Volk hab' acht!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken (ohne Punktion) im Volltext des Originals Volk hab' acht! Du stehst vor einer sehr ernsten Entscheidung. Von dir hängt es ab, ob der 14. September, der Tag der Reichstagswahl ein Ehrentag des schwerschaffenden Volkes werden soll oder der Beginn einer Zeit, in welc...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Vorwärts Buchdruckerei, Berlin
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 14.09.1930
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/B70CCD3F-5813-4683-A591-8D68C4F7B76F
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken (ohne Punktion) im Volltext des Originals Volk hab' acht! Du stehst vor einer sehr ernsten Entscheidung. Von dir hängt es ab, ob der 14. September, der Tag der Reichstagswahl ein Ehrentag des schwerschaffenden Volkes werden soll oder der Beginn einer Zeit, in welcher die hab- und machtgierigen Kapitalgewaltigen den Volksmassen die schmerzhaftesten Daumschrauben ansetzen. Demokratie und Sozialismus oder Diktatur und Kapitalismus! Darüber sollst du entscheiden. Nur einen ernsten Gegner haben die diktaturlüsternen Geldsackpolitiker: die Sozialdemokraten. Deshalb versuchen sie mit allen Mitteln die Aufputschung des Volkes gegen die Sozialdemokratie, der sie die Schuld an allem und jedem anhängen, worüber heute Unzufriedenheit herrscht. Aber sonderbar, in dieselbe Kerbe wie die Kapitalisten und deren journalistische Schildknappen hauen die Kommunisten und National"sozialisten". Gemeinsam brüllen sie: Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! Trotz dieses Ansturms aller Gegner ist die Sozialdemokratie seit vier Jahrzehnten die weitaus stärkste Partei geblieben. Sie wird auch in den neuen Reichstag als die stärkste deutsche Partei einziehen. Woher diese Kraft der Sozialdemokratie und warum der Haß gegen diese Partei der Männer und Frauen des deutschen Arbeitsvolks? Zehn Millionen politisch geschulter Männer und Frauen bekennen allen Verleumdungen zum Trotz: diese Sozialdemokratie denkt und plant und tut nichts anderes als Arbeit und Lohn, Wohnung und Bildung, sichere Existenz und Versorgung gegen alle wirtschaftlichen Schicksalsschläge für das ganze arbeitende Volk zu schaffen. Das ist unsere Kraft. Unsere Anhänger wissen und begreifen auch, daß wir trotz aller Mühe noch weit vom Ziele sind, weil Krieg und Niederlage des kaiserlichen Deutschland die deutsche Wirtschaft verwüsteten. Auch weil die Sozialdemokratie nie die entscheidende Macht im Staate hatte. Das Wort von der "sozialistischen Regierung" ist eine Lüge für die Dummen. In dem jetzt aufgelösten Reichstag standen den 152 Sozialdemokraten 340 Abgeordnete anderer Parteien gegenüber. Warum aber der leidenschaftliche Haß gegen die Sozialdemokratie? Alle Bevorrechteten, alle großen Herren der Industrie, der Bank, der Börse, des Handels, des Grundbesitzes wissen, daß die Sozialdemokratie deren Vorrechte beseitigen, die Ausbeutung abschaffen, die Bereicherung einzelner auf Kosten der Allgemeinheit unmöglich machen, die großen Kapitalisten stürzen und die sozialistische Herrschaft dem Arbeitsvolke aufrichten will. Darum hetzen alle kapitalistischen Parteien vom Zentrum bis zu den Deutschnationalen gegen die Sozialdemokratie. Darum schreiben alle kapitalistischen Zeitungen - und das sind neun Zehntel der ganzen deutschen Presse - gegen die Sozialdemokratie. Darum bezahlen gerissene Kapitalisten mit Millionen Mark eine sogenannte "Arbeiterpartei", die Hakenkreuzler, damit diese den Vormarsch der Sozialdemokraten aufhalten, Wahlrecht und Parlament und Republik zerstören und eine rein kapitalistische Diktatur aufrichten sollen. In grenzenlosem Unverstand rennen die Kommunisten gegen die Sozialdemokratie an. Sie glauben den asiatischen Steppensozialismus nach Deutschland verpflanzen zu können. Das ist ein Wahn, den nur politisch unreife Menschen ernst nehmen können. Die große Front der National"sozialisten" und Deutschnationalen, des Zentrums und aller anderen kapitalistischen Parteien führt diesen Wahlkampf mit der maskierten, aber für jeden politisch geschulten Menschen klaren Parole: zum Schutze kapitalistischer Vorrechte gegen die Sozialdemokratie! Wähler und Wählerinnen, erinnert euch: 21 Monate war die Sozialdemokratie unter dem Reichskanzler Hermann Müller in der Reichsregierung. Daß es dem Kabinett Hermann Müller gelungen ist, was sozialistenreine Regierungen vergeblich erstrebt hatten, den Rhein zu befreien, ist offenkundige Tatsache. Es war ein Sieg sozialistischer Außenpolitik über nationalistisches Geschrei in Deutschland und in Frankreich. Warum aber zerfiel diese Reichsregierung? Warum schieden die Sozialdemokraten im Frühjahr aus? Der Zentrumsführer Kaas behauptet: "aus Verantwortungsscheu". Er sagt die Unwahrheit. Die Sozialdemokratie wollte weiterregieren, um die Reichsfinanzen zu ordnen durch große Ersparnisse am Heeresetat, im diplomatischen Dienst, an den Riesenpensionen und durch Steuern auf Einkommen, Vermögen und Erbschaften der Leistungsfähigen. Das Zentrum und die übrigen Regierungspartelen lehnten diese sozialdemokratischen Forderungen ab. 21 Monate lang hatte die Sozialdemokratie alle Verschlechterungen der Sozialpolitik abgewehrt. Nun wollten endlich das Zentrum und die übrigen Regierungsparteien ihren Raub an den Erwerbslosen und Kriegsrentnern, an den Kranken und den Wöchnerinnen vollziehen und eine höhere Besteuerung der Aermsten durchsetzen. Weil sie das mit der Sozialdemokratie nicht konnten, sprengten sie im März die Reichsregierung und suchten sich Bundesgenossen bei der Rechten. Das ist die Wahrheit. Die sozialistenreine Regierung Brüning hat seitdem geradezu verwüstend gewirkt. Niemals war die Erwerbslosigkeit so hoch wie in diesem Jahr. Nie waren die Reichsfinanzen so zerrüttet wie unter dem "Fach"minister Dr. Moldenhauer. Zur Belohnung für sein Gastspiel von sechs Monaten sollte er eine lebenslängliche Pension von 30000 Mark jährlich erhalten. Alle bürgerlichen Parteien, einschließlich der Hakenkreuzler, treten im Gegensatz zur Sozialdemokratie für Riesenpensionen ein. Die sozialistenreine Regierung legte dann dem Reichstag die Gesetzentwürfe vor, die sie in einer Regierung mit Sozialdemokraten nicht verwirklichen konnte: Notopfer der Erwerbslosen: Trotz neuer Steigerung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung eine Verschlechterung der Bezüge, obwohl bei 3 Millionen Erwerbslosen die Unmöglichkeit, Arbeit zu erhalten, offensichtlich ist. Notopfer der Kranken: Einführung einer Gebühr für Ausstellung eines Krankenscheins und Zahlung eines Honorars an den Arzt trotz hoher Beiträge. Notopfer der Kriegsbeschädigten: Neue Renten sollen nicht mehr gewährt werden. Ersparnisse auf Kosten der Kriegsopfer. Notopfer der geringsten Einkommen: Eine Bürgerabgabe, eine Kopf- oder Negersteuer, weil [!] sie aus den Kolonialländern stammt, soll eingeführt werden. Jede Gemeinde soll auch den Ärmsten, der von