Das wahre Spiel der "Freien Kräfte"

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; DAS WAHRE SPIEL DER "FREIEN KRÄFTE" [] Anstatt DM 80.- zahlen wir DM 120.- für einen Herrenanzug [] WARUM [] haben wir so hohe Preise? [] Den im Frankfurter Wirtschaftsrat mit Mehrheit bestimmenden besitzbürgerlichen Kreisen (CDU/CS...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Auerdruck GmbH, Hamburg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1948 - 1949
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/B28360F0-A6D3-4A1C-ADA0-3953DA8B1C87
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; DAS WAHRE SPIEL DER "FREIEN KRÄFTE" [] Anstatt DM 80.- zahlen wir DM 120.- für einen Herrenanzug [] WARUM [] haben wir so hohe Preise? [] Den im Frankfurter Wirtschaftsrat mit Mehrheit bestimmenden besitzbürgerlichen Kreisen (CDU/CSU, DP und FDP) war die Währungsreform der willkommene Anlaß, mit dem so viel gerühmten "Spiel der freien Kräfte" den alten "Herr-im-Hause-Standpunkt" zu verwirklichen. [] Ein treffendes Beispiel hierfür gibt uns die [] Korruption im Jedermann-Programm [] Die deutsche Presse schreibt hierzu folgendes: [] "SCHMUTZIGE KONKURRENZ VERDIRBT DIE PREISE!?" [] Der Staatskommissar zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft in Nordrhein-Westfalen, Werner Jacobi, übergab der Presse das Untersuchungsergebnis über Korruptionserscheinungen im Jedermann-Programm. Danach ist ein Angebot der Herrenbekleidungsfabrik Alfons Müller GmbH. in Wipperfürth, für das Jedermann-Programm Herrenanzüge für 62,25 bis 76,25 DM zu liefern, bei der Auftragserteilung nicht berücksichtigt worden. Nach Jacobis Untersuchungen wurde die Firma Müller vor der Auftragsvergebung Anfang November von einem Mitglied des Frankfurter Fachausschusses, dem Inhaber der Kleiderfabrik Kramer, besucht, der ihr erklärte, ihr Angebot "verderbe" die Preise und sei deshalb als "schmutzige Konkurrenz" anzusprechen. [] ("Frankfurter Rundschau", Frankfurt, 21. November 1948) [] DIE BEDENKEN DES FACHVERBANDES [] Der Wipperfürther Firma Müller wurde erklärt, daß man im allgemeinen 180 Prozent aufschlage. Demgegenüber wendete der Fabrikinhaber ein, daß sein Betrieb seit Jahren Serienfabrikation am Fließband betreibe und deshalb rationeller arbeite als ältere Betriebe. Man könne doch unmöglich generell die gleichen Aufschläge kalkulieren. Der Fachverband ließ diese Erwägungen nicht gelten, sondern meinte, daß man sich doch nicht selbst die Preise für die Zukunft verderben könne. Deshalb solle die Firma ihr Angebot von 10000 Anzügen monatlich auf 1500 bis 2000 Stück ermäßigen, damit auch für die anderen etwas übrig bleibe. Die Fabrikleitung erklärte, daß sie ihre Preise nach den vorgeschriebenen Richtlinien ermittelt habe. Die Verdienstspanne sei sogar noch zu hoch, bei schärfster Kalkulation hätte das Angebot noch um rund 10 Prozent im Preise ermäßigt werden können. [] ("Westdeutsche Allgemeine Zeitung", Bochum, 11. November 1948) [] An den Rockärmeln fehlt der Schlitz, an den Hosen das Stoßband und auch das Uhrentäschchen ist nicht dabei [] Müller richtet sich nach seinen tatsächlichen Kosten. Eine Hose fertigt er in 85 Minuten. Obwohl er Näherinnen einen Spitzenlohn von durchschnittlich 0,99 DM je Stunde zahlt, kommt er bei bestem Willen nicht auf 3,08 DM für die Hose, wie die Jedermann-Kalkulation vorsieht. [] Sein gesamter Lohnanteil am Anzug beträgt rund 8,50 DM, in der Jedermann-Kalkulation des Verbandes macht er dagegen 14,94, in der Normalkalkulation sogar 16,69 DM aus. [] Der Fachausschuß hat erklärt, die Anzüge von Müller entsprächen nicht den Gütevorschriften des Verbandes. An den Rockärmeln fehle der Schlitz, an den Hosen das Stoßband usw. usw. [] Ein Amerikaner jedoch, der sich für diesen Fall interessierte, ließ sich aus einem der ersten Konfektionshäuser in New York einen Anzug schicken, und siehe da: er hatte dieselben "Mängel". Die Jedermann-Kalkulation des Fachausschusses kommt bei einem Anzug aus Oberstoff von 10 DM je Meter auf einen Ladenpreis von 94,40 DM. In den Geschäften muß man jedoch für diesen Anzug bis zu 120 DM zahlen. Müller hat denselben Anzug für 69,25 DM angeboten und hinzugefügt, bei zügiger Produktion könne er den Preis um 10 Prozent senken. [] ("Die Welt", Hamburg, 29. Dezember 1948) [] Die Hechte im Karpfenteich [] Inzwischen