Wählerinnen und Wähler!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; HERMANN SCHMIDT [] Burbach, August 1953 [] [] Wählerinnen und Wähler! [] Ich bitte Sie herzlich, diesen Brief nicht ungelesen beiseite zu legen, sondern mir zu gestatten, Ihre kostbare Zeit einige Minuten in Anspruch zu nehmen. Sie brauchen...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Westliches Westfalen, Westfalendruck, Dortmund
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 06.09.1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/6A5F3273-7784-4C41-9A13-F9B054C9FC72
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; HERMANN SCHMIDT [] Burbach, August 1953 [] [] Wählerinnen und Wähler! [] Ich bitte Sie herzlich, diesen Brief nicht ungelesen beiseite zu legen, sondern mir zu gestatten, Ihre kostbare Zeit einige Minuten in Anspruch zu nehmen. Sie brauchen dabei nicht zu befürchten, daß ich mich als der sozialdemokratische Bundestagskandidat unseres Wahlkreises Ihnen zur Wahl aufdrängen will. Ich möchte mich Ihnen nur vorstellen und einiges über die wesentlichen Aufgaben vortragen, die ich im Falle meiner Wahl als Auftrag unseres Wahlgebietes mit nach Bonn nehmen will. [] Ich bin 36 Jahre alt, evangelisch, verheiratet und im größten Werk des Siegerlandes als kaufmännischer Angestellter (Sozialreferent) tätig. Aus alter sozialistischer Familie stammend, sind mir als Arbeitersohn materielle Nöte und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten von Kindheit an äußerst vertraut. [] Vor 1933 noch haben die demokratische Schutzorganisation "Reichsbanner" und die Arbeitersportbewegung meine demokratisch-sozialen Grundüberzeugungen entwickeln helfen. Überzeugungen, die unausrottbar wurden und mit Kriegsende, nach Entlassung aus der Gefangenschaft, mich zu politischer Mitarbeit an der Neugestaltung des Lebens in unserer Heimat führten. [] Seit fünf Jahren - immer wieder gewählt -, darf ich als Amtsbürgermeister des Bezirkes Burbach wirken, seit mehr als drei Jahren auch im Landtag. [] Als besondere Aufgaben sähe ich als Siegerländer Abgeordneter im Bundestag für mich gegeben: [] 1. Heimatverpflichtete Abwehr der schon jetzt kritischen Auswirkungen der Montanunion (Kurzarbeit, Arbeitsplatzeinschränkungen) auf das Siegerland. [] 2. Volles Augenmerk überhaupt auf die Montanunionentwicklung hinsichtlich der Zukunft des Siegerlandes als eines Randgebietes der großen Industriezentren von Ruhr und Main. [] Die These vom sterbenden Siegerland darf nicht mehr aufkommen! Zu diesen Problemen wurde von den bisherigen Abgeordneten, die das Siegerland in den Bundestag entsandte, noch kein Wort gesagt. Darum braucht im besonderen seine Arbeiterschaft einen Vertreter in Bonn, der dort ihre Meinung und ihre Sorgen so laut kundtut, daß sie gehört werden. [] 3. Schutz unseres Siegerländer Siedlungs- und Wirtschaftsgebietes vor ungerechter oder unangemessener militärischer Raumbeanspruchung. [] Der EVG-Vertrag ist noch nicht in Funktion, aber schon werden Wünsche nach einem Truppenübungsplatz laut, bei dem - beginnend auf dem Westerwald - mindestens das ganze südliche Siegerland und Teile von Wittgenstein eingeschlossen würden und die Bevölkerung ausgesiedelt werden müßte. - Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß das Gosenbacher Truppenübungsplatzprojekt entscheidend durch den von mir vorgebrachten SPD-Einspruch vereitelt wurde. [] 4. Energisches Bemühen um eine befriedigende Lösung unserer heimischen Straßen- und Verkehrsprobleme mit Bundeshilfe. [] Bonn muß und kann in dieser wie in mancher anderen Hinsicht die finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände unseres verkehrsbedrängten Dreiländer-Grenzgebietes sehr viel stärker entlasten als bisher. [] 5. Verbesserung des Lebensstandards der Wittgensteiner Bevölkerung durch Aufteilung der Gutsbezirke und Ansiedlung von Industrie. [] Diese für den ganzen Kreis Wittgenstein entscheidenden und mittelbar auch das Siegerland berührenden Anliegen habe ich bereits im Landtag als Sprecher der SPD-Fraktion mit Nachdruck ausführlich und wiederholt begründet vorgetragen, allerdings ohne bisher die großgrundbesitzfreundliche Regierungsmehrheit in dieser Frage überwinden zu können. Um so notwendiger erscheint es mir, auch von der Bundesebene aus immer wieder auf eine fortschrittliche und planvolle Behandlung der Wittgensteiner Probleme zu dringen. [] 6. Allgemeine Sachwaltung und Interessenvertretung des Wahlgebietes mit seiner besonderen Struktur und der Bevölkerung mit ihren Wechselbeziehungen zu Industrie und Landwirtschaft. [] Daß unser heimatlicher Lebensraum an seinen Vertreter im Bundestag größere Anforderungen an wirtschaftlichem und sozialem Einblicksvermögen, kommunalpolitisch praktischer Erfahrung und zugleich parlamentarischer Bewährung und Energie stellen muß als anderswo notwendig, bedarf für Kenner dieses Raumes keiner Frage. [] Über diese in besonderem Maße wahlkreisgebundenen Aufgaben hinaus sehe ich meinen politischen Überzeugungen gemäß unter der Fülle parlamentarischer Anliegen folgende als unterstützungswürdigste an: [] die friedlich auf die deutsche Einheit in Freiheit und auf die Wiedergewinnung abgetrennter, rechtmäßig deutscher Gebiete hinzielen, [] die eine deutsche Politik des Friedens und der Verständigung auch für die gesamte Umwelt überzeugend machen, ohne wirkliche nationale Notwendigkeiten zu ignorieren, [] die die Wohlfahrt der breiten Volksmassen fördern und die Kriegsfolgen sozial ausgleichen unter besonderer Berücksichtigung namentlich der Heimatvertriebenen und irgendwie an Leib, Besitz oder Fürsorge Geschädigten (Hinterbliebene), [] die der Entwicklung einer besseren Gesellschaftsordnung dienen. [] Als Frontsoldat, der jahrelang das Kriegsgrauen in Rußland erlebte, brauchte ich meine leidenschaftliche Kriegsablehnung und Verurteilung engstirniger Gestrigkeiten nicht besonders zu betonen, wenn nicht Harsardeure [!] [Harsardeure], trübe Spekulanten und ewige Landsknechtsnaturen trügerisch im Namen ehemaliger Soldaten wieder unheilvolle Instinkte schürten, um die Nation erneut auf eine Bahn zu zwingen, von der es kein Zurück mehr gibt. [] Zur Warnung besteht aller Anlaß. Frauen, hört und befolgt auch Ihr diese Warnung! Eure Haltung hat im Kleinen wie im Großen entscheidendes Gewicht! [] Liebe Mitbürger im Wahlbezirk! [] Nach all diesem nur noch die eine Bitte: Erfüllen Sie am 6. September Ihre staatsbürgerliche Pflicht und wählen Sie! [] Wen Sie wählen sollen? - Jeder treffe seine Entscheidung so, daß er sie auch hernach, und sei es Jahre später, vor seinem Gewissen verantworten kann. [] [] Hermann Schmidt, Burbach [] Kandidat der SPD [] [] Herausgeber: SPD, Westliches Westfalen [] Druck: Westfalendruck, Dortmund
Published:06.09.1953