Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Herkunft: SPD-Landesvorstand Bayern, Signatur 76
Wienerinnen und Wiener! [] Am 25. November entscheidet Ihr wieder selbst über Euer Schicksal [] Nach 13 Jahren geht Ihr wieder zur Wahlurne, um über das künftige Geschick Eures vom Hitlerjoch befreiten Landes zu entscheiden [] Erinnert Euch, [] was die Sozialdemokratische Partei und die Arbeiter-Presse immer vorausgesagt haben: [] "Hitler ist der Krieg" - "Der Faschismus bedeutet den Untergang jeder Freiheit!" [] Dollfuß, Fey, Starhemberg und Schuschnigg waren die Wegbereiter der Hitler-Tyrannei in Österreich. Indem sie die demokratischen Rechte im Februar 1934 mit Kanonen zertrümmerten, rissen sie den einzigen Damm nieder, der die braune Flut aufgehalten hatte. Wäre Österreich (das, im Herzen Europas gelegen, eine Schlüsselstellung einnimmt) nicht eine allzu leichte Beute das preußischen Imperialismus geworden, dann hatte es wahrscheinlich keinen zweiten Weltkrieg gegeben. [] Diese Einsicht kommt heute leider zu spät. Wir müssen aber aus den Fehlern der Vergangenheit lernen! [] Nur die unbedingte Bejahung der Demokratie verbürgt den Frieden und den Fortschritt! [] Die Sozialistische Partei, [] aus dem Zusammenschluß der alten Sozialdemokratischen Partei und der jungen Bewegung der Revolutionären Sozialisten hervorgegangen, verlangt keinen Glauben an einen "unfehlbaren" Führer und verspricht nicht mehr, als sie halten kann. Aber das, was sie verspricht, wird sie auch halten. Hiefür [!] [Hierfür] bürgen die Taten, die eine sozialdemokratische Mehrheit im Wiener Rathaus vor 1934 vollbracht hat. [] Statt Kasernen, Festungen, Flugplätze usw. wurden in diesen Jahren des "Roten Wien" Wohnhäuser, Bäder, Kindergärten, moderne Zentralwäschereien usw. gebaut. [] Es wurden keine Kanonen, Flugzeuge und Panzer, sondern Büchereien, Parkanlagen, Spiel- und Sportplätze geschaffen. [] Für einen Bruchteil der Kosten, die nur ein Jahr Krieg verursachte, wurden: [] 60.000 gesunde Wohnungen gebaut, [] die Stadtbahn elektrifiziert, [] das Stadion geschaffen, [] die Straßenbeleuchtung ausgestaltet, [] die Wasser-, Strom- und Gasversorgung verbessert, [] die Müllabfuhr durch das Colonia-System modernisiert, [] die Straßen mit staubfreiem Belag instand gesetzt und gepflegt, [] die Feuerwehr zu einer der besten der ganzen Welt organisiert, [] die Säuglings-Wäscheaktion durchgeführt, [] die Kinder-Übernahmestelle und all die anderen Fürsorgeeinrichtungen ins Leben gerufen. [] Männer wie Prof. Tandler, Siegl, Glöckel, Speiser u. a. waren unablässig bemüht den Gesundheitszustand, die Wohnkultur und die geistige Entwicklung der Wiener Bevölkerung zu heben. [] Das Genie des Finanzreferenten Stadtrat Breitner schuf ein Steuersystem, das niemandem wehtat und doch die nötigen Mittel für alle Planungen bereitstellte. [] Die sogenannten "Breitnersteuern" waren im Vergleich zu den diversen Nazi-Erpressungsabgaben und "freiwilligen Spenden" für Hitlers Kriegsfinanzierung Lappalien, und jeder Steuerzahler bereute es tief, der je über Breitners gerechte Abgaben geschimpft hatte. [] Wie könnte unsere geliebte Vaterstadt heute aussehen, wenn es nicht einen Heimwehr- und Nazifaschismus gegeben hätte und diese Männer - mit Bürgermeister Karl Seitz an der Spitze - weiterwirken hätten können! [] In dieser Zeitspanne von elf Jahren hätte man mindestens 100.000 gesunde, schöne und moderne Wohnungen neu errichten können! Statt dessen wurde das Baumaterial und die Arbeitskraft für die Errichtung von Kasernen, Befestigungen, Luftschutzbunkern, Splittergraben usw. verwirtschaftet und vertan. [] Die von einer fortschrittlichen Verwaltung geschaffenen Werte, die allen Bewohnern unserer Stadt zum Segen gereichten, sind heute zum Großteil zerstört, verwüstet oder desorganisiert, weil die nazistischen Kriegsverbrecher einen aussichtslosen Kampf gegen die ganze Welt provozierten und mit den Parolen: "Totaler Krieg", "Städte ausradieren", "Sieg um jeden Preis!" usw. bis "Fünf Minuten nach