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Rundschreiben an die Mitglieder der Landesorganisation Hamburg der S.P.D. [] Hamburg, 5. Mai. []Wels' Rede auf der Reichskonferenz [] Parteigenossinnen und -genossen! [] Auf der Reichskonferenz der Sozialdemokratischen Partei am 26. April 1933 im Sitzungssaal der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag sprach Parteivorsitzender Genosse Otto Wels über die politische Situation und die Stellung der Sozialdemokratie. Genosse Otto Wels führte in der Hauptsache das Folgende aus: [] Namenloses Leid ist in den letzten Wochen über zahllose sozialdemokratische Genossen und Funktionäre gekommen. Aber dieses persönliche Leid ist nichts im Verhältnis zu der Katastrophe, die die ganze Arbeiterbewegung betroffen hat. Es ist verständlich, daß jetzt zu allererst nach dem Warum und Wieso dieses Unglücks gefragt wird und daß die Ursachen auch gesucht werden im persönlichen Versagen einzelner. Wo persönliches Versagen festgestellt werden kann, müssen die Konsequenzen gezogen werden. Doch wäre es kurzsichtig, die Ursachen nur in Fehlern einzelner Personen zu suchen. Wer die Dinge so betrachtet und wer glaubt, alles wäre heute in bester Ordnung, wenn man seinem Rat gefolgt wäre, der unterschätzt die tiefen Kräfte, die diesem Weltgeschehen zugrunde liegen. Es war die Arbeiterklasse selbst, die den ungeheuren Problemen der Zeit noch nicht gewachsen war, und die sich spaltete, als Einheit mehr geboten war denn je. [] Die Sozialdemokratie hat seit 1918 Gewaltiges geleistet. Sie hat nichts zu verleugnen oder abzuschwören. Schließlich aber hat sie die Weltwirtschaftskrise vor eine Aufgabe gestellt, der sie ebensowenig gewachsen war wie bisher irgendeine andere Macht der Welt. Wir wissen als wissenschaftlich geschulte Sozialisten, daß es gegen die Arbeitslosigkeit ein Universalmittel nicht gibt und daß sich die Umgestaltung der Wirtschaft zu vernünftigeren Daseinsmöglichkeiten für die Menschheit nur in schwersten Kämpfen vollziehen kann. Aber der Masse der leidenden Menschen war mit einer wissenschaftlichen Erkenntnis nicht gedient, sie konnte für unsere nüchterne, sachliche, nur schrittweise zu Erfolgen führende Politik kein Verständnis gewinnen. Daraus ergab sich die große Chance für den Nationalsozialismus, die wir unterschätzt haben. Wir haben uns mit dem Spruch getröstet: "Deutschland ist nicht Italien." Wir dürfen jetzt nicht in den umgekehrten Fehler verfallen und uns dem fatalistischen Glauben hingeben, es müßte in Deutschland alles so kommen, wie es in Italien gekommen ist. Eine Wendung ist weder von zwangsläufigen Ereignissen der Wirtschaft noch von der Außenpolitik her zu erwarten. Der Nationalsozialismus hat allerdings nicht die Macht, die Weltwirtschaftskrise für Deutschland zu beenden oder die außenpolitischen Folgen des verlorenen Krieges zu beseitigen. [] In der Wirtschaftslage kann von einer wesentlichen Veränderung zum Besseren bisher keine Rede sein. Die Tendenzen zum Besseren und Schlechteren gehen stark durcheinander. Dem Antrieb, der von der Ausführung öffentlicher Arbeiten ausgeht, stehen wirtschaftliche und politische Störungen aller Art entgegen; eine mögliche Besserung wird sich nur sehr langsam durchsetzen. Das amerikanische Dollarexperiment ist eine neue Beunruhigungsquelle und erschwert die Entwicklung des internationalen Handelsverkehrs. Die Verzweiflung über den Grad der kapitalistischen Krise läßt überall die Neigung zu Experimenten auf dem Gebiete der Währung wachsen. Damit können kleine Vorzugsstellungen gewonnen werden. Aber die Krisenüberwindung wird nur erschwert. Der Erholungsprozeß wird desto langsamer sein, je mehr er durch politische Unruhe in der Welt gehemmt wird. [] Außenpolitisch ist die Lage alles andere als rosig, Deutschland ist wie während des Weltkrieges isoliert. Der Haß, der damals Deutschland umbrandete, hat es in die Niederlage gejagt und ihm den Gewaltfrieden von Versailles aufgezwungen. Seitdem hatten wir uns bemüht, diese Flut des Hasses zurückzustauen und dem deutschen Volke den Rang einer gleichberechtigten und gleichgeachteten Nation zurückzugeben. Heute, und besonders seit dem Tag des Judenboykotts, scheint dieses Werk völlig zerstört. Rapallo ist gewesen, Rußland nähert sich Frankreich und Polen, die Machtstellung Frankreichs verstärkt sich. Mit größter Begeisterung ist in Paris die Debatte im englischen Unterhaus vom Gründonnerstag aufgenommen worden, die alle Parteien des englischen Parlaments zu einer Front gegen Deutschland vereinigte. Aehnliches gilt für den Sieg, den der österreichische Bundeskanzler Dollfuß errungen hat, indem er nach Rom fuhr, um Mussolini gegen den Anschluß Oesterreichs an Deutschland festzumachen. Woher eine Friedensrevision durch freiwillige Verständigung kommen könnte, ist nicht zu sehen. Gewaltsame Lösungen verbieten sich aber von selbst. Auch Hitler hat gesagt, daß Deutschland mindestens zehn Jahre Frieden braucht. Auf keinen Fall dürfen wir damit rechnen, daß eine Wendung von außen her nach Deutschland hineingetragen werden könnte. Es war das Unglück der Republik, daß sie nicht der eigenen Kraft des Volkes entsprang, sondern ein Kind der Niederlage war. Niemals wird dem deutschen Volk seine Freiheit auf den Spitzen fremder Bajonette entgegengebracht werden. Es muß sie selber wollen und erkämpfen. [] Wir deutsche Sozialdemokraten haben viel geleistet und für unser Volk ungeheure Opfer gebracht. Wenn wir international sind, so sind wir das nicht gegen unser Volk, sondern gerade unserm Volke zuliebe, da wir erkennen, daß das Wohl unseres Volkes nicht in feindlicher Absperrung, sondern nur in gemeinschaftlicher Arbeit mit andern Ländern zu finden ist. Wie wollen die Nationalsozialisten das internationale Finanzkapital bekämpfen, wenn nicht durch den internationalen Zusammenschluß aller antikapitalistischen Kräfte der Welt? Daß man die internationale Ausbeutung international bekämpfen muß, ist der große Gedanke unserer Maifeier, die aus dem Kampf um den Achtstundentag geboren ist. Diesem Maigedanken, dieser internationalen Gesinnung bleiben wir treu. Das zu betonen ist gerade mir wichtig, zumal mein persönlicher Austritt aus dem Büro der Internationale vielfach falsche Ausdeutungen erfahren hat. Wir bleiben international aus Liebe zu unserm eigenen Volk. [] Eine Wende kann nicht kommen aus der Zwangsläufigkeit der Wirtschaft oder der Außenpolitik, sie kann nur kommen aus geistigen und sittlichen Kräften, die in unserm Volke selbst enthalten sind. Die Tatsachen der Machtpolitik können unser taktisches Verhalten beeinflussen, aber niemals können sie etwas an unserer Gesinnung ändern, es sei denn, daß sie uns in unserer Gesinnung bestärkten. Eine geistige Unterwerfung und Anpassung darf es für uns nicht geben. Wir dürfen nicht tun, als wäre der Unterschied zwischen den Nationalsozialisten und uns gar nicht so groß. O nein, er ist ungeheuer groß! [] Wir Sozialdemokraten stehen zu den Ideen des Rechtsstaates, zu