Betr.: Vorurteile . Ausländer, Aussiedler Asylanten

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Betr.: Vorurteile [] Ausländer, Aussiedler [] Asylanten [] Wir haben keine Vorurteile, aber ... [] Diese Redewendung hört man oft, sie bestätigt, daß Vorurteile vorhanden sind. Vorurteile richten sich gegen fremde Personen oder Gruppen, die s...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Butter. Agentur für Werbung GmbH, contact@butter.de, Tel. 0211 . 86797 - 0, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Referat Öffentlichkeistarbeit, Courir-Druck GmbH, Bonn
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 05.1989
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/91F638C9-241E-43A7-8DB9-3C61F92EEB5D
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Betr.: Vorurteile [] Ausländer, Aussiedler [] Asylanten [] Wir haben keine Vorurteile, aber ... [] Diese Redewendung hört man oft, sie bestätigt, daß Vorurteile vorhanden sind. Vorurteile richten sich gegen fremde Personen oder Gruppen, die sich sprachlich, konfessionell, kulturell oder aufgrund ihrer Herkunft unterscheiden. Ausländer, Asylbewerber und Aussiedler gehören dazu - sie werden zu Sündenböcken. [] Für vermeintliche oder tatsächliche Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot etc.) werden sie verantwortlich gemacht, obwohl die Probleme "hausgemacht" sind. [] Vorurteil Nr. 1 [] Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg! [] Ausländische Arbeitnehmer wurden seit 1955 bis zum Anwerbestopp 1973 gezielt in die Bundesrepublik geholt. Heute leben etwa 4,1 Millionen Ausländer inkl. ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik. [] Unsere Arbeitsplätze werden heute durch Automation, Rationalisierung, der Auslagerung von Produktionen und weltweiten Krisen bedroht. Ausländerüben sehr oft unangenehme, gefährliche und ungesunde Tätigkeiten in den unteren Lohn- und Qualifikationsgruppen aus. Für den beruflichen, sozialen und materiellen Aufstieg vieler deutscher Arbeitskräfte waren sie eine wesentliche Bedingung. [] Ausländische Arbeitnehmer sind in bestimmten Branchen kaum zu ersetzen. Im Bergbau würden ohne Ausländer 33% der Arbeitskräfte fehlen, im Gaststätten- und Hotelgewerbe 20%. [] Ausländer sind zudem ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. [] Ein Beispiel: Würden aus Düsseldorf alle Ausländer wegziehen, so würde dies einen Kaufkraftverlust von über 50 Mio. DM bedeuten, allein der Ausfall der Lohnsteuer wäre in der Stadt Düsseldorf über 10 Mio. DM hoch. [] Fortschritt nur mit uns. [] SPD [] Betr.: Vorurteile [] Hält der gegenwärtige Geburtenrückgang an, so sind wir wahrscheinlich ab Mitte der 90er Jahre wiederum verstärkt auf ausländische Arbeitnehmer angewiesen - nicht zuletzt im Hinblick auf unser Sozialversicherungssystem. [] Vorurteil Nr. 2 [] Ausländer wollen sich nicht integrieren! [] Ausländer aus Südeuropa sind sehr stark ihrer Heimat und Kultur verbunden. Diese Art zu leben, wirkt auf viele Deutsche provozierend. Je stärker Ausländerfeindlichkeit und Unsicherheit für die Ausländer werden, um so stärker ziehen sie sich in ihre eigene Kultur zurück.. [] Wer ein geeintes Europa will, der muß das Miteinander verschiedener Kulturen akzeptieren. Dies setzt gegenseitige Toleranz und die Achtung der jeweiligen Kultur voraus. Allein schon aus wirtschaftlichen Gründen müssen wir weltoffen sein. [] Es ist nicht einfach, deutscher Staatsbürger zu werden. Unser Ausländerrecht ist in seiner Tendenz ein Recht gegen Ausländer. Unser Einbürgerungsrecht weist hohe Hürden auf. Das Ausländerrecht in seiner heutigen Form wird den realen Umständen in der heutigen Zeit nicht gerecht - es muß dringend reformiert werden. [] Vorurteil Nr. 3 [] Ausländer sind aggressiv und kriminell! [] Obwohl die Ausländer die für sie ungewohnte Gesellschaft auch aufgrund von Sprachdefiziten als ablehnend und bedrohlich erfahren, reagieren sie in der Regel nicht aggressiv. Diese Verallgemeinerungen werden nur durch Einzelfälle und eine an Sensationen orientierte Berichterstattung bestätigt. Die Zunahme psychischer und psychosomatischer Erkrankungen bei Ausländern sind ein Hinweis darauf, daß Vorurteile im Spiel sind. [] Stark gefährdet sind ausländische Jugendliche. Verschiedene Faktoren (Arbeitslosigkeit, Außenseiterrolle etc.) führen zur stärkeren Kriminalitätsbereitschaft. Die Statistik differenziert nicht genau genug. Zwar betrug der Anteil der Ausländer an den Tatverdächtigen 1981 16% bei einem Bevölkerungsanteil von 7,5% - diese scheinbar stärkere Kriminalität muß allerdings dadurch relativiert werden, daß hierbei auch ausländerspezifische Straftaten (Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht) mitgezählt werden. Also Handlungen, die ein Deutscher gar nicht begehen kann. [] Auch mitgezählt werden tatverdächtige Ausländer, die nicht in die Bevölkerungsstatistik eingehen wie Durchreisende und Touristen, Stationierungsstreitkräfte