Junge Mädchen unter sich

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Junge Mädchen unter sich [] Herausgeber: Vorstand der SPD Bonn - Druck: AZ Mannheim [] Bei der Spiräahecke im Schrebergarten schob Eva zwei Korbstühle an den festlich gedeckten Kaffeetisch. Da, das war Lilos Stimme! Sie wandte sich um und sch...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Bundesvorstand, AZ-Druck Mannheim
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1952 - 1953
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/7337E9CB-CED1-413F-AB91-C878CEAAF8B1
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Junge Mädchen unter sich [] Herausgeber: Vorstand der SPD Bonn - Druck: AZ Mannheim [] Bei der Spiräahecke im Schrebergarten schob Eva zwei Korbstühle an den festlich gedeckten Kaffeetisch. Da, das war Lilos Stimme! Sie wandte sich um und schaute verblüfft und entzückt auf das junge Mädchen im duftigen Organdykleid. "Wunderbar, Lilo!" sagte sie. Die Freundin begrüßte sie und ließ sich in den Sessel fallen. [] "Wunderbar", wiederholte sie, "aber dafür Krach mit Mutter!" - "Wie", kam es fragend, "darfst du dir von deinem eigenen Geld nicht anschaffen, was du willst?" "Doch, aber es war sündhaft teuer. Aber Gert liebt doch nun einmal elegante Kleider, und da habe ich es mir doch gekauft." Sie zögerte .. "Und meiner Mutter zwei Wochen nichts für das Essen gegeben!" [] "Aber Lilo!" rief Eva bestürzt. "Sie hat es doch sowieso schon so schwer, durchzukommen, seit dein Vater die schlecht bezahlte Stelle hat und Horst wieder stempelt! Da müßtest du doch ..." [] "Ich weiß", fuhr Lilo trotzig auf, "laufend tugendhaft sein und opfern und entbehren, genau so, wie Mutter jahrelang nur opfert und entbehrt! Nein, da mache ich nicht mit! Ich bin doch jung! Und wenn ich die ganze Woche gearbeitet habe, möchte ich doch auch ein bißchen Freude! Sag' mal, Eva, kennst du denn gar nicht dies schreckliche Angstgefühl, daß doch hinter uns alles zusammengebrochen ist und daß es vielleicht schon morgen auch vor uns zusammenbrechen könnte, ehe wir überhaupt gelebt haben?" [] "Leben wollen, weil man jung ist? Natürlich kenne ich das! Aber doch nicht auf Kosten der Mutter! Doch nicht auf Kosten der Menschen, zu denen wir gehören!" "Ach, Eva, gerade, weil ich bei uns zu Hause das verfahrene Leben sehe, das ich doch nicht ändern kann: die verbrauchte Mutter, den müden Vater, den beschäftigungslosen Horst, der für sich und andere eine Last ist: Da treibt es mich hinaus, da ist mir's, als müßte ich mir einfach ein Stück Freude irgendwo herausreißen!" [] "Aber das ist doch dann nicht Freude, das ist doch einfach nur Betäubung! [] Du wirst nicht fertig mit deinen Problemen und mit denen deiner Familie, und da läßt du sie einfach liegen wie eine unaufgeräumte Schublade und fliehst ins Vergnügen. Sagen wir schon, zu Gerts feinem Auto mit eingebautem Radio ..." [] Voll Bitterkeit fiel Lilo ein: "Und dann war sein Lob auf das so schwer erkämpfte Kleid wie eine Zensur, daß es nun endlich zureichte für das neue Auto und das elegante Tanzlokal und all dies Gehabe, das mir auf einmal so weit weg erschien von meinem wirklichen Leben. Da hat mich der Kummer gereut, den ich meiner Mutter um das Kleid gemacht habe." Sie stockte ... [] "Und mit den Träumen von Heirat und Kindern und einem Heim, in dem man nicht so aufgerieben und verbraucht wird, habe ich nun auch Schluß gemacht." [] "Schwer für dich, Lilo", sagte Eva voll Anteilnahme, "aber ein guter, sauberer Anfang." "Anfang, wofür?" [] Für die Ehrlichkeit, mit der wir Menschen der jungen Generation unser Leben aufbauen möchten. Einfach aus der Wirklichkeit, in die wir gestellt sind, wollen wir es ganz nüchtern, sauber und sachlich gestalten: Mit Zuverlässigkeit in der eigenen Leistung, mit Verständnis für den Menschen, der neben uns arbeitet. [] Wir Mädchen von heute stehen doch durch unsere Berufsarbeit schon mit beiden Füßen drin in dieser Wirklichkeit: du in deinem Büro, ich in meiner Elektrowerkstatt. Und mit uns wirken Tausende von Fabrikarbeiterinnen, Angestellten, Sekretärinnen, Laborantinnen, Ärztinnen