sind die Aufträge für das erste Quartal des Jedermann-Programms auf Vorschlag des Fachverbandes durch die Verwaltung für Wirtschaft erteilt worden. Daß die Firma Alfons Müller GmbH. dabei nicht berücksichtigt wurde, kann bei der herrschenden Auffassung gewisser Kreise bezüglich der Preissenkung nicht sonderlich überraschen. [] Interessant ist indessen die Tatsache, daß Direktor Meier, der Vorsitzende des Fachverbandes und persönliche Berater Professor Erhards, die Auftragserteilung von 8000 Anzügen für seine eigene Firma in Odermark im Harz verbuchte. [] Die Firma August Becker, München-Gladbach, stellt 2320 Anzüge und die Firma Kramer, Wuppertal, 1050 Anzüge laut Auftragserteilung her. Die Preisangebote dieser Firmen, deren Inhaber sämtlich zum Vorstand des Fachverbandes zählen, liegen 20 bis 25 Prozent höher als die Offerte der Firma Müller. [] ("Westfälische Rundschau", Dortmund, 18. November 1948) [] Ein mißliebiger Außenseiter muß seinen Betrieb schließen [] Organe der industriellen Selbstverwaltung benutzen die Mittel einer bisher unentbehrlichen Wirtschaftsplanung zur Ausschaltung von mißliebigen Außenseitern. [] Am 16. Dezember 1948 mußte Müller seinen Betrieb schließen und die Belegschaft von 350 Frauen und Männern (davon rund 80 Prozent Flüchtlinge) entlassen. [] ("Die Welt", Hamburg, 29. Dezember 1948) [] Darum haben wir hohe Preise! [] Weil die besitzbürgerlichen Kreise das "freie" Spiel der Kräfte dazu benutzen, ihren Profit zu steigern und somit ihre Geldsäckel bis zum Überlaufen füllen können. [] Die Freiheit, die diese Kreise predigen, ist die Freiheit des wirtschaftlichen Ellenbogens, die Freiheit eines schrankenlosen Verdienens. Sie fühlen sich dabei frei von jedem moralischen Zwang, und auch frei von jeder Rücksicht auf den ärmeren Volksgenossen. Wenn sie von Freiheit reden, so meinen sie nur die Freiheit ihres Pofits [!]. Darf aber, so fragen wir, am Wege des neuen Aufbaus dieser Profitgeist stehen? Und soll er tatsächlich die Menschen in der Verzweiflung zu radikalen Lösungen drängen? [] Die Zeichnung zeigt die Verteilung der 104 Sitze im Frankfurter Wirtschaftsrat. [] Die CDU und die mit ihr die Mehrheit im Frankfurter Wirtschaftsrat bildenden Kreise des Besitzbürgertums haben diese Politik der hohen Preise bewußt herbeigeführt und immer wieder die Änderungsanträge der sozialdemokratischen Minderheit niedergestimmt. Es ist der Auftakt ihres Spiels der "freien" Kräfte. Ihr Endeffekt aber ist die Verelendung der Werktätigen um des Profites willen, wie dieses eine sichtbare Beispiel Müller in Wipperfürth uns deutlich vor Augen führt. Deshalb hat die sozialdemokratische Fraktion im Wirtschaftsrat in Frankfurt einen Antrag gestellt, Professor Erhard das Mißtrauen für diese Wirtschaftspolitik, für diese Preistreiberei, für diesen Hortungsschwindel auszusprechen und ihn davonzujagen. Aber die schwerkapitalistische Mehrheit im Wirtschaftsrat, gebildet von CDU, CSU, DP und FDP, hat sich schützend vor die Wirtschaftspolitik und diesen Preiswucher gestellt und den sozialdemokratischen Mißtrauensantrag zu Fall gebracht. Diese Wirtschaftspolitik hat dazu geführt, [] daß 1. wir weiterhin für einen Herrenanzug [] anstatt 80 DM 120 DM bezahlen [] und daß 2. jetzt am 4. Januar 1949 endgültig [] 350 Männer und Frauen arbeitslos wurden. [] Diese Parteien, unter Führung der Großbankiers Pferdmenges und Blücher und der Großindustriellen Haffner, Dr. Henle und Kuhlemann haben damit ausdrücklich die Verantwortung für die Ausplünderung des Volkes durch gewinnsüchtige Industrielle und Händler (Direktor Meier, Becker und Kramer) übernommen. [] Diese Wirtschaftspolitik wird Schiffbruch erleiden. Aber diesen Schiffbruch wird nicht der theoretisierende Professor Erhard bezahlen, nicht die Großverdiener der CDU/CSU/FDP, sondern du und ich - wir, die Käufer und Verbraucher. [] Wir werden ausgeplündert und der Spargroschen beraubt, wenn wir uns nicht zusammenschließen gegen die Ausbeuter. Wenn wir uns nicht alle zusammentun mit den Sozialdemokraten und der [] Sozialdemokratischen Partei [] endlich die Macht geben, eine neue, gerechte Wirtschaftspolitik einzuführen, die den natürlichen Bedarf der Bevölkerung mit dem geringsten Kostenaufwand deckt. [] Denke nach! [] Auerdruck GmbH., EP 36, Hamburg 1 - 36/50000/4.49/Kl. C
Published:1948 - 1949