Auszahlung bestehen! [] 15 % Lohnerhöhung führt zum Lohnabbau! [] Verfolgt man aufmerksam die Lohnpolitik, die zur Zeit von der DKBL im Bergbau betrieben wird, kann man nicht zu der Schlußfolgerung kommen, daß sie zur Befriedigung der Bergarbeiter beiträgt. Das ist aber eine der entscheidendsten Voraussetzungen, um zu einer Gesundung in der Bergbauwirtschaft zu kommen! [] Man kann in Westdeutschland von einem wirksamen Preisstopp seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 nicht sprechen. Die Preise kletterten fortgesetzt höher und höher. Einmal bekamen die Bergarbeiter als Ausgleich eine 20prozentige Lohnerhöhung. Die Preissteigerungen, die drei Monate vor Durchführung der Währungsreform einsetzten, stellten alle bisher Dagewesene in den Schatten. Als geringfügiger Ausgleich hierfür wurde den Bergarbeitern ab 1. Juni 1948 eine 15prozentige Lohnerhöhung bewilligt. [] Was die DKBL und die einzelnen Zechenleitungen aus dieser 15prozentigen-Lohnerhöhung gemacht haben, spottet jeder Beschreibung, Diese Lohnerhöhung wurde mit Methoden, wie sie im Achtpunkteprogramm der DKBL allen Grubenverwaltungen empfohlen werden, in einen Lohnabbau von nie gekanntem Ausmaß verwandelt. Man kann sich heute noch nicht alle Auswirkungen einer solch wahnwitzigen Politik - Preise herauf und Löhne herunter - vorstellen. Sie müssen und werden für jede weitere Produktionsgestaltung katastrophal sein. [] Die Zechenleitungen haben bei Inkrafttreten der 15prozentigen Lohnerhöhung nicht etwa allen im Gedinge Beschäftigten mitgeteilt, daß ihre Gedingesätze um 15% aufgebessert sind. Nein! Sie haben gerade das Gegenteil getan! Beim Neuabschluß der Gedinge haben die Grubenverwaltungen bis jetzt 60% aller Gedingesätze wesentlich verschlechtert, also einen großangelegten Lohnabbau durchgeführt. [] Eine Kameradschaft, die in den Monaten März, April, Mai pro Schicht 13,20 RM verdient hatte, muß also im Juni, Juli und den darauffolgenden Monaten auf Grund der 15prozentigen Lohnerhöhung pro Schicht 14,52 DM verdienen. Jetzt aber hat die Verwaltung das Gedinge dieser Kameradschaft so verschlechtert, daß sie im Monat Juli bei Anspannung aller Kräfte pro Schicht 11,59 DM verdienen kann. [] Noch sind bei weitem nicht alle Bergarbeiter über die Folgen dieses Lohnabbaues durch Gedingeverschlechterung im klaren. Der Monatsabschluß für Juli am 1., 2. und 3. August, die Restlohnzahlung für Juli am 23. August, wird zur Klärung der wahren Lage der Bergarbeiter viel beitragen. Ob diese Erkenntnisse, welche die Grubenherren den Bergarbeitern beibringen, sich fördernd auf die Kohlenproduktion auswirken, kann und muß bezweifelt werden. [] Schluß mit dem Preiswucher [] Hinzu kommt noch, daß nach der separaten unsozialen Währungsreform eine Preistreiberei eingesetzt hat, die nur noch als Preiswucher bezeichnet werden kann. Die Preise steigen fast täglich und die Kaufkraft der Bergarbeiter sinkt in dem Maße, als die Preise steigen. Die Preissteigerungen vor und nach der Währungsreform führten zu einer Verteuerung der Lebenshaltungskosten um 64 Prozent. Aber noch immer sind die Preise im Steigen begriffen, wodurch die Kaufkraft der Bergarbeiter mit jedem Tag geringer wird. [] Nur einige Beispiele: [] Artikel Preis 1939 Preis 1948 [] Marmelade 0,47 RM 0,94 DM [] Hühnerei 0,14 " 0,80 " [] Kochtopf 3,40 " 9,- " [] Schuhe 14,- " 35,- " [] Herrensocken 1,60 " 3,65 " [] Oberhemd 4,95 " 14,40 " [] Herrenfahrrad 75,- " 170,- " [] Schon hat sich eine große Unzufriedenheit unter den Bergarbeitern bemerkbar gemacht. Auf allen Gruben werden immer mehr Stimmen laut, [] die eine sofortige Herabsetzung der Preise und Aufbesserung der Löhne um 30 Prozent fordern und verlangen, daß eine Neufestsetzung und Kontrolle der Preise unter maßgeblicher Mitwirkung der Gewerkschaften stattzufinden hat. [] Die verantwortlichen Stellen haben mit ihrer verhängnisvollen Lohn- und Preispolitik tiefe Beunruhigung in die Bergarbeiterschaft hineingetragen. Sie sind heute schon für die Folgen, die sich daraus ergeben, verantwortlich zu machen. [] Mit dem Achtpunkteprogramm der DKBL ist der Kampf der in- und ausländischen Herren des Bergbaus gegen die Bergarbeiter für die Rentabilität des westdeutschen Bergbaues auf Kosten der Kumpel eröffnet worden. An Stelle der 15prozentigen Lohnerhöhung trat die Gedingeschere und das Ziel der Monopolherren ist, diese Gedingeschere solange in Bewegung zu setzen, bis alle Gedingesätze auf den Stand des Jahres 1938 herabgedrückt