Warum ... bin ich Sozialdemokrat [Serie] . Dr. Friedrich Beermann

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Dr. Friedrich Beermann [] wurde am 9. Oktober 1912 als Sohn eines deutschen Kaufmanns in Moskau geboren. Im Anschluß an das Abitur in Hamburg studierte er zunächst Jura, schlug dann jedoch die Offizierslaufbahn ein und war bei Kriegs...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Werbeagentur ARE (Harry Walter), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, Vorwärts-Druck, Bad Godesberg
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 28.09.1969
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/9CBF4935-1B0B-494C-8006-B9584340A175
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; warum [] Dr. Friedrich Beermann [] wurde am 9. Oktober 1912 als Sohn eines deutschen Kaufmanns in Moskau geboren. Im Anschluß an das Abitur in Hamburg studierte er zunächst Jura, schlug dann jedoch die Offizierslaufbahn ein und war bei Kriegsende Oberstleutnant und Kommandeur eines Artillerieregiments. Nach der Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Arbeiter, bis er 1948 sein Studium fortsetzen konnte. 1953 promovierte er zum Dr. jur. Als Rechtsanwalt war er seit 1955 zugleich militärischer Berater der SPD-Bundestagsfraktion. 1959 trat er als Oberst in die Bundeswehr ein. Seit 1968 ist er Brigadegeneral. [] Dr. Friedrich Beermann gehört der SPD seit 1947 an. 1957 wurde er in den Arbeitskreis für Sicherheitsfragen beim SPD-Parteivorstand berufen. [] ... bin ich Sozialdemokrat [] Ich komme - wie man so sagt - aus rechtsgerichteten Kreisen. Entsprechend war meine Erziehung und entsprechend hatte ich mich in meiner Jugend politisch orientiert. Als Neunjähriger kam ich auf die ehemalige Kadettenanstalt nach Potsdam, als Vierzehnjähriger warb mich ein Freund für den Tannenbergbund, als Sechzehnjähriger wurde ich Mitglied des Jungstahlhelms und als Einundzwanzigjähriger war ich, während des Wintersemesters 1933/34 als Jurastudent in Königsberg, Angehöriger der SA. [] Als ich 1946 aus der Gefangenschaft entlassen wurde, war ich 33 Jahre alt. Ich hatte keinen Zivilberuf erlernt und wollte weiterstudieren. Als ehemaliger aktiver Offizier wurde ich zum Studium vorerst jedoch nicht zugelassen. Zwar berührte mich das sehr, aber im Grunde war es etwas anderes, was mich damals innerlich zu zermalmen drohte. [] Wie war es gewesen? Ich war im Krieg vom ersten bis zum letzten Tag Truppenführer. Als junger Offizier trug ich die Verantwortung für die mir anvertrauten Soldaten. Wofür hatten wir gekämpft? Welchem Willen hatten wir uns gebeugt? Hatten wir wirklich nur unser Vaterland - wie wir glaubten - verteidigt? [] Ein paar Sätze aus einer Schrift, die ich 1946 verfaßt habe, bringen meine Empfindungen zum Ausdruck. Ich schrieb damals: "Das Offizierskorps ist nicht mehr ... Die Einsichtsvollsten haben die Enthüllungen über das Hitlerregime erkennen lassen, daß Hitlers Sieg den Untergang des Abendlandes mit seiner freiheitlichen Welt gebracht hätte . . . Die Deutschen, die jetzt, 1946, diese unsagbare Not erleiden, mögen bedenken, was Hitlers Sieg gebracht hätte: Die Vernichtung des christlichen Abendlandes, die restlose biologische Ausrottung zumindest der Juden. Wer will die Hand dafür ins Feuer legen, daß nach dem letzten Schuß nicht der Bau von Riesengaskammern eingeleitet worden wäre zur Vernichtung anderer Völker? Es ist wohl die bitterste Erfahrung, die der deutsche Soldat machen muß, nämlich mit der vollen Hingabe seiner Person für den Sieg gekämpft zu haben, der von einem Hitler-Deutschland nicht errungen werden durfte." [] Diese Einsichten haben sich dann später weiter vertieft und verstärkt, denn die bohrende Frage, wie das alles hatte geschehen können, blieb. Ich entsann mich der Flugblätter der SPD aus den dreißiger Jahren, in denen immer wieder vor Hitler gewarnt worden war, ich las viele zeitgeschichtliche Bücher und war fasziniert von Kurt Schumacher, der in der bittersten Not der Nachkriegszeit - trotz langer KZ-Jahre - uns jungen, aus der Bahn geworfenen Offizieren mit viel Verständnis gegenübertrat. Aber das war es nicht allein, wodurch ich zur SPD kam. [] Ich lebte damals als Arbeiter unter Arbeitern. So lernte ich die Zwänge und die oft demütigende Behandlung der lohnabhängigen Massen am eigenen Leibe kennen. Mir wurde klar, daß nur die gesellschaftliche Eingliederung der Arbeitnehmerschaft unserem