Wähler der Landgemeinden! Männer und Frauen!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wähler der Landgemeinden! [] Männer und Frauen! [] Zum erstenmal nach zwölf Jahren seid Ihr berufen, in freier Wahl Eure Vertreter in die Gemeindeverwaltung zu wählen. Diese Wahlen werden von ausschlaggebender Bedeutung für das ganze Volk und...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Loßmann, Julius, Verlag F. Willmy G.m.b.H., Nürnberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 27.01.1946
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/D7AA5318-AECC-4630-9FC8-1607B78A0409
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Wähler der Landgemeinden! [] Männer und Frauen! [] Zum erstenmal nach zwölf Jahren seid Ihr berufen, in freier Wahl Eure Vertreter in die Gemeindeverwaltung zu wählen. Diese Wahlen werden von ausschlaggebender Bedeutung für das ganze Volk und für Deutschland sein. Die ganze Welt wird das Ergebnis dieser Wahl mit Aufmerksamkeit verfolgen. Sollen doch diese Wahlen zeigen, ob das deutsche Volk reif ist zur Selbstverwaltung, reif ist, ein demokratisches Staatswesen aufzubauen. [] Nach dem Willen der Besatzungsmächte soll der erste Versuch hierzu in den Landgemeinden und Städten unter 20000 Einwohnern gemacht werden. Zeigen die Wähler bei dieser Wahl, daß sie zur demokratischen Selbstverwaltung befähigt sind, sollen dann die Wahlen in den größeren Städten und später zu den Landtagen und dem Reichsparlament stattfinden. Daraus mögt Ihr ersehen, von welcher Bedeutung diese Wahlen sind. [] Diese Wahlen müssen beweisen, daß das deutsche Volk nicht, wie die Siegermächte vielfach annehmen, von Natur aus zur Diktatur neigt und die Herrschaft über die anderen Völker erstrebt. Die Wahlen sollen im Gegenteil zeigen, daß das deutsche Volk gewillt ist, mit den übrigen Völkern der Welt in Frieden und Freundschaft zu leben. [] Wir wissen, daß das deutsche Volk ein friedliches Volk ist, daß es den Krieg, die Unterdrückung der übrigen Völker nicht will, daß es nur den Sirenengesängen Hitlers, der dem Volke goldene Berge versprach, zum Opfer gefallen ist. Wir glauben auch, daß das deutsche Volk aus den furchtbaren Lehren des Hitler-Regimes gelernt hat. [] Die Sozialdemokratische Partei hat rechtzeitig gewarnt, den Versprechungen Hitlers zu glauben. [] "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" [] Das haben wir vor 1933 immer wieder erklärt. Leider wurde dieser Ruf von einem Großteil der Wähler nicht beachtet, sie sind vielmehr einem hergelaufenen, nicht bekannten Verbrecher gefolgt. Die furchtbaren Folgen muß nun das ganze deutsche Volk tragen. [] Denkt heute daran, in welchem Wohlstand das deutsche Volk in den leider nur kurzen Friedensjahren lebte. Wie von dem Jahre 1880 ab, als wir uns von dein Krieg 1870/71 erholt hatten, unsere Industrie sich entwickelte, unser Handel mit den übrigen Ländern aufblühte. Da kam der Krieg 1914/18, der das alles wieder zerstörte. Die damaligen Machthaber, die Schuldigen an diesem Kriege, verschwanden. Es kam die Republik, die auf demokratischer Grundlage aufgebaut war. Nur langsam gelang es der republikanischen Regierung, wieder das Vertrauen der übrigen Welt zu erringen. Leider blieb der jungen Republik nur 15 Jahre Zeit, viel zu kurz, um die demokratische Staatsidee fest im Volke zu verankern. Das deutsche Volk hatte den Wert der Demokratie noch nicht erkannt, deshalb haben wir die Demokratie verloren, weil das deutsche Volk noch nicht reif für sie war. [] Die Feinde der Demokratie, das war das ostelbische Junkertum, die Fürsten Grafen und Barone, die Großindustriellen und die Bankdirektoren, haben von Anfang an die demokratische Republik mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln bekämpft. Und als Hitler auftauchte und seinen Kampf gegen die Demokratie begann, sahen sie in ihm den Mann, der der verhaßten Republik den Garaus machen könnte. Sie stellten ihm Millionen zum Aufbau seiner Partei zur Verfügung. Damit konnte er durch eine beispiellose Propaganda, durch Lüge und Verleumdung, durch Fälschung geschichtlicher Tatsachen seinen Kampf um die Macht beginnen. [] So kam Hitler mit Hilfe der Reaktion, der kapitalistischen Kreise, zur Macht. Und was ihm an der Mehrheit fehlte, stellten ihm die bürgerlichen Parteien zur Verfügung. [] Am 23. März 1933, dem schwärzesten Tag in der deutschen Geschichte, fand die entscheidende Sitzung des Reichstages statt. In dieser Sitzung legte Hitler das Ermächtigungsgesetz vor. Es trug wie zum Hohn den Titel: [] "Gesetz zur Behebung von Not von Volk und Reich." [] Nach diesem Gesetz wurde Hitler die uneingeschränkte Macht, ohne jede Kontrolle, übertragen. [] Die "Deutschnationalen", von jeher eine reaktionäre Partei, hatten sich schon mit den Nazi verbunden. Aber auch alle übrigen bürgerlichen Parteien, das Zentrum, die Bayerische Volkspartei, die Deutsche Volkspartei usw. stimmten für dieses Gesetz. Damit sind sie mitschuldig an all der Not und dem Elend, in das das deutsche Volk verfallen ist. [] Die Sozialdemokratische Partei allein stimmte gegen das Ermächtigungsgesetz. