Für die OdF . Gegen Mißbrauch durch die VVN . Informationsblätter für sozialdemokratische Opfer des Faschismus Nr. 3 April 1948

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Für die OdF [] Gegen Missbrauch durch die VVN [] Informationsblätter für sozialdemokratische Opfer des Faschismus [] Herausgeber: Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] Verantwortlich: Fr. Heine, Hannover, Odeonstraße 15/16...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Parteivorstand, Heine, Fritz
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 04.1948
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/671267D7-77FE-4E85-8801-3A5B7CE7C557
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Für die OdF [] Gegen Missbrauch durch die VVN [] Informationsblätter für sozialdemokratische Opfer des Faschismus [] Herausgeber: Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands [] Verantwortlich: Fr. Heine, Hannover, Odeonstraße 15/16 [] Nr. 3 [] April 1948 [] Die Schande der Ostzonen-Kz.s [] Was sagt die VVN dazu? [] I. Neuauflage Kz Buchenwald [] In einem Bericht der in München erscheinenden Wochenschrift "Echo der Woche" wurden am 24. Januar die Zustände im Konzentrationslager Buchenwald, das jetzt zur Internierung politischer Gefangener in der russischen Besatzungszone dient, auf Grund eines herausgeschmuggelten Briefes und der eigenen Beobachtungen des Reporters dieser Zeitschrift geschildert. Der Berichterstatter des "Echo der Woche" hatte in Weimar Gelegenheit, den Brief eines SPD-Funktionärs zu lesen. Dieser Funktionär war bereits 1946 nach Buchenwald gebracht worden. In dem herausgeschmuggelten Brief heißt es u. a.: [] "Wir liegen mit 150 Mann in einer Baracke, die für 50 bestimmt ist. Wir schlafen abwechselnd auf dem Fußboden. Anfangs hatten wir keine Decken, jetzt hat jeder eine bekommen. Unsere Privatsachen wurden uns abgenommen. Wer noch Bleistift oder Papier besitzt, wird mit Bunker bestraft. Es sind noch die alten Bunker, 1.50m hoch und 1.00m im Quadrat. Wir bekommen die gleichen Anzüge wie die Häftlinge von 1933 bis 1945. Unser tägliches Essen besteht aus 500 Gramm Brot, Marmelade, Kaffee und einem Liter dicker Suppe. Seife bekommen wir nur selten. Wir sind verdreckt. [] Am schlimmsten sind die Zustände im Frauenlager. Man sieht es diesen Menschen nicht mehr an, daß sie Frauen sind. Sie tragen Hosen, und ihre Haare sind ebenso abgeschoren wie die unsrigen. Nachts sind Russen regelmäßig in ihren Baracken. Die sanitären Anlagen im Frauenlager sind nicht besser. Wir dürfen nicht mit ihnen sprechen. [] Richtig arbeiten können wir nur selten. Das ist das Schlimmste. Selbstmorde kommen fast jeden Tag vor." [] Außer der Instandsetzung des Lagers, so heißt es weiter, hätten die Internierten nichts zu tun, und die einzige Unterhaltung, die man ihnen bietet, sei die Lektüre sowjetischer Propaganda-Schriften. Davon würden allwöchentlich neue Hefte verteilt. Es wage niemand mehr, seine Meinung über diese Lektüre zu äußern, da einige, die es einmal getan hätten, am nächsten Tage verschwunden gewesen seien. "In jeder Baracke sind Spitzel", fügt der ungenannte Schreiber hinzu. [] Der physische und psychische Zustand der Häftlinge verschlechtere sich dauernd. Die Leute gehen in der Lagersperrzone auf die Posten zu und werden erschossen. Viele Morde geschehen in der Kiesgrube", heißt es lakonisch. [] "Es wurde bisher niemand entlassen, und ich glaube auch nicht, daß wir jemals entlassen werden. Ich habe keinen Namen mehr. Ich bin eine Nummer, mit der man macht, was man will. Wir warten auf unsere Befreiung. Der Glaube an sie ist unser letzter Halt." [] Der Korrespondent des "Echos der Woche", Heinz Rusalle, berichtet dazu noch, daß die Frau des Schreibers am 10. November vorigen Jahres in eine Postenkette geriet, die zur Außenarbeit eingesetzte Häftlinge bewachte, und erschossen wurde. [] Rusalle gibt dann folgende Beschreibung des Lagers: [] "Während der Morgenstunden herrscht reger Lkw.-Verkehr zwischen dem Lager und der Stadt. In dieser Zeit werden die Häftlinge, die man zu Arbeiten innerhalb der zahlreichen, von Besatzungstruppen belegten Kasernen benötigt, mit Lastwagen unter schärfster Bewachung zu den Arbeitsplätzen gefahren. Um Fluchtversuche von vornherein zu verhindern, müssen sich die Gefangenen auf den Boden der Lastwagen setzen. Man sieht von ihnen nur die blau-weiß gestreiften Mützen oder kahlgeschorene Köpfe. In der Mitte stehen die mit Maschinenpistolen bewaffneten Posten. Zwischen 5 und 7 Uhr werden die Zivilisten, die sich auf der Straße befinden, kontrolliert. Leute, die sich nicht, genügend ausweisen können oder die verdächtig erscheinen, verhaftet man. Man fürchtet sich vor 'Spionen'. Soldaten der NKWD bevölkern während des Tages und der Nacht die Straße und die Haupteinfahrt zum Konzentrationslager. Posten durchstreifen das Lager. [] Ueber dem Eingang wölbt sich ein hölzerner Torbogen mit den Emblemen des Sowjetstaates. [] Nachts bestrahlen Scheinwerfer das ganze