und deren Angehörige, illegal hier lebende Ausländer. Gemessen an den kriminalitätsfördernden Faktoren (Arbeitslosigkeit, ohne Ausbildung etc.) kann von einer überstarken "Ausländerkriminalität" nicht gesprochen werden. [] Vorurteil Nr. 4 [] Die meisten Asylbewerber sind "Scheinasylanten"! [] 1988 kamen etwa die Hälfte der 100000 Asylbewerber aus den Staaten des Ostblocks. Diese Gruppe erfuhr in der Vergangenheit stets eine großzügige Behandlung in der Bundesrepublik - aus politischen Gründen. Zwar wird nur ein kleiner Teil (ca. 10%) der Asylbewerber als Asylberechtigte anerkannt - gleichwohl dürfen die nicht anerkannten Asylbewerber nicht unterschiedslos außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik abgeschoben werden. Sie genießen unter anderem den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention. Nach einer früheren Rechtslage hatten sie teilweise damit als anerkannte Asylbewerber gegolten. Ein Blick über die Grenzen zeigt, daß unsere Anerkennungspraxis dem Vergleich mit anderen Ländern nicht standhält. [] Unsere Nachbarländer sind bei der Anerkennung von Asylbewerbern wesentlich großzügiger, sie erkennen zwischen 40% (Frankreich) und 70% (Dänemark) der Asylbewerber als Asylberechtigte an. Der Anteil der Asylbewerber an der Bevölkerung ist in der Bundesrepublik verschwindend gering. Auch hierbei überflügeln uns unsere Nachbarn. [] Vorurteil Nr. 5 [] Das Asylrecht muß im Grundgesetz geändert werden! [] Unser Grundgesetz formuliert in Art. 16 nicht ohne historische Erfahrung: "Politisch Verfolgte genießen Asyl." Dies ist die Erkenntnis aus den leidvollen Erfahrungen zwischen 1933 und 1945. Schon damals wurde der Begriff "Wirtschaftsflüchtling" als herabsetzend und herabwürdigend für solche gebraucht, die das Deutsche Reich Verließen. Zur Grundgesetzänderung brauchte es eine Zweidrittelmehrheit; diese ist im Parlament nicht zu erreichen, da die Sozialdemokraten einer Grundrechtsänderung nicht zustimmen werden. [] Vorurteil Nr. 6 [] Ausländerwahlrecht - das wäre ja noch schöner! [] Das kommunale Wahlrecht für Ausländer wird bereits seit langem diskutiert - es ist seit vielen Jahren Praxis in Dänemark, Schweden, Irland, Norwegen, Niederlande und der Schweiz. Das Europaparlament hat im Februar 1989 das kommunale Wahlrecht für Ausländer in der EG mit Mehrheit gefordert. Wenn Europa Wirklichkeit werden soll, kann davon das Wahlrecht nicht unberührt bleiben. Auch hinsichtlich der Verfassungs- [] Betr.: Vorurteile [] mäßigkeit gibt es höchst unterschiedliche Meinungen. So hat sich der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Benda, für ein kommunales Wahlrecht für Ausländer ausgesprochen. Wer wirklich an der Integration der Ausländer interessiert ist, der muß ihnen zumindest das Recht geben, nach einer gewissen Aufenthaltsdauer auch über unmittelbare kommunale Angelegenheiten im Rahmen des Wahlrechts entscheiden zu dürfen. [] Vorurteil Nr. 7 [] Aussiedler sind eigentlich Ausländer! [] Dies ist falsch. Aussiedler sind Menschen deutscher Volkszugehörigkeit, die viele Jahre als Minderheit im osteuropäischen Ausland gelebt haben. Anerkannte Aussiedler gelten als Deutsche - dies sagt das Grundgesetz in Art. 116. [] Der Zuzug von Aussiedlern wurde seit den 50er Jahren von allen politischen Parteien gewünscht und gegenüber den osteuropäischen Regierungen immer wieder vorgetragen. Wenn nun die Aussiedlerzahlen steigen, so kann dies kein Grund für eine Änderung in der Einstellung gegenüber den Aussiedlern sein. Wo Probleme und Defizite auftauchen, etwa bei der Sprachförderung oder in der Wohnraumversorgung, dort muß gezielt geholfen werden, es müssen mehr Wohnungen gebaut werden (auch für bereits hier ansässige Wohnungssuchende), die Sprachförderung muß verbessert und intensiviert werden. [] Vorurteil Nr. 8 [] Aussiedler kriegen mehr Rente ums wir! [] Anhand von spektakulären Einzelfällen wurde in der Öffentlichkeit gezielt der Eindruck erweckt, daß Aussiedler vielfach höhere Renten erhalten als wir. Überprüft man diese emotionale Stimmungsmache anhand tatsächlicher Zahlen, sieht es anders aus: [] Nach Berechnungen des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) sind die Aussiedlerrenten in der Arbeiterrentenversicherung im Durchschnitt nicht höher, sondern deutlich niedriger als die vergleichbarer bundesdeutscher Arbeitnehmer. Lediglich in der Angestelltenversicherung sind die Renten manchmal höher, was bei den Frauen beispielsweise auf höhere Erwerbsbeteiligung und bessere Karrieremöglichkeiten in ihren bisherigen Heimatländern zurückzuführen ist. [] Insgesamt zeigen Berechnungen, daß im Durchschnitt die Aussiedlerrenten nicht höher, sondern bei gleichen Ausgangswerten mit 40 Versicherungsjahren sogar geringer sind. [] Fortschritt nur mit uns. [] SPD [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Bonn; Druck: Courir-Druck GmbH, Bonn-Beuel - 5-89 - A1 - 200 - Bestell-Nr. 260 494
Published:05.1989