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Wels rechnete scharf mit Hitler ab. Nur die letzten beiden Sätze die Rede seien hier zitiert. Wels sagte: [] "Die Verfassung von Weimar ist keine sozialistische Verfassung. Aber wir stehen zu den Grundsätzen des Rechtsstaates der Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes, die in ihr festglegt [!] sind. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. [] Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten, wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut, ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft!!!" [] Wie sehr sind diese Worte Wels' eingetroffen. Die Ideen des Sozialismus konnten nicht zerstört werden. Im Gegenteil, gestärkt sind wir aus diesen Kämpfen hervorgegangen. [] Die bürgerlichen Parteien haben aber nicht nur Hitler zur Macht verholfen, sie haben bei der Selbstauflösung ihrer Parteien ihre Anhänger auch aufgefordert, sich dem Hitlerregime zur Verfügung zu stellen. In der Erklärung des Vorstandes der Bayerischen Volkspartei wird am Schluß gesagt: "Durch die nationalsozialistische Revolution gibt es außerhalb der NSDAP. keine politische Wirksamkeit mehr. Es ist deshalb für jeden bisherigen Angehörigen der Bayerischen Volkspartei der Weg frei, unter der unmittelbaren Führung Adolf Hitlers am Aufbau des neuen Deutschland mitzuwirken." [] Aehnlich lauteten die Erklärungen des Zentrums und der Deutschen Volkspartei. Zehntausende Anhänger dieser Parteien sind diesen Aufforderungen gefolgt und sind tätige Mitglieder der NSDAP. geworden, und wenn sie heute darunter zu leiden haben, dann können sie sich bei ihren Parteiführern bedanken. [] Das 1000jährige Reich, das mit Hilfe der bürgerlichen Parteien aufgebaut wurde, ist nach zwölfjähriger Dauer zusammengebrochen. Was es hinterlassen hat, sind Schutt und Asche, Not und Elend in einem Ausmaße, wie es, so lange die Welt besteht, noch nicht vorhanden war. [] Sofort nach der Machtübernahme begann der größenwahnsinnige Hitler die Vorbereitungen für den Krieg. Von 1933 bis 1939 hat er nach seinen eigenen Worten über 92 Milliarden für Rüstungen ausgegeben. Von 1939 ab wurden fast alle europäischen Staaten überfallen und niedergerungen. Hitler glaubte schon als Welteroberer in die Geschichte einzugehen. Da kam bei Stalingrad die Wende. Amerika, England und Rußland hatten sich verbunden, um diesem Eroberer ein Ziel zu setzen, und es kam so, wie es kommen mußte. Die deutschen Truppen wurden trotz ihrer Tapferkeit und Hingabe aus Rußland vertrieben, der angeblich unüberwindbare Westwall zerschlagen und der Kriegsschauplatz auf deutschen Boden verlegt. Anstatt nun angesichts der sicheren Niederlage von der Regierung zurückzutreten, wurde der Kampf weitergeführt, die deutschen Städte und Dörfer in Trümmer gelegt und in den letzten Tagen noch von der SS durch Sprengungen von Brücken und Kanälen Milliarden von Volksvermögen zerstört. [] Die Sozialdemokratische Partei, die schon 1918 das unselige Erbe des Krieges liquidierte, stellt sich auch heute wieder zur Verfügung und will die Führung im Wiederaufbau unseres Vaterlandes übernehmen. Dazu braucht sie aber das Vertrauen des ganzen Volkes. [] Der Sozialismus ist heute nicht mehr das Schreckgespenst, als das er immer von unseren Gegnern hingestellt wurde. Er ist weder religionsfeindlich und will auch nicht den Bauernstand und den Handwerker vernichten. Im Gegenteil! In der sozialistischen Gesellschaft muß ein gesunder Bauernstand und lebensfähiger Gewerbestand vorhanden sein. Aber alle Zweige des Wirtschaftslebens, die dafür reif sind, müssen in das Eigentum der Gesellschaft überführt werden. Alle diejenigen Werte, vor allem die Bodenschätze an Kohle, Metallen, Mineralien, die für das ganze deutsche Volk von lebenswichtiger Bedeutung sind, müssen der Gewalt einzelner Unternehmer entzogen und in die Obhut der Gesamtheit übergeführt werden. Alles, was dem Einzelnen oder Unternehmergruppen ein Monopol geben könnte, mit dem er Druck ausüben könnte auf die Allgemeinheit, alles das gehört unter die Herrschaft des ganzen Volkes. [] In der ganzen Welt ist heute der Sozialismus auf dem Vormarsch. In England hat die Arbeiterpartei die große Mehrheit errungen. In Fankreich [!] [Frankreich], Oesterreich, in den skandinavischen Staaten, ja selbst in China und Japan wird die Sozialisierung durchgeführt. [] Will das deusche [!] [deutsche] Volk hier zurückstehen? Will es in der ganzen Welt als rückständig, nicht reif für die demokratische Staatsauffassung, angesehen werden? Das kann, das darf nicht sein. [] Deshalb deutsche Wähler, Männer und Frauen, zeigt am Tage der Gemeindewahlen, daß auch Ihr aus diesem völkermordenden Krieg gelernt habt, wählt die Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei mit dem Gelöbnis: [] "Nie wieder Krieg, nie wieder Diktatur!" [] Der Wahlausschuß der sozialdemokratischen Partei. [] Verantwortlich: Julius Loßmann, Nürnberg. [] Druck: Verlag F. Willmy G.m.b.H., Nürnberg, Winklerstraße 5.
Published:27.01.1946