der staatsbürgerlichen Freiheit und Gleichberechtigung, zu den Ideen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Und wir halten diejenigen unter uns nicht für besonders klug, die jetzt vom totalen Staat reden und von veralteten liberalistischen Gedankengängen. Wenn die liberalistischen Gedanken heute nicht mehr ganz jung sind, so sind die antiliberalistischen bestimmt noch viel älter. Und der totale Staat? Haben wir ihn nicht in der Zeit des Absolutismus gehabt, haben wir ihn nicht in der Zeit des Weltkrieges gehabt und haben sich nicht noch immer die Massen von diesem totalen Staat, dieser staatlichen Allmacht zum Recht der Persönlichkeit, zu den Menschenrechten hingesehnt und durchgekämpft? Was man die veralteten liberalistischen Ideen nennt, das sind die Lehren von Kant, Fichte und Hegel, die nach einem berühmten Wort von Engels ebenso zu den Vätern der deutschen Arbeiterbewegung gehören wie die großen Utopisten des Sozialismus. Echter Sozialismus ist Verwirklichung des Humanitätsideals, ist nicht denkbar ohne geistige Freiheit, und eine Partei, die aufhören würde, für das gleiche Recht aller Staatsbürger ohne Unterschied der Konfession und der Rasse zu kämpfen, würde den Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands nicht mehr tragen dürfen. [] Ich kann mir nicht denken, daß die Kameraden in den Gewerkschaften in diesem entscheidenden Punkte anderer Meinung sein könnten als wir. Die Gewerkschaften haben vor allem die Aufgabe, für die materiellen Interessen der Arbeiter und Angestellten zu wirken. Sie haben das jahrzehntelang in brüderlicher Verbundenheit mit uns und nicht ohne Erfolg getan. Daß in einer Zeit vorübergehender Konjunktur im geschlagenen Deutschland höhere Löhne und Sozialunterstützungen gezahlt werden konnten als in den meisten Siegerländern, war ihr und unser gemeinsames Werk. Wir haben aber auch in den großen Fragen der Weltanschauung zusammengestanden und damit der Arbeiterklasse gemeinsam gedient. Sollte sich daran etwas ändern, so würde das für jeden von uns ein erschütterndes Erlebnis sein; aber an unserer Ueberzeugung ändern würde es nichts. [] Unsere Organisationen, die politischen wie die gewerkschaftlichen, sind entstanden aus einer gemeinsamen großen Idee. Es kann nicht so sein, daß erst eine Organisation da ist und dann eine Idee dazu kommt, sondern erst muß die Idee da sein, und wenn diese Idee stark und zukunftsträchtig ist, dann bildet sich aus ihr die Organisation. Es wäre ein hoffnungsloses Unternehmen, wenn man das Leben der Organisation durch Preisgabe der Idee zu erkaufen versuchte. Ist die Idee preisgegeben, dann stirbt auch die Organisation. Aber wird die Organisation durch Kräfte von außen zerschlagen, dann bleibt immer noch in Millionen Köpfen und Herzen die Idee, und sie sichert auch die Wiedergeburt der Organisation. [] Noch niemals hat ein Regierungssystem ewig gedauert. Für jedes besteht die Frage, von welchen Kräften es einmal abgelöst werden wird. Das ist in diesem Fall eine Frage zwischen demokratischem Sozialismus und Bolschewismus. Die Sozialdemokratie kann auf den ideologischen Widerstand gegen die heute herrschende Gedankenrichtung nicht verzichten, das wäre ein Verzicht nicht nur zugunsten des jetzt herrschenden Systems, sondern schließlich auch ein Verzicht zugunsten des Kommunismus. Weder von dem einen noch von dem andern kann die Rede sein. Mögen einzelne auch versagt haben, die Geschichte unserer Zeit wird von einem stillen Heldentum der Zehntausende erzählen. Auf dieses Heldentum wollen wir unsere Blicke richten und, solange unsere Kräfte reichen, ihm nachstreben, dann werden wir unsere große heilige Idee und damit die Kraft unserer Bewegung über den reißenden Strom der Zeit zu den Ufern einer besseren Zukunft hinübertragen und allem die Stirn bieten, was auch da kommen mag. [] Als Willensausdruck der Reichskonferenz wurde die nachstehende Entschließung angenommen: [] "Dem Sozialismus und dem arbeitenden Volke zu dienen, ist und bleibt die Aufgabe der Sozialdemokratischen Partei. Die internationale Verflechtung der kapitalistischen Welt mit all ihren Erscheinungen der Unterdrückung und Ausbeutung tritt heute klarer denn je zutage und rechtfertigt die Ueberzeugung, daß der Kampf gegen diesen Kapitalismus nur international geführt werden kann. [] Die Sozialdemokratie beharrt bei der Ueberzeugung, daß es ohne geistige Freiheit und staatsbürgerliche Gleichberechtigung einen wirklichen Sozialismus nicht gibt. [] Gesinnungsloses Ueberläufertum verfällt mit Recht der allgemeinen Verachtung. Durch unerschütterliches Festhalten an ihren Grundsätzen und Ausnutzung der gegebenen gesetzlichen Möglichkeit zu ihrer Betätigung dient die Sozialdemokratische Partei Deutschlands der Nation, und dem Sozialismus." [] Die zweite Phase der Revolution [] Am Morgen nach dem 1. Mai hat die nationalsozialistische Partei einen vernichtenden Schlag gegen die freien Gewerkschaften in ihrer bisherigen Eigenart und Bedeutung geführt. [] Alle Spekulationen über ein künftiges Gewerkschaftsgesetz, über den möglichen Ausgang von Verhandlungen zwischen den freien Gewerkschaften und der NSBO. sind durch eine revolutionäre Handlung über den Haufen geworfen worden. Ein Aktionsausschuß, an dessen Spitze Dr. Ley steht, hat mit Hilfe der NSBO. sich des ADGB. und des Afa-Bundes mit ihren angeschlossenen Verbänden bemächtigt. Die Führer sind beseitigt und zum Teil verhaftet, die Angestellten sollen weiterarbeiten, die Miglieder [!] sollen bleiben - nur daß der ADGB. und die ihm angeschlossenen Verbände mit ihren gesamten Einrichtungen, und ihrem ganzen Vermögen künftighin von Nationalsozialisten geführt werden. An die Stelle des Geistes gewerkschaftlicher Solidarität, wie ihn die bisherige Führung des ADGB. verstanden hat, tritt der neue Geist des Nationalsozialismus. [] Eine so umfassende Aktion - man spricht von der zweiten Phase der Revolution - ist natürlich eingegliedert in den Gesamtplan der nationalsozialistischen Partei. Adolf Hitler hat diese neue Phase der Revolution den am 1. Mal versammelten Arbeitern und Gewerkschaftsmitgliedern nicht offen verkündet, aber er hat sie erkennen lassen, als er von dem Entschluß sprach, die Klassen zu einander zu zwingen, wenn sie nicht freiwillig wollen. [] Darin und in der Polemik gegen den Marxismus lag ein Vorausblick auf die Aktion, die am 2. Mai morgens eingesetzt hat. Wie ein Korrespondenzbureau erfährt, ist der von Dr. Ley geführte Aktionsausschuß auf Grund von Anweisungen Hitlers gebildet worden. Der Gesamtplan ist, über den Klassen den totalen Staat zu errichten, das neue soziale Recht von oben zu verkünden und demzufolge keine wirtschaftlichen und sozialen Organisationen in ihrer alten Form weiterbestehen zu lassen, die bisher Machtorganisationen gewesen sind. Die ganze Macht, auch die ganze soziale Macht, soll künftig einzig und allein beim Staat konzentriert sein. [] Das Organ der christlichen Gewerkschaften spricht davon, daß nur die