Lager. Zwischen den äußeren Zäunen laufen die mit dem Lager zusammen übernommenen Bluthunde. Im Abstand von 50 Metern erheben sich die Postentürme. Die Rohre schwerer Maschinengewehre sind auf das Lager gerichtet. Am Rande des Waldes steht nachts ein zweiter Sicherungsgürtel. Trotz der kalten Jahreszeit sieht man aus fast keinem der zahlreichen Lagerschornsteine Rauchwolken aufsteigen. Nur der Schornstein, wo früher das Krematorium war, wie mir Einwohner von Hottelstedt sagten, speit dicke Rauchwolken aus." [] Ein Bauer erzählte dem Korrespondenten, daß aus den zwei Ortschaften Hottelstedt und Ettersburg, die zusammen ungefähr 1000 Köpfe zählen, bisher 31 Personen verschwunden seien, von denen 12 erschossen im Walde aufgefunden wurden. [] "Die Russen machen das einfach", erzählte der Bauer weiter, "es darf niemand im Lager fehlen. Wenn wieder Häftlinge verschwunden sind, holt man Bauern von den Feldern, oder man geht auf die Straße und fängt so viele Leute, bis die alte Zahl im Lager wieder voll ist. Die Angehörigen werden nicht benachrichtigt. Die Leute sind eben weg und werden auch nicht mehr wiederkommen." [] Ein anderer Mann, dessen 18jähriger Sohn im Oktober des vorigen Jahres beim Holzlesen von einem russischen Posten erschossen wurde, schilderte dem Korrespondenten des "Echos der Woche", wie ein russischer Offizier, von einem Zivilisten und einigen Soldaten begleitet, ihm die Papiere seines Sohnes brachte und ihm mitteilte, daß dieser wegen Spionage erschossen und an Ort und Stelle begraben worden sei. Als "Repressalie" für die Spionage seines Sohnes habe man ihm den größten Teil der Wohnungseinrichtung beschlagnahmt. Derselbe Mann gab an, daß man das Buchenwald-Lager gleich nach dem Zusammenbruch 1945 wieder belegt habe. [] ("DENA", Bad Nauheim, 29. Januar 1948.) [] II. Duldung bedeutet Schuld [] Der Leiter der Bremer Hilfsstelle für Kz-Entlassene, Joseph Wanschura, nahm zu obiger Veröffentlichung im "Weser-Kurier", 17. Februar 1948, Stellung. [] Der Bericht "Neuauflage Kz Buchenwald" beleuchtet blitzartig eine Erscheinung, die wir mit Beendigung des Krieges als endgültig beseitigt glaubten. Die Welt erinnert sich heute noch allzu gut des Schreckens, den die Enthüllungen über die deutschen Konzentrationslager entfachten. Eine Frage tauchte besonders in Deutschland auf: "Wie konnte dieses Grauenhafte in unserer Mitte geschehen?" Und die Welt richtete an uns Deutsche die vorwurfsvolle Frage: "Wie konntet ihr das geschehen lassen?" und verurteilte uns als kollektivschuldig, eben weil wir es hatten geschehen lassen. [] Die wirklich Wissenden waren nur ein verhältnismäßig kleiner Kreis. Die breite Masse ließ sich durch die Greuelmärchen-Propaganda und den ungeheuren Druck der Nazis besänftigen, der jeden in Gefahr brachte, der Versuchte, sich um die Aufklärung des Tatbestandes zu bemühen. Diesem Druck, der allgemeinen Angst, aber auch der inneren Bequemlichkeit vieler Deutscher war es zuzuschreiben, daß die Konzentrationslager im Nazi-Deutschland sich zum größten Schrecken des Krieges entwickeln konnten. [] Heute nun gelangen wieder Berichte an die Oeffentlichkeit über Verhaftungen und Deportationen von Menschen sowie über die Neuerrichtung von Konzentrationslagern, in die unter Fehlen einer gesetzlichen Handhabe und ohne gerichtliches Verfahren Deutsche verschleppt werden. Wenn den Berichten Glauben zu schenken ist, so herrschen hinter dem Stacheldraht der Konzentrationslager von 1948 wieder jene grauenerregenden Zustände, die bereits einmal der Welt der Atem verschlugen. [] Das Ausschlaggebende ist nicht einmal, inwieweit alle diese Berichte im einzelnen den Tatsachen entsprechen, obwohl die Quellen in hohem Grade für die Stichhaltigkeit der gemachten Angaben sprechen. Selbst wenn es sich lediglich um Gerüchte handeln würde, so müßten diese genügen, um überall in Deutschland die höchste Aufmerksamkeit der gesamten Bevölkerung zu erregen. Dies allein deshalb, weil sich ja bereits einmal solche "Gerüchte", solch dunkles Ahnen um ein grauenvolles Geschehen, hinterher als schreckliche Wahrheit erwiesen haben. [] Wir haben heute zumindest in den Westzonen die demokratische Pressefreiheit. Wir haben freie politische Parteien, humanitäre Vereinigungen, und selbst eine Vereinigung ehemals von den Nazis politisch und rassisch Verfolgter. Für die Presse wie für alle diese genannten Organisationen müßten die Berichte über die heutigen Konzentrationslager ein Fanal sein. Es gilt, Aufklärung zu fordern, inwieweit die Berichte den Tatsachen entsprechen, und falls sich die Berichte auch nur zu einem Teil als wahr erweisen sollten, so müßten sie einen Proteststurm entfachen und müßte das Echo sich tausendfach in der Welt wiederholen. Es gilt, einem neuen Anfang zu wehren! Wir dürfen uns keiner falschen Duldung schuldig machen, damit wir nicht abermals in dem Sinne für kollektivschuldig erklärt werden können, von Unmenschlichem und Ungesetzlichem gewußt zu haben, ohne daß dagegen Protest erfolgt ist.
Published:04.1948