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Wir wollen mehr Demokratie. Wir suchen das Gespräch mit allen. Damit jeder an der Reform von Staat und Gesellschaft mitwirken kann. Deshalb: [] Ihre Meinung [] Mai 1970 [] SPD Umfrage der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] An alle Bürger! [] Ich wende mich heute an Sie, um Ihre persönliche Meinung zu erfahren über die bisherige Politik der neuen Bundesregierung und über ihre weiteren Ziele und Absichten. Ich meine, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Aber Sie werden vielleicht anders darüber denken als ich. Deshalb möchte ich Ihre Meinung wissen. Beantworten Sie bitte offen und ehrlich die Fragen auf den folgenden Seiten. Es ist für uns Sozialdemokraten wichtig, Ihre Meinung zu kennen. Denn Information darf in einer Demokratie nicht wie in einer Einbahnstraße laufen. Wir wollen jeden Bürger umfassend unterrichten. Und wir wollen häufiger und direkt seine Meinung hören. [] Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit. Ihr [] Willy Brandt [] Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] Wir sagen Ihnen, was wir tun. [] Sie sagen uns, was Sie davon halten. [] Bitte den ausgefüllten Fragebogen abtrennen. Dann beim Beauftragten der SPD-Umfrage oder bei der Nudisten SPD-Geschäftsstelle abgeben. Oder mit der Post schicken an: SPD, "Aktion Ihre Meinung Mai 1970", 53 Bonn, Erich-Ollenhauer-Haus. [] 1) Wir sprechen mit der DDR, um durch Verhandlungen Erleichterungen für die Menschen zu erreichen, und um das weitere Auseinanderleben beider Teile Deutschlands zu stoppen. [] Frage: a) Halten Sie diese Gespräche mit der DDR für richtig? b) Sind Sie dafür, die Gespräche nach Erfurt und Kassel auch dann fortzusetzen, wenn nicht sofort deutliche Erfolge sichtbar sind? [] 2) Staatssekretär Bahr spricht mit Moskau; Staatssekretär Duckwitz spricht mit Polen; Bundeskanzler Brandt fuhr nach Erfurt. Das ist koordinierte Ostpolitik. In komplizierten Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen wird getestet, ob es zur Zeit einen Weg gibt, über Verhandlungen zu einer echten Entspannung und zu einem dauerhaften Frieden in Europa zu kommen. [] Frage: a) Unterstützen Sie diese aufeinander abgestimmte Initiativen in der Ostpolitik? b) Sind Sie der Meinung, daß die Bundesregierung im Rahmen dieser Gespräche die Oder/ Neisse-Grenze anerkennen sollte? [] 3) Die neue Bundesregierung bemüht sich um den Beitritt Englands und der skandinavischen Länder in die EWG. Das große Ziel ist ein wirtschaftlich und politisch geeintes Europa. Ohne Schlagbäume. [] Frage: Sind Sie für die Erweiterung der EWG um England und die skandinavischen Länder? [] 4) Wir haben jetzt eine Hochkonjunktur. Das ist nicht gefährlich, wenn man sich nicht nervös machen läßt und überlegt handelt. Die neue Regierung hat gehandelt: [] 1. Sie hat die D-Mark um 8,5% aufgewertet. [] Ohne Aufwertung wären die Preissteigerungen noch höher als heute - nach Meinung von Fachleuten um ganze 3 %. Die Aufwertung wirkt, aber sie kam zu spät. An dieser Hypothek von Kiesinger und Strauß müssen leider alle mittragen. [] 2. 4,1 Mrd. DM wurden im Staatshaushalt 1970 gesperrt, von Bund und Ländern. [] 3. 