der Lohnsteuer befreit ist, zur Steuer heranziehen können. Notopfer der kleinen Beamten: Die Sozialdemokratie hatte rechtzeitig, noch ehe die Finanzlage verzweifelt war, ein Notopfer aller Leistungsfähigen gefordert. Die Regierung machte daraus: Eine Freilassung aller auch der allerreichsten Kapitalisten vom Notopfer, weil diese feinen Patrioten sonst noch mehr Milliarden ins Ausland verschieben würden und dafür eine zusätzliche Besteuerung auch des bescheidensten Schaffners und Briefträgers. Notopfer der Ledigen: Auch eine sehr bedenkliche Steuer, besonders ungerecht für die Millionen erwerbstätiger Mädchen, die infolge des großen Frauenüberschusses und des geringen Verdienstes vieler junger Männer nicht zur Ehe kommen können. Erst unter dem Druck der Sozialdemokratie im Reichstage entschloß sich die Regierung Brüning widerstrebend zu einem kleinen Zuschlag von 5 v. H. auch auf die großen Einkommen. Dieses winzige Entgegenkommen änderte nichts daran, daß viele Millionen Volksgenossen geschädigt werden sollten und zudem nichts geschah, um die Wirtschaft anzukurbeln, um den Erwerbslosen endlich Arbeit zu beschaffen. Zudem leitete der Zentrumsminister Stegerwald einen großen Lohn- und Gehaltsabbau ein. Darum brachte die Sozialdemokratie die volksfeindlichen Pläne Brünings zu Fall [] Verfassungswidrig wollte der Zentrumskanzler seine Elendspläne durch Notverordnungen diktatorisch durchsetzen. Wieder war die Sozialdemokratie auf dem Posten. Sie brachte diese Notverordnungen am 18. Juli im Reichstag zu Fall. Darauf löste der Reichspräsident den Reichstag auf. Das Volk soll nun am 14. September entscheiden, ob es sich die Elendspläne gefallen lassen will. Inzwischen hat der Reichspräsident auf Vorschlag des Zentrumskanzlers Brüning neue Diktaturverordnungen erlassen. Sie sind ein lehrreiches Beispiel. Auch der dümmste nationalsozialistische und kommunistische Schreier<NZ>konnte jetzt begreifen, was Diktatur bedeutet: Massenarbeitslosigkeit, Stillstand des Geschäftslebens, Krisen und Zusammenbrüche überall, Massensteuern über Massensteuern, Raub an den Erwerbslosen und Kriegsrentnern, Besteuerung der Kranken, Offensive gegen das Arbeitsvolk und dessen Rechte auf der ganzen Linie. Weil solche politischen und sozialen Verbrechen mit Hilfe der Sozialdemokratie parlamentarisch nicht durchzusetzen sind, darum die Reichstagsauflösung, darum der Haß und der allgemeine Kampf gegen die Sozialdemokratie. Es gibt in Stadt und Land keinen Menschen mit redlicher Arbeit, der durch die Diktaturpolitik nicht geschädigt und bedroht würde. Und das alles ist erst ein Anfang, wenn die Reichstagswahlen nicht die Regierung Brüning wegfegen und eine Regierung des Arbeitsvolks bringen. Schon haben im Reichstage die Hakenkreuzler durch den Abg. Stöhr dem Zentrum eine Koalition anbieten lassen. Schon sammeln sich die kapitalistischen Parteien aller Art zu einem Block gegen die Sozialdemokratie. Rettung wird uns nur, wenn ihr, Männer und Frauen der Arbeit, Jungwähler, in einer Partei zusammensteht mit der Losung: Zertrümmert den Kapltalistenblock! - Stürzt die kapitalistische Steuerdiktatur des Zentrumskanzlers Brüning! - Schafft die Einheitsfront des deutschen Arbeitsvolks durch die große deutsche Massenpartei, durch die Partei des deutschen republikanischen Volksstaats, durch die antikapitalistische deutsche Sozialdemokratie! Wählt Liste 1 [] Verantwortlich: R Hauschildt, Berlin, Druck: Vorwärts Buchdruckerei, Berlin SW 68
Published:14.09.1930