worden sind. 1938, so behaupten die Nutznießer des Bergbaues sei die Leistung des Bergmanns angeblich normal gewesen und zu dieser Leistung wollen sie auf Biegen und Brechen zurück. [] Daß im Bergbau alles andere als normale Verhältnisse bestehen und das Leistungskönnen der Bergarbeiter durch Krieg und Hunger gewaltig gesunken ist, braucht nicht mehr unter Beweis gestellt zu werden. Was versteht man überhaupt noch unter normaler Leistung? [] Als normale Leistung kann man das Arbeitsergebnis bezeichnen, welches durch eine normale Kraftanstrengung unter den bestehenden Verhältnissen zustande kommt. [] Bei den vollkommen veränderten Verhältnissen auf allen Ebenen der Bergbauwirtschaft ist es völliger wirtschaftlicher Unsinn und ein Verbrechen an den Bergarbeitern, auf die Leistung von 1938 anzuspielen. [] Heute also von der Einführung einer angeblich normalen Vorkriegsleistung zu sprechen, ist so absurd wir nur irgend etwas. [] Die einzig richtige Lösung! [] Um alle Voraussetzungen für eine wirkliche Gesundung der westdeutschen Bergbauwirtschaft schaffen zu können; um endlich die Demokratisierung, das uneingeschränkte Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte und des Industrieverbandes Bergbau in allen Fragen der Bergbauindustrie zu verwirklichen, gibt es nur einen einzigen Weg und der ist: [] Die Überführung des Bergbaues in die Hände des Volkes! [] Diese Forderung haben die Delegierten der Bergarbeiter auf dem ersten Zonenverbandstag im Dezember 1946 in Herne bereits erhoben! [] Die Mehrheit des deutschen Volkes steht hinter dieser berechtigten Forderung der Bergarbeiter, denn von ihrer Verwirklichung hängt nicht nur die wahrhafte Gesundung der Bergbauwirtschaft, sondern die Demokratisierung und der demokratische Neuaufbau der deutschen Wirtschaft ab! [] Niemals haben die Bergarbeiter die Einrichtung der DKBL, dieser reaktionären Agentur des ausländischen Finanzkapitals gefordert. Alle Bergarbeiter lehnen sie einheitlich und geschlossen ab, verlangen sofortige Beseitigung und sollten deshalb in Zukunft Anordnungen und Befehlen der DKBL den schärfsten Kampf ansagen! [] Fort mit dieser Agentur deutscher und ausländischer Monopolherren und Überführung des Bergbaus in die Hände des Volkes, damit endlich gewählte Volksvertreter, Vertreter des Industrieverbandes Bergbau, Betriebsräte und Fachleute, deren demokratische Gesinnung außer Zweifel steht, die Leitung der Bergbauindustrie im Interesse des gesamten deutschen Volkes in ihre Hände nehmen können! [] Jeder Bergarbeiter muß sich im klaren darüber sein, die Grubenherren werden niemals freiwillig abtreten, niemals auf die Profitquelle, den Ruhrbergbau, freiwillig verzichten. Nur der einheitlich und geschlossen geführte Kampf aller Bergarbeiter wird die Herren Industriegewaltigen aus den wirtschaftlichen Machtpositionen, die sie drei Jahre nach Beendigung des Krieges schon wieder besetzt haben, herausdrängen! [] Kameraden Bergarbeiter! [] Nur der ringt ehrlich und entschlossen für die Überführung des Bergbaues in Volkes Hand, [] der für die Beseitigung der DKBL, gegen ihr schändliches Achtpunkteprogramm mutig auftritt! [] der für die volle Auszahlung des Mindestlohnes, gegen jede Gedingeverschlechterung, für die Aufbesserung aller Gedingesätze um 15 Prozent ab 1. Juni 1948 seinen Mann steht! [] der dem Hungerplan der III. Phase den Kampf ansagt und für eine befriedigende Versorgung aller Bergarbeiter unter und über Tage mit genügend Lebensmitteln und Gebrauchsgütern eintritt! [] der sich im Bunde mit allen übrigen Werktätigen, dem Kleinhandel und gewerblichen Mittelstand gegen Preistreiberei und Preiswucher einsetzt und energisch die Forderung vertritt, herunter mit den Preisen und herauf mit den Löhnen, Neufestsetzung aller Preise und strenge Preiskontrolle unter maßgeblicher Mitwirkung der Gewerkschaften! [] Kameraden Bergarbeiter! [] Ihr seid stark und mächtig, wenn ihr einig seid und eure Kampfvorbereitungen trefft! [] Macht den Kampf für eure Interessen zu eurer eigenen Sache! [] Lernt aus eurem Kampf um die Befreiung von der Pflichtwerksküche - wenn ihr einig und opferbereit seid, werdet ihr jeden Kampf gewinnen! [] Macht den Industrieverband Bergbau zur Kampfgewerkschaft aller Bergarbeiter! [] KPD Bezirksvorstand Ruhrgebiet [] Für den Inhalt verantwortlich: K. Goldstein, Herne. Hermann-Löns-Str. 46. Druck: R. Krawehl R. Dez. 45, Dortm., 2386 150000, 28.7.48, Kl. C
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