freien Gewerkschaften geistig geköpft seien. Das ist es nicht allein; es handelt sich vielmehr um einen Wandel der Funktion. Sicher wird dieser Funktionswandel in dieser und jener Form auch andere gewerkschaftliche Organisationen und soziale Organisationen erfassen, vielleicht auch Unternehmerorganisationen, die bisher als Machtgruppen neben dem Staat gestanden haben. So steuert die konsequente Praxis des Nationalsozialismus immer klarer auf einen völlig neuen Staatsaufbau, in dem die Staatsmacht auf berufsständischer Grundlage ruhen soll, wobei aber der totale Staat selbst keinerlei Organisationen neben sich duldet, die Macht bedeuten oder Macht werden könnten. [] Das freie Spiel freier Mächte neben dein Staat geht damit zu Ende. Es gibt immer noch starke Reste früherer Machtgruppen aus der Zeit des freien Kräftespieles; aber es ist kein Zweifel, daß die Idee des totalen Staates sich über kurz oder lang auch gegen sie wenden wird. [] Der Reichskanzler hat die Anweisungen für den Aktionausschuß gegeben. Seine unmittelbar führende Rolle tritt dabei wieder auf das stärkste hervor. Das Reichskabinett wird die Folgerungen aus der neu geschaffenen Lage ziehen und billigen , was geschehen ist. Der Reichskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik - nie hat dieser Satz eine so klare Bedeutung und einen so klaren Inhalt gehabt wie heute. Der totale Staat ist im Grunde genommen in dieser Anwendung des Satzes schon verkörpert. Die Arbeiter an einer geschriebenen Verfassung werden nur nachzeichnen, was direkt geschaffen wird. Denn die nationalsozialistische Revolution geht immer noch weiter! [] Das Aktionskomitee für die Durchführung der Maßnahmen gegen die freien Gewerkschaften, das unter Führung des Präsidenten des Preußischen Staatsrats Ley steht, umfaßt weiter den Reichstagsabgeordneten Schmer als Stellvertreter, Schumann als Kommissar für den ADGB., Muchow als Organisationsleiter, Peppler als Kommissar für den Afa-Bund, Bankdirektor Müller für die Arbeiterbank und Biallas als Beauftragter für Propaganda und Presse sowie Brinkmann für das Kassenwesen. [] Außer den beiden Vorsitzenden Leipart und Graßmann sind bei der Aktion gegen die freien Gewerkschaften vom A D G B. u. a. Leuschner, Eggert, Heßler, Schlimme, Furtwängler, Maschke, Dr. Arons, Engelhardt, Seidel, Welke und Neh in Schutzhaft genommen worden. Der am Dienstag verhaftete Schriftleiter der "Arbeit", Lothar Erdmann, wurde am Mittwoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Verhaftung Furtwänglers erfolgte wegen Verdachts des Landesverrats. In seinem Schreibtisch wurden Briefe der Gewerkschaftsinternationale gefunden, die Furtwängler vor langer Zeit erhalten hat. [] Das Vorstandsmitglied des Verbandes sozialer Baubetriebe, Rohde, ist in Schutzhaft genommen worden. [] Die Auflösung des Afa-Bundes, die Ende voriger Woche von einer Reichskonferenz beschlossen wurde, wird vom Aktionskomitee zum Schutz der nationalen Arbeit nicht anerkannt. Der frühere Vorsitzende Aufhäuser ist in Schutzhaft genommen worden. Ebenfalls verhaftet wurde der Leiter des Berliner Afa-Bundes und Vorsitzende der sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion Flatow. [] Stahlhelm und die DNVP. [] Die Deutschnationale Partei hat den Bundesführer des Stahlhelms, Franz Seldte, der zur Nationalsozialistischen Partei übergetreten ist, aufgefordert, sein Reichstagsmandat niederzulegen. Seldte wird dieser Aufforderung nicht entsprechen. Er vertritt die Auffassung, daß er sein Mandat nicht von der Deutschinationalen Volkspartei, sondern von der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot erhalten hat und die Deutschnationale Partei nur einen Bestandteil dieses Blocks bildete. [] Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Dr. Eduard Stadtler hat in einem Telegramm an den Bundesführer des Stahlhelms, Reichsarbeitsminister Seldte, um Enthebung von seinen Pflichten als Mitglied des Bundesvorstandes und als Führer des Stahlhelm-Studentenringes Langemarck gebeten. Stadtler begründet seinen Schritt damit, daß er zwar den politischen Kurswechsel der Unterordnung unter Hitler für richtig halte, aber mit der Form des Vorgehens gegenüber dem zweiten Bundesführer, Oberstleutnant a. D. Duesterberg, und andern hochverdienten Führern des Stahlhelms nicht einverstanden sei. [] Die "Tägliche Rundschau" vom 28. April meldet: [] Eine Stellungnahme der Redaktion zum Fall Düsterberg ist im größten Teil der Auflage dieses Blattes erschienen, mußte jedoch für den Rest der Auflage auf Ersuchen der amtlichen Stellen ausgewechselt werden." [] Der "Tag der nationalen Arbeit" [] Die Feiern, die zu Ehren des "Tages der nationalen Arbeit" am 1. Mai im ganzen Reiche stattfanden, wiesen eine überaus starke Beteiligung auf. Nicht allein in den Städten, wie bisher, nein auch im kleinsten Dorfe fanden entsprechende Feiern statt. Man könnte vielleicht sagen, daß das Zustandekommen solcher Demonstrationszüge -und Feiern eine propagandistische Leistung ersten Ranges sei, jedoch wir wissen, die Größe der Feiern war nicht allein durch die Propaganda besimmt [!], sondern große Massen von Arbeitern waren alles weniger als mit dem Herzen dabei. Sie, die in früheren Jahren mit freudiger Begeisterung in den Demonstrationszügen marschierten, hatten diesmal vielfach ganz andere Gedanken. Wir nennen hier nur die ungezählten Staatsarbeiter, Angestellten -und Beamten sowie auch die Arbeiter und Angestellten der verschiedenen Privatbetriebe. Ihre Teilnahme war keine frei gewählte, da heute ja sonst viele befürchten müßten, ihre Existenz aufs Spiel zu setzen. [] Wenn am 1. Mai so außerordentlich stark besuchte Feiern zustande kamen - Kundige sind im Bilde darüber, wie das möglich war, haben doch alle die, die in den Vorjahren Gegner der Maifeier waren, in diesem Jahre zur Beteiligung aufgerufen: Handwerksmeister, Kleingewerbetreibende, Großkaufleute, Klein- und Großunternehmer. Sie alle haben auf einmal entdeckt, daß man die Arbeiter ehren muß. Sie haben infolgedessen alles aus ihren Reihen auf die Beine gebracht, um den Tag der nationalen Arbeit auf ihre Weise zu begehen. Die Begründung, all diese Leute hätten sich in den früheren Jahren deshalb von der Maifeier ferngehalten, weil sie ein Tag des Hasses und der Zerreißung des Volkes gewesen sei, ist falsch. Die Arbeiter sangen auch in früheren Jahren bei ihren Maizügen: [] Nicht predigen wir Haß den Reichen, [] nur gleiches Recht für jedermann. [] Aber das war ja gerade das Entscheidende, daß man das gleiche Recht für die Arbeiterklasse nicht anerkennen wollte. Wir sind gespannt darauf, wie für die Zukunft dieses gleiche Recht gestaltet werden soll. [] Der Tag der nationalen Arbeit hatte nicht für alle Festteilnehmer den gleichen Sinn. Bei vielen wird das Motto: "Achtet die Arbeit und ehret den Arbeiter" ein Lippenbekenntnis bleiben. Und wenn es sich um die Verteilung des aus der Arbeit entspringenden Mehrwertes handelt, dann werden sich die Geister scheiden. Der