Staat eine stabile Grundlage gibt. Seit jener Zeit zogen mich soziale Probleme an, und es war kein Zufall, daß ich ein soziologisch-juristisches Thema "Arbeitsschicksal und Gesetzesverletzung im Spiegel der Jugendkriminalität der Nachkriegsjahre" als Doktorarbeit wählte. Für die großzügige Hilfe, die mir dazu vom Deutschen Gewerkschaftsbund zuteil wurde, bin ich noch heute dankbar. [] Während meines Studiums versuchten wir - ein Kreis von gleichgesinnten Freunden - in nächtelangen Diskussionen, das dunkle Geschehen der jüngsten Vergangenheit aufzuhellen. Für mich stand - und steht - fest, daß die unselige Kluft zwischen der Sozialdemokratie und der Reichswehr, der bewaffneten Macht der Weimarer Republik, dem damaligen Staat den Todesstoß versetzt hatte. [] Als mich daher Ende 1954 der Parteivorstand aufforderte, die militärische Beratung der Bundestagsfraktion zu übernehmen, sagte ich sofort zu. Ich tat dies mit dem festen Willen, eine solche Entwicklung sich nicht wiederholen zu lassen. So wurde ich ein enger Mitarbeiter Fritz Erlers, dessen hohe politische und menschliche Qualitäten ich in jahrelanger Zusammenarbeit schätzen lernte und bei dem ich für meine - nicht immer ganz konformen - Auffassungen viel Verständnis fand. Die Arbeit als Assistent der Fraktion war für mich sehr interessant. Sie weitete meinen politischen Horizont über den militärischen Bereich hinaus. [] 1959 wurde ich wieder Soldat. Viele Motive waren hierfür ausschlaggebend. Ich war - trotz des leider erst nach dem Kriege in vollem Umfang erkannten Mißbrauchs, den Hitler und seine militärische Umgebung mit uns getrieben hatten - gern Soldat gewesen und strebte nun eine Betätigung an, in der politische Erfahrungen, militärisches Wissen und eine juristische Ausbildung zweckmäßig zu verwenden waren. Ich wurde nicht enttäuscht. Nach Beendigung des Regular Course 1959/60 am Command- and Generalstaffcollege in Fort Leavenworth/ Kansas, USA, wurde ich im November 1960 als Oberst i.G. in den Stab des Deutschen Militärischen Vertreters in Washington und 1963 als Heeres-, Luftwaffen- und Marineattache an die Deutsche Botschaft in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi versetzt. Der sechsjährige Aufenthalt in fernen Kontinenten machte mich nicht nur mit den großen politischen und strategischen Zusammenhängen dieser Welt vertraut, er gab mir auch tiefe Einblicke in die Denkweise anderer Völker. Immer mehr wurde mir klar, daß die großen Probleme dieser Zeit - die Bevölkerungsexplosion, der Hunger von Millionen, die Ausbreitung nuklearer Waffen mit dem möglichen Ergebnis der Totalvernichtung der Menschheit - nur gelöst werden können durch eine kluge, weit vorausschauende, verantwortungsbewußte Politik, die nicht nur die eigenen Probleme sieht und die anderer Nationen aus dem Bewußtsein verdrängt. [] So bin ich der Auffassung, daß wir alle dazu beitragen sollten, unser Verhältnis mit dem Osten zu normalisieren, weil nur dadurch die Voraussetzung für eine dauerhafte Friedensordnung in Europa gegeben ist. Dabei dürfen allerdings die Realitäten der Gegenwart nicht übersehen werden. Ich bin daher für eine funktionsfähige Bundeswehr in dem nach der Invasion der Tschechoslowakei beschlossenen Rahmen, die nicht zum Spielball antiparlamentarischer Zersetzungskräfte werden darf. Ihre Funktionsfähigkeit muß dadurch erhöht werden, daß unter anderem die Spitzengliederung nach den international bewährten Arbeitsmethoden und Grundsätzen geordnet, das gesamte Beförderungswesen durchsichtig gemacht und die Truppenführung mit größeren Enscheidungsbefugnissen als bisher ausgestattet wird. Ebenso wichtig ist auch, daß der bedrohliche Mangel an militärischen Führungskräften, insbesondere in den niedrigen Dienstgraden, endlich behoben wird. Dies wird durch materielle Anreize allein nicht gelingen. Es bedarf dazu vielmehr - überall - eines größeren Verständnisses für die der Bundeswehr gestellten Aufgaben. [] Anfang 1947 trat ich der SPD bei. Das bedeutete für mich einen Neubeginn nicht nur in meinem politischen Leben. Viele meiner Freunde verstanden mich damals nicht. Heute hat sich dies geändert. Manche sind Mitglieder, viele Wähler der SPD geworden. Sie haben erkannt, daß die Richtung stimmt. Sie auch? [] Ihr Friedrich Beermann [] Herausgeber: Vorstand der SPD, Bonn [] [Bildunterschriften:] [] Als Militärattaché in Neu-Delhi [] Meinungsaustausch mit Willy Brandt
Published:28.09.1969