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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; An die Deutschen! [] D. Martin Niemöller: [] Der Termin der Bundestagswahlen rückt heran. Nach menschlichem Ermessen wird es von dem zu wählenden Parlament abhängen, was für eine Rolle Westdeutschland in der Frage der Wiedervereinigung unseres Volkes und seiner künftigen Stellung unter den Völkern spielen wird. [] Der bisherige Bundestag hat es der Regierung ermöglicht, in diesen beiden grundlegenden Fragen eine Politik zu treiben, die an der Meinung des Volkes achtlos vorüberging, eine Befragung des Volkes mit formalen Einwänden ablehnte, die Aufklärung des Volkes durch Presse und Rundfunk verhindert und ihre Gegner als getarnte Kommunisten diffamierte. - Auf diese Weise sind die Verträge zustandegebracht worden, die Westdeutschland wirtschaftlich und militärisch an den Westen binden und vom Osten und zugleich von Ostdeutschland trennen. - [] Das Wort "Wiedervereinigung" ist damit ebenso zur propagandistischen Phrase gemacht worden wie das Wort "Friede"; und die westdeutsche Politik ist zum Hindernis geworden für die Aufnahme von Verhandlungen wie für eine friedliche Regelung der deutschen Frage. [] Trotz der Macht der Propaganda und des Geldes, die diese Politik gefördert und bestimmt hat, gibt es aber Millionen deutscher Menschen im Gebiet der Bundesrepublik, die überzeugt sind, daß unser deutsches Volk nur leben kann, wenn es sich nicht in den tödlichen Gegensatz zwischen Ost und West hineinziehen läßt und nach West und Ost Frieden hat. Sie wissen, daß wir eindeutig zur westlichen Welt gehören, daß wir aber ebenso eindeutig friedliche Beziehungen zu unseren Nachbarn im Osten haben müssen, um leben zu können. - [] Alle diese Menschen fragen sorgenvoll, ob sich nicht eine Partei findet, die bereit ist, sich im künftigen Bundestag für eine grundlegende Neuorientierung unserer Außenpolitik einzusetzen, um eine friedliche Wiedervereinigung und eine friedliche Zukunft unseres Volkes inmitten seiner Nachbarn herbeizuführen. [] Vielleicht ist uns heute die letzte Möglichkeit gegeben, etwas Durchgreifendes in dieser Richtung zu tun; und darum ist es höchste Zeit, wenn der gefährliche bisherige Weg verlassen werden soll, daß sich die verschiedenen politischen Gruppen zusammenfinden, die ohne einseitige - wirtschaftliche oder militärische - Bindung nach West oder Ost eine deutsche Politik der Wiedervereinigung und des Friedens zu treiben entschlossen sind. [] In unserem auseinandergerissenen Volk warten ungezählte Menschen darauf, daß ein solches Zeichen der Hoffnung aufgerichtet wird: möge es genug, politische Einsicht und Verantwortung in den beteiligten Kreisen, Gruppen und Parteien geben, um zu verhindern, daß diese, Menschen enttäuscht bei Seite stehen, wenn die Entscheidungen fallen. [] Schluchsee (Schwarzwald), den 15. Juli 1953 [] gez. D. Martin Niemöller [] Verantwortlich: [] für Bund der Deutschen: [] Franz-Anton Bretz, Düsseldorf, Graf-Adolf-Straße 70, Postscheckkonto: Bund der Deutschen, Düsseldorf, Postscheckamt Köln 121 16 [] für Gesamtdeutsche Volkspartei: [] Hans Bodensteiner, MdB, Bonn, Königstraße 27, Postscheckkonto: Köln 266 82 [] Druck: Pittroff & Co., Wuppertal-B.
Published:15.07.1953 - 06.09.1953