Arbeitgeber wird der Meinung sein, er komme zu kurz dabei, und der Arbeiter wird, wie bisher, das Empfinden haben, daß er ausgebeutet werde. Wir wollen ihnen zugestehen, daß es auch Festteilnehmer gegeben haben mag, die einen etwas gerechteren Standpunkt einnehmen, und wir wollen einmal annehmen, daß die Reichsregierung die beste Absicht hat; jedoch Absichten und Existenzkampf sind nicht immer miteinander in Einklang zu bringen. Und so werden sich also, wenn die Festtagsstimmung verflogen ist, die Gegensätze zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden erneut auftun. [] Was uns aber an dem Tage der nationalen Arbeit insbesondere interessierte, war, zu hören, wie auf wirtschaftlichem Gebiet nun unsere Zukunft gestaltet würde. Reichskanzler Hitler sprach auf dem Tempelhofer Felde am Schlusse seiner Rede über dieses Problem. Er kündigte für das erste Jahr des Vierjahresplanes die Durchführung der Arbeitsdienstpflicht an. Was er gegen den Marxismus gesagt hat, wollen wir keiner Kritik unterziehen. Wir wollen nur feststellen, daß alles das, was uns jetzt als "Marxismus" von den Gegnern vorgesetzt und vorgehalten wird, mit dem wahren Marxismus, so wie ihn unsere Partei stets vertreten und wie ihn der geschulte sozialistische Arbeiter verstanden hat, nicht das geringste zu tun hat. [] Wir haben aus der Rede des Reichskanzlers ferner vernommen, daß das weitere Ziel der Regierung sei: Befreiung der schöpferischen Initiative von den verhängnisvollen Einwirkungen majoritafiver Beschlüsse nicht nur im Parlament, sondern auch in der Wirtschaft. Obgleich dieser Satz nicht klar umreißt, was damit gemeint ist, dürfen wir aber doch den Schluß ziehen, daß auch in der Wirtschaft an Stelle der Verständigung die Diktatur treten soll, und wenn am Schlusse dieses Teils der Rede von einer Korrektur der Bedeutung der Verträge gesprochen wird, so könnte man darunter verstehen, daß das Tarifvertragswesen eingeschränkt werden soll. [] Als dritter Grundsatz für das erste Jahr des Vierjahresplanes gab der Reichskanzler den Willen kund, dem deutschen Bauern als der Wurzel des nationalen, völkischen und wirtschaftlichen Lebens in erster Linie zu helfen; denn von ihm gehe der Weg weiter zum Arbeiter und zur Intelligenz. Wir können uns allerdings nicht denken, wie der Bauer gesunden soll, wenn der Arbeiter nicht kaufkräftig ist, und nach unserer Auffassung ist die Konsumkraft der breiten arbeitenden Massen das erste Erfordernis zur Gesundung des Bauernstandes, den auch wir ebenso dringend wünschen wie die Reichsregierung. [] Der vierte Punkt galt der Instandsetzung der deutschen Häuser und Wohnungen, um damit Hunderttausenden Arbeit zu schaffen. Hier deckt sich auch unser Wunsch mit dem der Reichsregierung hundertprozentig, und wir werden, gleich ihr, alle diejenigen Hausbesitzer, die irgendwie Mittel zur Verfügung haben, aber sie nicht zur Instandsetzung ihrer Häuser und Wohnungen benutzen, als Landesverräter brandmarken. Es ergibt sich nun eine Frage: Werden auch die kleinen Hausbesitzer die notwendigen Mittel dafür haben und, wenn nicht, woher bekommen sie diese? [] Der fünfte Punkt des Programms betraf die Instandsetzung des Landstraßennetzes. Auch wir wünschen dringend, daß das Problem energisch in Angriff genommen wird; denn viele der deutschen Straßen sind noch schlecht genug. Aber auch hier entsteht wieder die Frage: Wie werden die Mittel dafür beschafft? Vorläufig hörten wir nichts darüber. Gerade dieses aber ist die wichtigste aller Fragen. Gerade hieran sind bisher alle Arbeitsbeschaffungspläne gescheitert. An Plänen und Programmen, die an sich technisch durchführbar und volkswirtschaftlich zweckvoll waren, hat auch bisher schon kein Mangel geherrscht. Aber die Finanzierung - das war stets der springende Punkt. Hierüber hat aber auch die Rede Hitlers keine Aufklärung gebracht. Daß der Regierung die Lösung dieser Aufgabe gelingen möge, ist selbstverständlich schon allein im Interesse unserer arbeitslosen Volksgenossen zu wünschen. [] Der sechste Punkt des Programms behandelte die Unerträglichkeit des heutigen Zinssatzes. Wir wünschen der Regierung auch hier vollen Erfolg. Aber über das Wie sind bisher auch noch keine näheren Mitteilungen bekannt geworden. [] Was der Reichskanzler am Schlusse in bezug auf den Frieden und unser Recht zum Leben und zum Schutze der Heimat sagte, unterschreiben wir. Die Sozialdemokraten waren noch niemals dafür, daß Deutschland minderen Rechts sein soll. Wir betonen das auch hier mit aller Leidenschaftlichkeit, daß diejenigen Staatsmänner, die als Sozialdemokraten an verantwortlicher Stelle standen, diesen Kampf unablässig seit Beendigung des Krieges durchgefochten haben. Wir können darum wohl auch mit dem allergrößten Recht für uns in Anspruch nehmen, daß sich die Redewendung des Reichskanzlers über Verräter und Meineidige nicht auf die Sozialdemokraten bezieht. Eine notwendige Folge wäre aber auch, daß man der Sozialdemokratie nicht mehr den Mund verbände; denn immer noch sind ihre Zeitungen und größtenteils auch ihre Versammlungen verboten. Sie sind nicht imstande, ihre Meinung zu sagen und zu schreiben, die bei aller Kritik doch auch dem Aufbau der deutschen Wirtschaft und der Gesundung des deutschen Volkes dienen würde. [] Zum Thema: Ausrottung des Marxismus [] Im Einverständnis mit dem preußischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit hat, wie eine Berliner Korrespondenz meldet, der nationalsozialistische Staatskommissar zur Wahrnehmung der Geschäfte des Stadtschulrats in Berlin die bisherigen Lehr- und Bildungspläne aufgehoben. Bis zur endgültigen Regelung soll dem staatsbürgerkundlichen Unterricht ein Bildungsplan zugrunde gelegt werden, der folgende "Vorbemerkung" enthält: [] "In den Mittelpunkt des gesamten staatsbürgerkundlichen Unterrichts sind Brögers Worte zu stellen: [] " [!] Nichts kann uns rauben [] Liebe und Glauben [] Zu diesem Land! [] Es zu erhalten [] Und zu gestalten [] Sind wir gesandt. [] Mögen wir sterben, [] Unseren Erben [] Bleibt dann die Pflicht: [] Es zu erhalten [] Und zu gestalten, [] Deutschland stirbt nicht." [] Bröger ist seit seiner Jugend Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Nach der Definition der herrschenden Kreise gehört er also zu den Marxisten, deren Geist ausgerottet werden soll. [] Auch auf andern Gebieten müssen wir die Wahrnehmung machen, daß die herrschenden nationalsozialistischen Kreise sich nicht scheuen, aus dem Gedanken- und Geistesgut des angeblich nur von Haßgefühlen erfüllten Marxismus wesentliche Teile zu übernehmen. Am 1. Mai und auch sonst konnte man von Nationalsozialisten vielfach das Lied hören, das als das Lied der Sozialistischen Arbeiterjugend Deutschlands weltbekannt geworden ist: "Wann wir schreiten Seit' an Seit'", und weiter hörte man Nazikreise ohne Scheu die "marxistische" Weise "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!" singen, allerdings mit anderm [!] Text! [] Wie vermag sich das mit der für