Zwölf" fortsetzten, um ihr erbärmliches Leben etwas zu verlängern. Und dies alles, weil "Er", der Unbekannte Soldat des Weltkrieges, beschlossen hatte, Politiker zu werden, und es Dumme genug gegeben hat die auf den Schwindel des tausendjährigen Reiches und seiner Verkünder hineinfielen. [] Mit Schrecken sehen jetzt auf einmal alle, was falsche Politik und schlechte Propheten anrichten können! [] Ein großes Volk von 80 Millionen wurde dezimiert, seine Städte und seine Industrie wurden zerstört die Blüte der männlichen Jugend unter die Erde gebracht oder zu Krüppeln geschossen, Frauen, Kinder und Greise einem fürchterlichen Elend als Flüchtlinge preisgegeben. [] Doch fangen viele schon wieder an, zu vergessen, wenn sie sagen: "Politik interessiert mich nicht!" So begreiflich es ist nach all dem Erlebten, so verderblich kann eine derartige Einstellung zu den Dingen des Staatswohles für die Zukunft werden. Heute trägt jeder einzelne wieder selbst die Verantwortung für die kommende Entwicklung des staatlichem Lebens. Kein Führer, der "alles reiflich erwogen" und dem "die Vorsehung den Auftrag gegeben hat", entscheidet über das Geschick von Millionen. Ein jeder von uns kann mit seinem Stimmzettel an der politischen Gestaltung mitwirken, indem er solche Vertreter wählt, die ihm die Gewähr bieten, daß sich die Jahre 1934 und 1938 nicht mehr wiederholen. [] Die Sozialistische Partei [] die seit vielen Jahrzehnten unentwegt für die Rechte des arbeitenden Volkes in Stadt und Land eintritt und in allen Staaten der Welt für die gleichen Ziele kämpft, ist: [] die Partei des Friedens und der Völkerverständigung, [] die Partei des Fortschrittes und der Vernunft, [] die Partei der Menschenrechte und der Gerechtigkeit, [] die Partei aller arbeitenden Schichten des Volkes. [] Ihre Ziele sind: [] Eine Gesellschaftsordnung, in der es keine Ausbeutung und Unterdrückung gibt und in der jeder seine Fähigkeiten zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen kann; eine Arbeitszeit, die dem Stande der heutigen Technik angepaßt ist; Ausbau der sozialen Gesetzgebung (Alters- und Invaliditätsversicherung); Mitbestimmungsrecht in Betriebsangelegenheiten; kultureller Aufstieg und Bildungsmöglichkeiten für alle Schaffenden in Stadt und Land; Verbesserung der Wohnungsverhältnisse durch Bau von Volkswohnungen und Siedlungen; Verstaatlichung der Schlüsselindustrie als Voraussetzung einer zielklaren Planwirtschaft; Überwindung der Klassengegensätze als Vorbedingung des wahren Sozialismus. [] Wer muß ein Interesse an einer starken sozialistischen Mehrheit In allen Vertretungskörperschaften haben? Die Arbeiter und Angestellten, weil die Sozialisten immer für sie und ihren Aufstieg gekämpft haben und auch weiterkämpfen; die Angehörigen der freien Berufe (Lehrer, Ingenieure, Ärzte, Techniker usw.), weil nur der Fortschritt auf allen Gebieten ihren Interessen dient; [] die Arbeitsbauern und Landarbeiter, weil das Agrarprogramm der Sozialistischen Partei den Bedürfnissen aller Volksschichten dient und der Bauer erst wirklich den Lohn für seine Mühe erhalten kann, wenn die Verbraucher (und hier besonders die große Masse der Arbeiter) ein auskömmliches Einkommen besitzen; [] die Gewerbetreibenden und Kaufleute, weil nur eine kaufkräftige Arbeiterschaft auch ihren Verdienst und ihre Existenz gegen das Großkapital sichert; [] unsere Frauen und Mütter, weil die Sozialisten Militarismus und Krieg bekämpfen und sich immer als wahre Kinderfreunde erwiesen haben; [] die Jugend, weil der Sozialismus die Zukunft ist. [] Wenn Sie diese Schrift gelesen haben, dann nehmen Sie sich, bitte, die Mühe und versenden Sie sie an irgend einen Bekannten auf dem Lande, der nicht in der Lage ist, die Dinge klar zu sehen und zum Großteil noch unter anderem Einfluß steht. Die drei Pfennig Porto können zum Segen für alle werden. [] In diesem Zeichen werdet Ihr siegen! [] KEINE STIMME DARF VERLORENGEHEN! [] ALLE WÄHLEN: [] Sozialistische Partei Österreichs!
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