mit an dem vielfältigen Gewebe unseres gemeinsamen Daseins und geben ihm durch ihre frauliche Art ein eigenes Gesicht. Haben wir nicht damit schon ein Stück Leben in der Hand, das Sinn hat?" [] "Auch, wenn du entdeckst, daß du eigentlich nur für andere schuftest? Meine Kusine arbeitet in der Glasindustrie für 80 Pfennig in der Stunde. Damit ist sie doch ausgeschlossen vom Erwerb all der feinen Dinge, die Frauen für Frauen herstellen. Und dazu macht sie noch Nachtarbeit, ist müde, überanstrengt." [] "Achtung, Lilo, das ist schon dein zweiter Schritt zur Klarheit! Ich will gerne mitarbeiten am Aufbau des gemeinsamen Ganzen. Dafür bin ich aber auch ein Teil von ihm und melde meinen Anspruch an auf die Güter, die wir alle gemeinsam erarbeiten. Auch meinen Anspruch auf Sicherheit, mein Anrecht auf Gesundheit, auf ein bißchen Schönheit und Freude, ohne die unser Leben nicht mehr menschenwürdig zu nennen ist." [] "Aber nun der dritte Schritt, Lilo: Warum handelt ihr nicht? Warum laßt ihr zu, daß ihr verschlissen und abgenutzt werdet wie ein totes Werkzeug? Warum kämpft ihr nicht um euern [!] Lohn, um eure Arbeitsbedingungen? Warum schließt ihr euch nicht zusammen? Warum bringt ihr das bißchen Mut und Liebe nicht auf, auch für das Recht der andern zu kämpfen, die abseits stehen? Um einen Arbeitsplatz für Horst, um eine Lehrstelle für meine Schwester Ruth?" [] "Ihr, ihr, du sagst immer ihr! Und du selbst, Eva?" [] Das weißt du doch gut, daß ich schon vor Jahren meinen Zusammenschluß gefunden habe in der Jugendgruppe der SPD. [] Und mit mir schöpfen Tausende von jungen sozialistischen Menschen ihre Kraft aus dem Gefühl für das Lebensrecht des schaffenden Menschen." [] "Also doch Politik!" seufzte Lilo. "Aber natürlich Politik! Denn das ist doch der Schalthebel, bei dem die Steuerung unseres Schicksals ansetzt! Du mußt nur einmal verfolgen, wie hartnäckig die bürgerlich-reaktionären Kräfte den Hebel zurückdrücken, wann immer die SPD ihre Vorstöße zum Schutz des arbeitenden Menschen macht. Da wüßtest du, daß schon euer bloßes Stillehalten, euer bloßes Nichts-Tun uns alle wieder in der rückwärtigen Richtung bewegt. Und dann stehen wir ratlos vor der sozialen Ausweglosigkeit unseres Daseins. Dabei braucht ihr nur die Hand auszustrecken, und schon strecken sich euch helfende Hände entgegen! Aber Ihr kennt noch nicht einmal die Namen der sozialdemokratischen Frauen, die ihre ganze Lebensaufgabe darin sehen, für unsere Rechte zu kämpfen, - und noch viel weniger ihre Leistung! [] Komm, nimm einmal unsere Frauenzeitschrift mit und lies etwas über den Kampf unserer Genossinnen um Ausbildungsmöglichkeiten und Lehrstellen für Jugendliche! Unterrichte dich nur einmal über das Ringen der SPD im letzten Jahr für uns Berufstätige: Verfolge allein die Durchsetzung folgender Gesetze [] Gesetz für Mindestarbeitsbedingungen, [] Kündigungsschutzgesetz, [] Mutterschutzgesetz. [] Lies über den Kampf der SPD gegen die schlechte Lohngestaltung für sogenannte typische Frauenarbeit. Verfolge ihre Fürsorge für die Frau bei besonderer Schwerarbeit, bei Nachtarbeit. Und staune nur immer über die Unzugänglichkeit selbst bürgerlicher Frauen in solchen Dingen der Menschlichkeit. [] Da wird dir mit einem Schlage klar, [] daß wir jungen Menschen nur eine menschenwürdige Zukunft zu erwarten haben, wenn wir uns zu Tausenden hinter die SPD scharen. [] und ihr die große Stoßkraft geben, die allein das Geschick der arbeitenden Millionen entscheidend wenden kann. [] Diese Zeit braucht deine Hände [] (Walter Dehmel) [] Diese Zeit ist eine Wende - [] noch bedrückt uns Schuld, [] doch wir machen ihr ein Ende, [] schaffend in Geduld. [] Diese Zeit braucht off'ne Augen, [] die das Echte sehn, [] Herzen, die zum Wagnis taugen [] gegen Not zu stehn. [] Diese Zeit braucht guten Willen, [] Mut und zähe Kraft. [] Braucht den Frohsinn, der im stillen [] wirkt, voll Leidenschaft. [] Diese Zeit braucht starke Seelen, [] die voll Klarheit sind. [] Und Beharrung darf nicht fehlen, [] die das Ziel gewinnt.
Published:1952 - 1953