Volk, Vaterland und deutsche Kultur angeblich notwendigen Ausrottung des marxistischen Geistes zu reimen? [] Gespräche in Deutschland [] In der "D. A. Z." vom 28. April veröffentlicht Professor Dr. Wolfgang Köhler von der Universität Berlin unter der obigen Ueberschrift einen Artikel, in dem er von den andern Deutschen spricht, die bisher abseits stehen und die zu gewinnen sicher lohnte. In dem Artikel heißt es: [] "Ein Kind vermag zu erkennen, daß sie unter schwerem Druck leben. Sie sind traurig aus Angst um ihre Nation. Mit politischem Geschehen im engeren Sinn des Wortes hat diese Besorgnis wenig zu tun. Durch unerhörte Konzentration von Macht ist der bisherige Erfolg errungen, und diese Macht geschlossen zu halten, muß für den Führer eine Selbstverständlichkeit sein. Aber wo die eigentliche Politik und die Machtfragen mit der Fülle der Sachfragen verschmelzen, da ist - so sagen diese Menschen - immer noch Deutschland, da ist das unübersehbare bunte Leben von Deutschen in hundert Berufen. . . . Keine dieser Aufgaben bis zur letzten kann der Nation gleichgültig sein, und wenn deshalb eine jede in den Händen eines Patrioten liegen muß, so ist schon die nächste Forderung, daß dieser nach Sachkenntnis auf dem betreffenden Gebiet, nach Persönlichkeit und nach Einsicht der beste Mann sein soll, den man im betreffenden Falle überhaupt finden kann. Da nun auf und ab im Lande in den Fachvertretungen der Berufe, den Verbandsleitungen der Wirtschaft, und bis in die einzelnen Unternehmen ein Mann nach dem andern davon muß, an dessen deutscher Gesinnung so wenig gezweifelt werden kann wie an seiner gründlichen Sachkenntnis und seiner Eignung als Charakter, so höre ich immer wieder die Frage: Warum? Wer sind die Nachfolger? . . . Ich finde gar nicht, daß diese Menschen etwa neidisch wären. Sie haben einfach Angst um die nahe Zukunft ihres Vaterlandes, wenn in jedem Lebensbereich nicht der schlechthin geeignetste unter allen Männern deutscher Gesinnung, sondern überall der Nationalsozialist des Bereiches die Führung in seine Hand nimmt. Sie wagen nicht zu hoffen, daß dieser immer mit jenem identisch sein werde.... [] Wenn ich aber weiter frage, so zeigt sich, daß noch eine andere Sorge vorliegt, die freilich ebenfalls aus dem Prinzip der Sachlichkeit um der Nation willen entspringt. Sie betrifft die Rassenpolitik der Nationalsozialistischen Partei und des neuen deutschen Staates. Keiner von den Deutschen, die ich meine, leugnet das Vorhandensein eines Judenproblems in Deutschland; die meisten von ihnen glauben, daß die Deutschen das Recht haben, die Zusammensetzung ihres Volkskörpers zu kontrollieren und den zu groß gewordenen Anteil von Juden an der Führung aller wesentlichen Angelegenheiten des Volkes durch weise Regelung zu beschränken. Nur solche Maßnahmen aber können sie innerlich billigen, die nicht auf Umwegen Deutschland schädigen, die nicht plötzlich die Existenz von ganz Unschuldigen zerstören und die nicht die bedeutenden, vornehmen Menschen unter den deutschen Juden schwer verletzen. Denn meine Freunde wollen der These nicht zustimmen, daß jeder Jude, als Jude, eine niedere, minderwertige Form von Menschentum darstellt. . . . [] Von den Deutschen, die jetzt abseits stehen, sind viele Lehrer an deutschen Hochschulen und manche sind Naturforscher. Es scheint, daß keiner an das kurze Leben und das große Schaffen von Heinrich Hertz denken kann, ohne daß eine fast zärtliche Bewunderung in seine Augen kommt. In Hertz aber war jüdisches Blut.... [] Vielleicht ist hier der ernsteste Grund zu sehen, weshalb alle diese Leute beiseite stehen: sie fühlen den Grund und Boden ihrer moralischen Welt tangiert. Für sie gilt, daß nur die wirkliche Beschaffenheit eines Menschen über ihn zu entscheiden erlaubt, und daß geistige Bedeutung, Vornehmheit der Gesinnung und evidentes Verdienst um die deutsche Kultur bleiben, was sie sonst sind, wenn sie an einem Juden gefunden werden. Alles, was sie seit ihrer Kindheit lernten und sicher noch tiefer liegende Kräfte verpflichten sie auf diese Haltung, von der sie schlechterdings nicht abgehen können." [] Die "Kölnische Zeitung" vom 24. April berichtet über die Rede des Parteiführers Dingeldey in der Zentralvorstandssitzung der Deutschen Volkspartei: [] "Die großen Aufgaben des wirtschaftlichen und geistigen Aufbaues stehen noch restlos vor uns. Fremde politische Formen können nicht ohne weiteres und ohne Schaden auf Deutschland übertragen werden, das haben uns auch die Ereignisse von 1918 gelehrt. Hüten wir uns vor dein Glauben, daß eine Uniformierung des Denkens die Grundlage des staatlichen Lebens in Deutschland sein könne. Der Staat kann auf die Dauer nur existieren, solange er Respekt vor dem geistigen Schaffen und der menschlichen Persönlichkeit kennt, die dem Deutschen angeboren ist. Bis heute ist der Beweis nicht erbracht, daß es möglich ist, diese geistigen Grundlagen auch innerhalb der großen herrschenden Partei zu vertreten. Solange das nicht zu sehen ist, ist es nicht möglich, auf ein eigenes politisches Dasein zu verzichten. . . . Die Zeiten werden parteipolitisch noch unendlich schwer werden. Das Bürgertum hat in diesen Monaten ein Maß von Charakterlosigkeit und Minderwertigkeit bewiesen (Zustimmung), daß es sich nicht wundern darf, daß es heute schlecht behandelt wird. Wenn wir das Meer der Ueberläufer vermehren wollen, werden wir uns nicht die Achtung sichern, die derjenige beanspruchen darf, der in schweren Zeiten ehrlich und anständig für seine Anschauungen gekämpft hat." [] Auflösung des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten [] Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterbliebenen hat seine Auflösung beschlossen. [] Dieser Beschluß wurde von der Reichskonferenz des Bundes mit dein Hinweis begründet, daß auf Anordnung der Behörden mit einer kommissarischen Verwaltung der Organisation gerechnet werden müsse. Bisher waren bereits acht Gaue des Reichsbundes der kommissarischen Verwaltung unterstellt. Die Reichskonferenz hat geglaubt, unter diesen Umständen ihre Arbeit nicht mehr weiterführen zu können. Er empfiehlt den Mitgliedern und Ortsgruppen, zur Wahrung ihrer Ansprüche sich dem nationalsozialistischen Reichsverband deutscher Kriegsopfer anzuschließen. [] Von allen Entschlüssen, die nach der Wahl vom 5. März gefaßt worden sind, ist der Auflösungsbeschluß des Reichsbundes wohl der tragischste. Männer, die für ihr Vaterland ihr Blut vergossen haben, kommen nach reiflicher Ueberlegung zu der harten Erkenntnis, ihre Arbeit, die nach dem großen Kriegserlebnis ihr Lebensinhalt geworden ist, die Arbeit für Mitkämpfer und deren Witwen und Waisen, einzustellen. Wie schwer muß ihnen dieser Schritt gefallen sein! [] Der Reichsbund war ein echtes und rechtes Kriegskind, aus der Not des Krieges geboren. Als die ersten Kriegsbeschädigten von Verdun, aus Rußland und von der Marne nach Hause kamen, fühlten sie den Zwang, untereinander in Verbindung zu bleiben. Daraus bildete