An die Wählerschaft des Wahlkreises Wanne-Eickel und Wattenscheid!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wanne-Eickel, August 1953 [] ERICH MEYER [] An die Wählerschaft [] des Wahlkreises Wanne-Eickel und Wattenscheid! [] Am 6. September wird die Wählerschaft zum zweitenmal aufgerufen, die Stimme abzugeben, um einen neuen Bundestag zusammenzuse...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Westliches Westfalen, Westfalendruck, Dortmund
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/8FC63A5C-9FFE-4D22-B11D-2F851641C218
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wanne-Eickel, August 1953 [] ERICH MEYER [] An die Wählerschaft [] des Wahlkreises Wanne-Eickel und Wattenscheid! [] Am 6. September wird die Wählerschaft zum zweitenmal aufgerufen, die Stimme abzugeben, um einen neuen Bundestag zusammenzusetzen. Es ist schon eine bedeutsame Entscheidung, die jeder einzelne zu treffen hat, denn - "wie man sich bettet, so wird man liegen"! [] Eigentlich sollte diesmal die Entscheidung für die breiten Volksschichten nicht schwer sein, denn gehören doch alle, bis auf einige wenige - die sogenannten oberen Zehntausend - zum Volk. Alle Schichten - Arbeiter, Handwerker, Angestellte und Beamte, Mittelstand, Frauen, Jugend und die Geistesarbeiter - haben nur das eine Ziel: Friede, krisenfester Lebensstandard, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit. [] Auf diese Fragen hin muß die Haltung, die Politik der Parteien untersucht und gefragt werden: Mit welcher Partei kann ich diese Ziele am besten verwirklichen? Die CDU und alles, was als Anhängsel dazugehört, treiben eine Politik, von der sie sich in Worten nach 1945 angeblich losgesagt haben: Die Wiederherstellung der kapitalistischen Unordnung. Eine Wirtschaftskrise, vor der uns das Schicksal bewahren möge, würde die ganze Fassade der CDU/FDP-Wirtschaftspolitik zum Einsturz bringen und den unermüdlichen Fleiß aller Volksschichten wieder vernichten. Besonders der deutsche Arbeiter, der mit einer Schnitte trocken Brot angepackt hat, der die Kohle förderte, der die Eisenbahnen wieder in Gang setzte, der heute unsere neuen Wohnstätten baut, er wäre der Betroffene. [] Die genannten Kreise leben unbekümmert nach dem Grundsatz: Bereichert euch! Unsere Forderung: Alle Volkskreise und besonders diejenigen, die in fleißiger Arbeit die Werte schaffen, sollen nicht nur mit teilhaben, sondern auch bestimmen. Aus den Vorstellungen des "Bereichert euch" ist auch die überstürzte und verfrühte Wiederaufrüstung in Deutschland zu verstehen, die noch dazu die Wiederherstellung der Wiedervereinigung unseres zerrissenen Vaterlandes gefährdet. [] In der Sozialpolitik und der Sozialversicherung war man in den vier Jahren nicht bereit, in Bonn neue Wege zu gehen, sondern hat die soziale Ungerechtigkeit, insbesondere gegen die alten, fleißigen Arbeiter, gegen die Witwen und Waisen, noch verschärft. [] Meine persönliche Sozialarbeit, die mir im Ruhrgebiet den Namen "Rentenmeyer" eingebracht hat, ist überall bekannt. Ich habe sie auch im Interesse der anderen Volksschichten geleistet, denn wenn ein Teil krank ist, steckt er bald das Ganze an. Ich habe mich durch viele Betriebsbesuche und Grubenfahrten von den Sorgen und Nöten der Schaffenden überzeugt und mit ihren Organisationen die engste Verbindung gesucht. Durch Vorträge in Schulen und vor den Jugendgruppen versuchte ich, unserer Jugend nahe zu sein, und ich bin gerade im Interesse unserer Jugend ein Gegner der Aufrüstung im jetzigen Augenblick und unter den uns jetzt auferlegten Bedingungen. In vielen Veranstaltungen der Frauen war ich dabei, deren Arbeit, auch wenn es nur die Hausarbeit ist, viel zu wenig gewürdigt wird. Aus dieser Erkenntnis trete ich für die Einführung einer Kinderbeihilfe ein, die sich leider im ersten Bundestag nicht verwirklichen ließ. Mit Fragen der heimischen Wirtschaft, des Wiederaufbaus, dem kulturellen Leben im Wahlkreis habe ich mich beschäftigt, weil die engste Verbindung mit dem Leben des Ganzen und die Pflichterfüllung für mich oberstes Gesetz ist und bleiben wird. [] Ich halte nicht viel von der nutzlosen Polemik, denn davon haben die Menschen nichts, sondern versuchte, die positiven Dinge mitgestalten zu helfen. Ich sah den Menschen, egal wie er dachte, und lehnte es ab, ihm Vorschriften zu machen, wie er denken soll. [] Man muß es in Deutschland wieder lernen, auch den Andersdenkenden zu achten, anstatt gegen ihn zu hetzen und ihn persönlich herabzusetzen oder ihm gar unlautere Motive zu unterschieben. Ich halte es hier stets mit dem Christuswort: "Liebet Eure Feinde!" und "Richtet nicht, auf daß Ihr nicht gerichtet werdet, denn Ihr sehet wohl den Splitter in Eures Bruders Auge, aber nicht den Balken in Eurem eigenen Auge!" Der persönliche Kampf ist etwas Widerwärtiges, und wir Deutsche müssen davon los. Mein Grundsatz ist: Die Gegensätze sachlich gegenüberstellen, und dann mag die Wählerschaft frei entscheiden. Ich verachte die Pharisäer, die andere unter Gewissensangst und Druck im Interesse des großen Geldsackes stellen, denn sie sind genau so schlimm wie diejenigen, die eine materielle Knechtschaft aufgerichtet haben. Ein totalitäres System gleicht dem anderen; es gibt nur äußere Unterschiede. Für mich steht der Mensch mit seinen Sorgen und Nöten im Mittelpunkt; denn Gott hat ihn nach seinem Ebenbilde geschaffen. Ihm will ich helfen, und alles andere muß ausscheiden. [] Bei der Bundestagswahl geht es nur um die Fragen unseres täglichen Lebens. Im Bundestag wird nur über die Wirtschaft, Steuer und Sozialpolitik und über die Außenpolitik entschieden. Schulfragen werden dort gar nicht behandelt. Es gibt keinen Kultusminister im Bunde; das ist eine Ländersache. Für diese praktischen Lebensfragen trifft jeder einzelne für vier Jahre die Entscheidung. Die Entscheidung zwischen Fortschritt oder Rückschritt, zwischen verfrühter und überstürzter Aufrüstung oder Einheit des Vaterlandes, zwischen Vorsorge für schlechtere Zeiten oder freies Spiel der übertriebenen Profitsucht, zwischen Neuordnung der Sozialversicherung oder Weiterwurschteln zwischen sozialer Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. [] Die Entscheidung kann nicht schwerfallen, da Sie ja selbständig denken können. Im Bundestag geht es nicht um Weltanschauung, sondern um eine politische Entscheidung: Geldsack oder Volksinteresse? [] Sie werden sich diesmal auch für das Volksinteresse entscheiden und deshalb zu meinen Wählern gehören. In diesem Sinne begrüßt Sie freundlichst Ihr [] Erich Meyer [] Kandidat der SPD [] Herausgeber: SPD, Westliches Westfalen [] Druck: Westfalendruck, Dortmund
Published:06.09.1953