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Appell an den Bundestag [] Entschließung aller Fraktionen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik [] [] Die Mitglieder der Deutschen Volkskammer billigen die Erklärung des Ministerpräsidenten in der heutigen außerordentlichen Sitzung und beschließen den nachfolgenden Appell an den Bundestag der Bundesrepublik Deutschland. [] Über unsere Heimat ist eine drohende Gefahr heraufgezogen. Die Ereignisse der letzten Zeit beweisen, daß die Verweigerung eines Friedensvertrages für Deutschland, die weitere Fortsetzung der Remilitarisierung und die Aufrechterhaltung der Spaltung unseres Vaterlandes zum Kriege führen. [] Wird aber Deutschland in einen neuen Krieg hineingezogen, dann wird unsere Heimat zum Schlachtfeld, zu einer grauen Zone der Vernichtung, und Millionen deutscher Menschen, besonders der deutschen Jugend, werden zugrunde gehen. Das würde ein brudermörderischer Krieg Deutscher gegen Deutsche sein. [] Aber das ganze deutsche Volk, alle deutschen Menschen guten Willens wollen den Frieden und eine friedliche Lösung der Lebensfragen unserer Nation. [] Es ist das Recht und der Wille des Volkes, die Einheit Deutschlands wiederherzustellen, den Frieden zu erhalten und den wirtschaftlichen Aufbau zum Wohlergehen des Volkes zu sichern. Die Voraussetzung dazu ist, daß sich die Deutschen an einen Tisch setzen und eine Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland herbeigeführt wird. [] Dieser Wille des Volkes muß verwirklicht werden, ehe es zu spät ist, ehe aggressive imperialistische Kräfte unser Vaterland in die schlimmste Katastrophe stürzen. [] Die Schaffung eines einheitlichen demokratischen und friedliebenden Deutschlands kann durch freie demokratische Wahlen zu einer [] Deutschen Nationalversammlung gefördert werden. [] Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik ist der Auffassung, daß Wahlen zu einer Deutschen Nationalversammlung dringend notwendig und möglich sind, daß solche Wahlen unter gleichen Bedingungen für ganz Deutschland durchgeführt werden müssen, wobei für alle Staatsbürger die Freiheit und Gleichheit der Person, für alle demokratischen Parteien und Organisationen die gleiche Betätigungsfreiheit gewährt und gesichert werden müssen. Die demokratischen Parteien und Organisationen müssen das Recht haben, eigene Kandidatenlisten aufzustellen und nach eigenem Ermessen Listenverbindungen einzugehen und Wahlblocks zu bilden. [] Ebenso ist es das Recht und der Wille des Volkes, daß baldmöglichst ein Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen wird, der ihm wirkliche Souveränität und nationale Unabhängigkeit sichert und zum Abzug aller Besatzungstruppen führt. [] Gemeinsam mit allen deutschen Patrioten sind wir der festenÜberzeugung, daß die Verhinderung der Remilitarisierung und eine friedliche und demokratische Entwicklung den Interessen unseres eigenen Volkes wie den Interessen aller friedliebenden Völker Europas entspricht. [] Im Interesse des Lebens und der Zukunft der Nation wendet sich daher die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik mit dem Vorschlag an den Deutschen Bundestag, eine gemeinsame gesamtdeutsche Beratung der Vertreter Ost- und Westdeutschlands durchzuführen, die über zwei Aufgaben zu entscheiden hat: [] Erstens über die Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen mit dem Ziel der Bildung eines einheitlichen demokratischen und friedliebenden Deutschlands, [] und zweitens über die Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland. [] Wir unsererseits sind entschlossen, die Verhandlungen mit Vertretern Westdeutschlands im Geiste ehrlicher Verständigungsbereitschaft zu führen, und halten es für notwendig, die gesamtdeutsche Beratung baldmöglichst in Berlin, der Hauptstadt Deutschlands, durchzuführen. [] Berlin, den 15. September 1951. [] Die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik [] Das Präsidium: [] Johannes Dieckmann, Hermann Matern, Ernst Goldenbaum, Vincenz Müller, Gerald Götting, Friedrich Ebert, Grete Groh-Kummerlöw, Wilhelmine Schirmer-Pröscher [] Die Vorsitzenden der Fraktionen der Volkskammer: [] SED: Hermann Matern, LDP: Dr. Ralf Liebler, CDU; August Bach, NDPD: Vincenz Müller, DBD: Berthold Rose, FDJ: Heinz Keßler, FDGB: Herbert Warnke, Kulturbund: Erich Wendt, DFD: Erna Schäfer, VVN: Ottomar Geschke, VdgB: Friedrich Wehmer, Genossenschaften: Gerhard Lucht, SPD: Erich Geske [] [] An alle Deutschen! [] An alle deutschen demokratischen Parteien und Organisationen! [] Der Wille des deutschen Volkes nach Einheit und Frieden hat die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik veranlaßt, dem Bundestag der Deutschen Bundesrepublik den Vorschlag für eine gesamtdeutsche Beratung der Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik und Westdeutschlands zu machen. Die gesamtdeutsche Beratung soll folgende Aufgaben erfüllen: [] 1. Für ganz Deutschland freie, gleiche und geheime demokratische Wahlen für eine Nationalversammlung zur Schaffung eines einheitlichen, demokratischen, friedliebenden Deutschlands festlegen. [] 2. Den beschleunigten Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland und den darauffolgenden Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland verlangen. [] Schluß mit der Spaltung unseres Vaterlandes! Für ein friedliches Leben müssen wir uns auf friedlichem Wege vereinen. Deutschland braucht Frieden, aber keinen neuen Krieg; friedlichen Aufbau, aber keine Bomben und Zerstörungen. [] Die Volkskammer wendet sich an alle Deutschen, an alle demokratischen Parteien und Organisationen mit der Bitte, ihren Vorschlag über die Einberufung einer gesamtdeutschen Beratung zu unterstützen. Es darf den Gegnern der Einheit nicht gelingen, die Einheit und die Erringung eines dauerhaften Friedens für Deutschland zu hintertreiben. [] Fordert die Einberufung der gesamtdeutschen Beratung! [] Kämpft für die Einheit Deutschlands und den beschleunigten Abschluß eines Friedensvertrages! [] Es lebe das einheitliche, unabhängige, demokratische und friedliebende Deutschland! [] Deutsche an einen Tisch! [] Berlin, den 15. September 1951 [] Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik
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