sich Schritt um Schritt der Reichsbund, lange bevor ähnliche Organisationen entwickelt wurden. Man nannte ihn spöttisch den "sozialdemokratischen Kriegerverein". Der Reichsbund aber hatte wirklich keine Zeit, Politik zu treiben und Paraden im Zivilrock zu veranstalten. Hunderttausende kamen zu ihm und fragten nach Rat und Hilfe. Wohl hat der Reichsbund viel staatsbürgerliche Arbeit geleistet, wohl erwies er sich in den kritischen Jahren nach dem Zusammenbruch als die große Abwehr gegen bolschewistische Experimente. Seine Hauptarbeit lag jedoch auf dem Gebiet der Fürsorge, der Selbsthilfe, der Solidarität. Hunderttausende von Prozessen um das Recht der Kriegsteilnehmer sind vom Reichsbund geführt worden, Millionen von Mark wurden durch ihn Kriegerwitwen und Kriegerwaisen gesichert. Noch höher zu bewerten ist die seelische Arbeit des Reichsbundes, seine Initiative, dem Kriegskrüppel zu sagen und zu zeigen in Wort und Tat, die mit dir draußen waren, die verlassen dich nicht! Der Geist der Solidarität im Reichsbund hat Hunderttausende aufgerichtet, die vor der Verzweiflung standen. [] Der Reichsbund wird die Auflösung bis zum 30. Mai durchführen. Die Geschichte wird dieser Organisation bescheinigen, Recht und Gerechtigkeit geliebt zu haben. [] Die neue Fettwirtschaft [] Die Reichsregierung hat Ende März die Kontingentierung der Margarineindustrie von 480000 Tonnen auf 300000 Tonnen verfügt. Jetzt sind auch die näheren Anordnungen über die angekündigte Fettkarte erschienen. [] Der Mechanismus in der neuen Fettwirtschaft soll so funktionieren, daß neben einer Abgabe an das Fettmonopol in Höhe von 10 Mk. pro Tonne Fetteinfuhr eine Abgabe auf Margarine im Betrage von 25 Pfg. pro Pfund ab 1. Mai erhoben wird. Bei einer Produktion von 300 000 Tonnen dürfte diese Margarinesteuer einen Betrag von 150 Millionen Mark pro Jahr einbringen. Diese Summe wird benutzt, um für einen Teil der Bevölkerung eine Verbilligung für eine bestimmte Menge Fett herbeizuführen. Diese Verbilligung wird durch die Fettkarte geregelt. Die Verbilligung macht monatlich pro Kopf der Berechtigten 50 Pfg. (für 2 Pfund Fett) aus. Nimmt man an, daß 25 Millionen Menschen in den Genuß der Fettverbilligung kommen, dann sind dafür pro Jahr etwa 150 Millionen Mark erforderlich, also gerade so viel, wie durch die Margarinesteuer wahrscheinlich aufkommt. Im Anfang der Aktion dachte man an eine Verbilligung von 4 Pfund pro Monat (pro Woche ein Pfund), jedoch scheint man mit Rücksicht auf die Reichsfinanzen davon abgesehen zu haben. [] Berechtigt zum Bezug verbilligten Fettes werden 22 bis 25 Millionen Einwohner sein. Die Fettkarte erhalten: Die Hauptunterstützungsempfänger der Arbeitslosenversicherung und der Krisenfürsorge und ihre Zuschlagsempfänger sowie die Empfänger ,der Kurzarbeiterunterstützung, ferner die von der öffentlichen Fürsorge, laufend in offener Fürsorge als Hauptunterstützte und Zuschlagsempfänger unterstützten Personen sowie die Empfänger von Zusatzrenten nach dem Reichsversorgungsgesetz, ihre Zuschlagsempfänger und die Empfänger von Elternbeihilfen, ferner die Sozialrentner, deren Ehefrauen und unterhaltungsberechtigten minderjährigen Kinder. [] Auf den Verbilligungsschein kann jeder Berechtigte im Monat zwei Pfund verbilligte Speisefette beziehen, und zwar Butter, Käse, Schmalz, Rohfett, Speck, Talg, Speiseöle, Margarine, Kunstspeisefett und gehärtetes Pflanzen- oder Tierfett. Die Verbilligung beträgt 25 Pfg. für jedes Pfund, jedoch wird der auf ein Pfund laufende Abschnitt des Verbilligungsscheines auch schon bei Abnahme von 1/2 Pfund, Butter oder Käse in Zahlung genommen, während bei den übrigen Fetten die Verbilligung auf weniger als ein Pfund nicht gewährt werden darf. [] Die Fettkarte tritt am 10. Mai in Kraft. Sie ist, wie die Regierung in ihrer Veröffentlichung ausdrücklich betont, geschaffen worden, um höhere Butterpreise zu erzielen. Es besteht jedoch die Gefahr, daß viele Konsumenten infolge höherer Butterpreise zur Margarine beziehungsweise Marmelade abwandern. Die Verbraucherschaft mit niedrigem Einkommen leidet unter der Neuregelung besonders dadurch, daß die billigen Margarinesorten (sogenannte Kampfmarken) infolge Kontingentierung aus dem Handel verschwunden sind und daß sie den über 2 Pfund Fett hinausgehenden Bedarf teurer bezahlen muß. [] Die Konsumgenossenschaften sind bei der Durchführung der Margarine-Kontingentierung nicht berücksichtigt worden. Ihre Bemühungen um eine Einschaltung in die Produktion führten zu keinem Ergebnis. [] Die mit einem Aufwand von mehreren Millionen errichtete Margarinefabrik der Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumvereine in Hamburg kann deshalb nicht in Betrieb genommen werden. Ein Verkauf der Fabrik ist deshalb unmöglich, weil die bestehenden Unternehmungen infolge der Kontingentierung ihre Kapazität kaum zur Hälfte ausnutzen können und Außenseiter sich nach den gesetzlichen Bestimmungen der Margarinefabrikation nicht betätigen können. [] Die Konsumgenossenschaften sind auch von der Verteilung verbilligter Lebensmittel ausgeschlossen. [] Am 2. Mal sahen sich dei zuständigen Stellen genötigt, in der Tagespresse folgende Mahnung erscheinen zu lassen: "In letzter Zeit wird beobachtet, daß an manchen Stellen Gastwirtschaften und auch der wirtschaftlich besser gestellte Teil der Bevölkerung im Hinblick auf die erfolgte Kontingentierung in größeren Mengen Margarine aufkaufen. Dies ist nicht nur ein Versuch, der Hilfsaktion für den notleidenden deutschen Bauer entgegenzuwirken, sondern vor allen Dingen sollten solche Käufer bedenken, wieviele Millionen deutscher Volksgenossen wegen ihres vollständigen wirtschaftlichen Zusammeilbruchs garnicht in der Lage sind, in ausreichendem Maße die hochwertigen deutschen Fette und insbesondere deutsche Butter zu kaufen. Diesen Bevölkerungskreisen bleibt somit keine Wahl zwischen den nahrhafteren Fetterzeugnissen der deutschen Landwirtschaft und Margarine. Wer derartige Aufkäufe für Margarine tätigt, bringt deshalb gerade die ärmsten Bevölkerungsschichten in die Gefahr einer ungenügenden Fettversorgung." [] Alle Versammlungen verboten! [] Alle Polizeiverordnungen gegen die Sozialdemokratie und gegen die KPD. sind in einer Verordnung zusammengefaßt, die die Polizeibehörde am 29. April erlassen hat. Die Verordnung hat folgenden Wortlaut: [] Die auf Grund der Verordnungen zum Schutze des deutschen Volkes und zum Schutze von Volk und Staat vom 4. und 28. Februar 1933 bisher erlassenen Polizeiverordnungen werden in nachfolgender Verordnung zusammengefaßt. [] 1. [] Auf Grund § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 wird angeordnet: [] a) Sämtliche Aufzüge, Demonstrationen, Sprechchöre usw. und alle Versammlungen - auch in geschlossenen Räumen - der KPD. und ihrer Hilfs- und Nebenorganisationen, der SPD., der SAJ., ihrer Nebenorganisationen und aller sonstigen marxistischen Vereinigungen sind bis auf weiteres verboten. [] b) Die gesamte kommunistische