2,5 Mrd. DM wurden in die Rücklagen für den Konjunkturausgleich eingebracht. Im Interesse der Stabilität. [] 4. Die Bundesbank hat den Diskontsatz erhöht. [] Nach Meinung mancher Leute wurde damit zu viel getan, nach Meinung anderer zu wenig. Die Bundesregierung selbst ist davon überzeugt, daß sie die Konjunktur in den Griff bekommt, ohne gleichzeitig die Arbeitsplätze zu gefährden. Sie will die Bremsaktion nicht überziehen. Vollbeschäftigung ist ihr genauso wichtig wie Stabilität. [] Frage: a) Sind Sie der Meinung, daß die Bundesregierung Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen sollte, um die Preise sofort zu stabilisieren? [] b) Halten Sie die Wirtschaftspolitik insgesamt für gut? 5) Zusammen mit Schweden und der Schweiz hatte die Bundesrepublik die niedrigsten Preissteigerungen im Jahr 1969. Ca. 2,6%. Gleichzeitig stieg der Bruttoverdienst der Arbeitnehmer bei uns um 9,5%, also um ein beachtliches Stück mehr als die Preise. Das sind Durchschnittszahlen. Sie sagen noch nicht viel über die Einkommenssteigerungen jedes Einzelnen. [] Frage: Geht es Ihnen persönlich besser als 1968? [] 6) Auch 1970 wird trotz der Preissteigerung das Realeinkommen pro Arbeitnehmer (also der reale Wert Ihres Einkommens) steigen - nach Meinung der Experten um etwa 7%. [] Frage: Was erwarten Sie 1970 persönlich? Wird Ihr Real-Verdienst steigen? [] 7) Georg Leber hat 1969 während der Ferienzeit an Wochenenden Fahrverbote für LKW's erlassen. [] Frage: Sind Sie dafür, daß diese Maßnahme auch in diesem Jahr ergriffen wird? [] 8) Ab 1. Juli 1970 bekommt jeder Schüler vom 11. Schuljahr an eine Ausbildungsförderung von DM 150,- pro Monat (wenn das Einkommen der Eltern eine bestimmte Grenze nicht übersteigt). Damit soll auch den Kindern von Arbeitern und Angestellten der Weg zu einer besseren Ausbildung erleichtert werden. [] Frage: a) Halten Sie diese Maßnahme grundsätzlich für richtig? b) Würden Sie mit der Ausbildungsförderung von Arbeitnehmer-Kindern noch früher beginnen? 10. Schuljahr 9. Schuljahr 8. Schuljahr [] 9) Ab 1. Januar dieses Jahres können Arbeitnehmer 624,- Mark (bisher 312,-) steuerbegünstigt anlegen. Das ist ein Fortschritt in der Vermögensbildung. (Wer auf diese Weise 10 Jahre spart, sammelt etwa 10.000 Mark an. [] Aber nicht jeder kann 624,- Mark im Jahr auf die hohe Kante legen; 75% aller berechtigten Arbeitnehmer nahmen deshalb die Steuervergünstigung des 312,-DM-Gesetzes nicht in Anspruch. [] Außerdem: Wer wenig verdient, profitiert von der heutigen Regelung am wenigsten. Er spart kaum Steuern. Deshalb wird ab 1.1.71 das System umgestellt: auf Zulagen. Jeder Arbeitnehmer bekommt 30% der vermögenswirksamen Leistung vom Staat draufgelegt. Das bedeutet aber, daß der Staat mehr ausgeben muß als bisher. [] Frage: Halten Sie die Einführung des Zulagensystems trotzdem für richtig? [] 10) Ab 1. Januar 1970 erhalten alle Kriegsopfer mehr Rente und zwar unterschiedlich. Kriegerwitwen 25,3% mehr Rente, Kriegsversehrte, Waisen und Kriegereltern 16% mehr. Das ist eine lange von der SPD geforderte Verschiebung zugunsten der Kriegerwitwen, bei gleichzeitiger Erhöhung aller Kriegsopferrenten. [] Frage: Begrüßen Sie diese Umstrukturierung [] 11) Ab 1.1.1970 wurden alle Renten um 6,35% erhöht. Außerdem entfällt ab 1.1.70 der Beitrag für die Krankenversicherung, den die Rentner bisher bezahlen mußten. Das macht 2% der Rente aus. Oder z. B. DM 72,- im Jahr bei einer Monatsrente von DM 300,-. [] Frage: Halten Sie diese Lösung für besser als eine einmalige Zahlung von DM 50,-, wie sie im Dezember 69 im Gespräch war? [] 12) Seit Beginn dieses Jahres gibt es für kranke Arbeiter das Gesetz für Lohnfortzahlung. Eine Barriere zwischen Arbeitern und Angestellten ist abgebaut worden. - Im Krankheitsfall wird jetzt der Beitrag zur Rentenversicherung weiter entrichtet; d.h.: Krankheit schmälert nicht mehr Ihre Rente. - Die Pflichtversicherungsgrenze ist von DM 900,- auf DM 1.200,- heraufgesetzt worden. [] Frage: Haben sich diese Verbesserungen bei Ihnen persönlich positiv bemerkbar gemacht? [] (Name und Anschrift. - Ausfüllen nicht unbedingt notwendig.) [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn
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