und sozialdemokratische Presse wird bis auf weiteres verboten. Sämtliche kommunistischen und sozialdemokratischen Flugblätter, Plakate und Transparente sind zu beschlagnahmen und einzuziehen. Die Herstellung, das Vorrätighalten und die Verbreitung derartiger Erzeugnisse ist verboten. [] Das Sammeln von Beträgen für Anzeigenaufträge und Zeitungsbestellungen für die verbotene kommunistische und sozialdemokratische Presse - auch soweit der Erscheinungsort nicht Hamburg ist - wird untersagt. [] c) Das Zeigen marxistischer Fahnen wird aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bis auf weiteres verboten. [] II. [] Auf Grund § 14 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 werden Sammlungen von Geld- und Sachspenden für die KPD. und ihre Nebenorganisationen sowie für die "Rote Hilfe" und die "Internationale Arbeiterhilfe" auf Straßen und Plätzen und von Haus zu Haus sowie in öffentlichen Gaststätten und an andern öffentlichen Orten verboten. [] III. [] Die bisher erlassenen Polizeiverordnungen werden, soweit sie in der vorstehenden Verordnung enthalten sind, hiermit aufgehoben. [] Durch diese Verordnung wird vor allem das am Freitag, 28. April, erlassene Verbot sozialdemokratischer Versammlungen bestätigt. Der Parteivorstand hat bereits aus die Gefahren einer Verbotsübertretung aufmerksam gemacht! [] Lügen über die Sozialdemokratie [] Eine Anzahl ehemals radikaler bürgerlicher Blätter sucht die Gnadensonne der jetzt herrschenden Partei auf sich zu lenken, indem sie dauernd Schmähartikel über die Auflösung, die Zersetzung der Sozialdemokratie, über die Rebellion der sozialdemokratischen Jugend und ähnliche Tatarennachrichten veröffentlicht, die durchweg einen verlogenen oder entstellten Inhalt aufweisen. In einer Liste angeblich geflüchteter Genossen werden Kranke aufgeführt, die sich nur wegen ihrer Krankheit zur Zeit nicht im Dienst befinden. Bei der Kritik von Kündigungen wird es so dargestellt, als ob nur den Beziehern kleiner Gehälter gekündigt worden wäre, den andern aber nicht. Auch diese Behauptungen sind unwahr. Wo wegen monatelangen Verbotes der Zeitungen oder aus ähnlichen Gründen Kündigungen unvermeidlich wurden, haben sie alle Angestellten mit höherer und niedriger Besoldung getroffen. Wo Gehaltsreduktionen vorgenommen werden mußten, sind selbstverständlich für höhere Gehaltsstufen nicht nur höhere Beträge, sondern auch höhere Prozentsätze angeordnet worden. Im geraden Gegenteil zu den Behauptungen dieser liebedienerischen Presse sind die sozialen Gesichtspunkte bei solchen Maßnahmen in erster Linie ausschlaggebend gewesen. Die Märchen von den geplanten Aktionen des Reichsbanners gegen die Partei die in solchen Berichten auftauchen, sind so dumm, daß jedes Eingehen darauf lächerlich wäre. [] Nur noch staatlich kontrollierte Presse [] Am letzten Sonntag fand in Berlin ein Delegiertentag des Reichsverbandes der Deutschen Presse (RDP.) statt, der mehrere für die Gestaltung des Pressewesens in Deutschland bedeutungsvolle Beschlüsse faßte. Sie betreffen in der Hauptsache die seit Wochen erörterte Frage, wer in Zukunft dem Reichsverband der Deutschen Presse als Mitglied angehören kann. Wichtig ist die Entscheidung darüber deshalb, weil nach Inkrafttreten des neuen Pressegesetzes nur Mitglieder des RDP. den Beruf des Journalisten und Redakteurs ausüben können. [] Nach den Delegiertenbeschlüssen sollen Juden und Marxisten künftig nicht mehr in den Reichsverband aufgenommen werden. Nicht ganz so eindeutig sind die Beschlüsse über das Verbleiben von Juden und Marxisten im RDP. Ursprünglich hieß es, daß man Juden als Mitglieder dulden wolle, jedoch nur dann, wenn sie kein Amt bekleiden und sich nicht nach Aemtern drängen. Diese Auffassung scheint aber jetzt bereits überholt zu sein. Marxisten sollten ursprünglich nicht geduldet werden. Hier hat sich der Delegiertentag zu einer andern Regelung bekannt, und zwar dahin, daß eine besondere Kommission innerhalb der Landesverbände von Fall zu Fall über das Verbleiben marxistischer Mitglieder zu entscheiden hat. Dabei sollen unter andern gewisse persönliche Voraussetzungen, so die Dauer der Mitgliedschaft und die Art der Betätigung im RDP. ausschlaggebend sein. (Von den sozialdemokratischen Redakteuren haben bisher nur ganz wenige dem RDP. angehört, da für sie der Verein Arbeiterpresse als Berufsverband in Frage kommt.) [] Das angekündigte Pressegesetz wird nach italienischem Muster die Kontrolle der Presse beim Journalisten bzw. Redakteur durchführen. Der Staat wird die wirtschaftlichen Belange der Journalisten und Redakteure sichern, dafür aber verlangen, daß sie sich vorbehaltlos für die Neuordnung in Deutschland einsetzen. Die staatlich kontrollierte Presse wird durch das Berufsregister und die Pressekammer geschaffen werden. Darüber macht Oberlandesgerichtspräsident i. R. Staatsrat Dr. Meyer in der "Deutschen Juristenzeitung" Ausführungen, von denen man annehmen kann, daß sie starke Tuchfühlung mit den dem neuen Pressegesetz zugrundeliegenden Richtlinien haben. Den Zustand in Italien stellt Meyer wie folgt dar: [] "Zur Betätigung bei der Tagespresse wird in Italien nur der zugelassen, der die gesetzlich vorgeschriebenen Erfordernisse nicht nur beruflicher, sondern auch moralisch-politischer Eignung erfüllt. Die Tätigkeit des Journalisten wird einer ständigen Kontrolle unterstellt, während anderseits der Staat dem Journalisten weitgehenden Schutz gegenüber den Einflüssen von privater Seite durch Sicherstellung seiner wirtschaftlichen Belange gibt. In gewissem Sinne ist der journalistische Beruf durch das italienische Recht verbeamtet worden. Das technische Mittel, durch das die Sichtung der Journalisten nach Bildung, Moral und politischer Gesinnung sichergestellt wird, ist die Einrichtung eines Berufsregisters, in dessen Aufnahme der Nachweis bestimmter Vorbildung nötig ist. Die Journalisten, über die Personalakten geführt würden, werden im Disziplinarwege überwacht. Der Journalist untersteht der Disziplinargewalt der Bezirkssyndikate. Gegen die Entscheidungen kann die Oberkommission für das Pressewesen bei dem Justizministerium angegangen werden. Die Dienstaufsicht über die einzelnen Bezirkssyndikate übt das Justizministerium durch den zuständigen Generalstaatsanwalt aus. Wird ein Journalist aus dem Register gestrichen, dann kann er als solcher nicht mehr tätig sein." [] Ueber die Gestaltung der deutschen Verhältnisse sagt Meyer: [] "In Abkehr von der bisherigen Entwicklung wird die Reform des ganzen Pressewesens beim Ursprung des Artikels, beim Journalisten selbst, einsetzen und nicht mehr bei dem Ergebnis der journalistischen Tätigkeit, dem Druckerzeugnis. Die lange erörterten Fragen und Bedenken für und gegen die Pressekammern werden sich bei der Raschheit der jetzigen Gesetzgebung, bei den staatspolitischen Bedürfnissen dieser Presserechtsreform, von selbst erledigen. Wir werden für das ganze Pressewesen einen syndikatflmäßigen [!] Aufbau in einer korporativen Verfassung erhalten. Wir werden den Zustand einer staatlich kontrollierten Presse erhalten, die in gewissem Sinne ein Instrument und Organ des Staates sein wird. In dieser Gleichschaltung, nicht Uniformierung des Pressewesens, die sich in staatspolitischer Hinsicht jetzt schon vollzieht, wird gesetzgeberisch die Pressefreiheit in erster Linie betroffen werden. . . . Die Pressefreiheit wird nicht völlig beseitigt, wohl aber nach Maßgabe der Staatserfordernisse eingeschränkt werden. Eine absolute schrankenlose Pressefreiheit, die vaterlandslose Kundgebungen zum Schaden des Staates und Ergüsse eines krankhaften, wurzel- und wertlosen Asphaltliteratentums zum Schaden von Sitte, Kultur und Religion unseres Volkes zuläßt, wird ausgeschlossen sein. . . . Auch der deutsche Staatsgedanke wird eine Freiheit der Presse in dem Sinne, daß der Staat darauf verzichtet, auf den Geist und die Tendenz der Presseerzeugnisse durch behördliche Maßnahmen einzuwirken, und sich darauf beschränkt, gegen deliktische Veröffentlichungen nach Maßgabe der allgemeinen Strafgesetze einzuschreitn [!], im Verfolge der vaterländischen Erhebung und der durch sie geschaffenen Staatsnotwendigkeiten in Zukunft ablehnen..." [] Politischer Rundblick [] In einem Vortrag, den der nationalsozialistische Stabsleiter Dr. Ley über den Zweck der Aktion gegen die freien Gewerkschaften am Dienstag vor der Berliner Presse hielt, streifte er unter anderm auch ein Konto von drei Millionen Mark bei der Münchener Arbeiterbank, das auf den Namen des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Löbe lauten soll. [] Reichstagsabgeordneter Löbe hat Herrn Dr. Ley dazu mitgeteilt, daß er bei der Arbeiterbank kein Konto besitzt und niemals ein Konto besessen hat. [] In Stettin wurde am Dienstag der politische Redakteur des seit Wochen verbotenen sozialdemokratischen "Volksboten" festgenommen. Er soll vor Monaten zwei Bilder von den Manövern in Mecklenburg veröffentlicht haben, die durch den "New York Times"-Bilderdienst verbreitet wurden. Die Bilder zeigten Polizeibeamte als Manövergäste. Man spricht deshalb von einem Verdacht des Landesverrats. [] In Neumünster wurde der Bruder des preußischen Landtagsabgeordneten Bugdahn, der bis zum Verbot der sozialdemokratischen Presse Berichterstatter der Volkszeitung in Kiel war, verhaftet. [] In Bad Schwartau ist der sozialdemokratische Leiter des dortigen Arbeitsamts, der sich in Haft befindet, fristlos und ohne Pension entlassen worden. [] In Flensburg wurde der bisherige Vorsitzende der Krankenkasse und ehemalige sozialdemokratische Stadtrat Haberland verhaftet. [] Im Breslauer Konzentrationslager sind rund 120 bis 130 Personen untergebracht. Nach einer Mitteilung des Polizeipräsidiums wurden während der letzten Tage in Breslau insgesamt 75 kommunistische und 14 sozialdemokratische Funktionäre festgenommen und in das Lager überführt. Unter den Festgenommenen der letzten Tage befinden sich der Breslauer Ortsparteisekretär Max Kukielczynski, der Breslauer Ortsvereinsvorsitzende Ernst Zimmer und dessen Frau, die städtische Fürsorgebeamtin Toni Müller-Zimmer, der Vorsitzende des Fabrikarbeiterverbandes für Schlesien und Vorsitzende des Ortsausschusses Breslau des ADGB., Deswysen, der frühere zweite Vorsitzende des Landesarbeitsamtes Schlesien, Oberregierungsrat a. D. Wagner, die Frau des früheren Reichsbannergausekretärs Steiner, der Schriftleiter der Brieger Volkszeitung, Pieterek, die sozialdemokratische Frauenführerin des Kreises Brieg, Ida Wolf, der Gewerkschaftssekretär Zehmisch aus Brieg, Reichstagsabgeordneter Kurt Pohle, Striegau, der Arzt Dr. Korn aus Steine, Landkreis Breslau, sowie mehrere weniger bekannte Funktionäre aus Breslau, Ohlau und Brieg. Die Verhafteten wurden in die Polizeigefängnisse Breslau bzw. Oels eingeliefert. Rechtsanwalt Dr. Eckstein, der frühere Vorsitzende der SAP. in Breslau, unternahm vor seinem Abtransport in das Lager einen Selbstmordversuch. Er mußte ins Krankenhaus geschafft werden. [] In Sprottau sind in den letzten Tagen insgesamt 28 Angehörige linker Parteien, darunter mehrere Sozialdemokraten, verhaftet worden. [] In Magdeburg wurden am Dienstagabend die Sekretärin des Reichsbannerführers Höltermann und ein Chauffeur des Reichsbanners verhaftet. In ihrem Besitz soll zahlreiches verdächtiges Material gefunden worden sein. [] Das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat einen Erlaß veröffentlicht, demzufolge das Tragen von Uniformen und Abzeichen im Bereiche der Schule, auf dem Weg von und zu der Schule sowie bei Schulveranstaltungen wie Wanderungen, Beobachtungsgängen und Spielen, grundsätzlich verboten wird. [] Das alltägliche Tragen von Uniformen und Abzeichen im Bereiche der Schule wäre, so heißt es in dem Erlaß, dem Gedanken der Gemeinschaft und der Ganzheit nicht förderlich. In Zukunft dürfe nur bei besonderen Anlässen, vor allem bei Schulfeiern vaterländischen Gepräges, Uniformen und Abzeichen auch in der Schule getragen werden. Dadurch werde die Festlichkeit solcher Veranstaltungen gehoben, das Bekenntnis der Schüler für Volk und Vaterland erhalte eine besondere Weihe und die verschiedenen Jugendgruppen erlebten in der Feierstunde spürbar die Gemeinsamkeit ihrer letzten Ziele und Ideale. Von den Lehrern wird erwartet, daß sie sich auch für ihre eigene Person an die für die Schüler geltenden Grundsätze halten. [] Der Vorstand der Deutschnationalen Volkspartei beschloß am Mittwoch: [] "Da der Parteienstaat von Weimar und sein System der Vergangenheit angehören, nennt sich die Deutschnationale Volkspartei - entsprechend einer vom Parteiführer schon in der Vorstandssitzung im Dezember gegebenen Anregung - künftig "Deutschnationale Front". [] Die "Rote Erde", das Organ der westfälischen Nationalsozialisten, ist in den "Dortmunder Generalanzeiger"übergegangen. Der Generalanzeiger ist nunmehr amtliches Organ der NSDAP. für den Gau Westfalen-Süd. Er verfügt damit über die größte Druckerei Europas. [] Wie das Geheime Staatspolizeiamt mitteilt, ist auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes die "Tägliche Rundschau" in Berlin bis zum 31. Mai verboten worden. [] Auf Anweisung des preußischen Innenministers hat der Regierungspräsident von Köslin die deutschnationale "Schlawer Zeitung" verboten. Das Blattübte in letzter Zeit öfter an Maßnahmen der Reichsregierung Kritik. Der Anlaß des Verbots ist ein Artikel des deutschnationalen Parteivorsitzenden in Pommern, von Zitzewitz-Großganzen, in dem den nationalsozialistischen Ministern unsachliche Personalpolitik vorgeworfen wurde. [] Auf seinem Gut Hopfendorf in Hinterpommern wurde einer der bekanntesten ostelbischen Granden, der deutschnational-konservative Herr von Kleist-Schmenzin, verhaftet. Von Kleist hatte die am 1. Mai auf der Kirche gehißte Hakenkreuzfahne herunterholen lassen. [] Der Vorstand der Landesorganisation [] K. Meitmann [] 1. Vorsitzender. [] Auer & Co. Hamburg 36
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