Die Deutsche Freiheitsliga ruft den Deutschen Bundestag in Bonn!

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Deutsche Freiheitsliga ruft den Deutschen Bundestag in Bonn! In der Sowjetzone Deutschlands, Anfang 1952 [] Geehrte Abgeordnete! Liebe Landsleute! In der nächsten Zeit werden Sie dazu berufen sein über wichtige Gesetze zu entscheid...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Deutsche Freiheitsliga
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 1952
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/07744EE4-6487-43B4-9D5D-A9FF1A01E7E4
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Die Deutsche Freiheitsliga ruft den Deutschen Bundestag in Bonn! In der Sowjetzone Deutschlands, Anfang 1952 [] Geehrte Abgeordnete! Liebe Landsleute! In der nächsten Zeit werden Sie dazu berufen sein über wichtige Gesetze zu entscheiden, die der engen Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den anderen Staaten des freien Europa dienen sollen. Das erste dieser Gesetze betrifft den Schuman-Plan. Soweit wir - denen als "Untertanen" der sowjetdeutschen Diktatur jede offene Fühlungnahme mit Ihnen bei schwerster Strafe verbotet ist - aus eingeschmuggelten westdeutschen Zeitungen und heimlich abgehörten Rundfunkmeldungen im Verlauf der Debatte in der Bundesrepublik beurteilen können spielt unter den gegen den Schuman-Plan, den Europa und gegen ähnliche Vorschläge gerichteten Argumenten insbesondere jene Behauptung eine entscheidende Rolle, daß jede derartige Beschluß die Spaltung Deutschlands vertiefen und uns in der Sowjetzone aller Hoffnungen auf eine baldige Befreiung und die Wiedervereinigung berauben würde. Empfangen Sie hierzu die nachstehende Erklärung der Deutschen Freiheitsliga, die ale größte überparteiliche Widerstandorganisation in der Sowjetzone gegen den Stalinismus kämpft und sich als Sprecherin der mundtot gemachten mitteldeutschen Bevölkerung berufen fühlt: Die Sowjetzone Deutschlande ist heute nichts anderes als eine unterworfene Kolonie der Sowjetunion. Gegenüber diesem machtgeschwollenen Koloß kann die deutsche Bundesrepublik unmöglich allein, isoliert, "neutral" und wehrlos als ebenbürtiger Verhandlungspartner auftreten. Nicht minder abwegig ist es, die Befreiung Mitteldeutschlands vom SEDistischen Joch durch freundliches Zureden oder inständiges Bitten erhoffen zu wollen. Darum ersehnt die unterdrückte Bevölkerung in der Sowjetzone nichts dringlicher als den möglichst engen und baldigen Anschluß der Bundesrepublik Deutschland an die freie Welt. Nur die geeinten freien Nationen können - wie Korea, die Berliner Luftbrücke usw. beispielhaft bewiesen haben - der Gefahr einer sowjet-kommunistischen Aggression widerstehen; ein isoliertes und neutralisierten Westdeutschland allein vermag dies niemals! Bedenken Sie bei der Beschlußfassung über den Schuman-Plan auch, daß uns in der Sowjetzone gerade erst Ulbrichts "Fünfjahrplan" auferlegt worden ist der den letzten Resten einer unabhängigen deutschen Wirtschaft ein Ende bereiten und die Rohstoffquellen und industriellen Leistungen Mitteldeutschlands noch totaler als bisher unter das allgewaltige stalinistische Staatsmonopol bringen und den Zwecken der Rüstungswirtschaft des Kreml nutzbar machen soll. All dies geschah unter brutalster Mißachtung selbst der elementarsten Interessen und Bedürfnisse von 18 Millionen deutscher Menschen! Wer heute noch behaupten will der Schuman-Plan vertiefe die wirtschaftliche Spaltung Deutschlands, möge sich daran erinnern, daß die Sowjetisierung der mitteldeutschen Wirtschaft bereits im Jahre 1915 begann, zu einer Zeit also in der vom Marshall-Plan, vom Schuman-Plan oder von anderen Maßnahmen zum Anschluß Westdeutschlands an Westeuropa überhaupt noch keine Rede war: mit dieser Sowjetisierung wurde die Zerreißung unserer deutschen Wirtschaft eingeleitet - obwohl das von den Kommunisten sonst so gern zitierte Potsdamer Abkommen ausdrücklich die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands verhieß. Natürlich würden auch wir in der Sowjetzone es lieber sehen, wenn der Schuman-Plan sofort ganz Deutschland einschließen könnte : das wird aber heute von der sowjetdeutschen Diktatur ganz offenkundig unmöglich gemacht. Deshalb muß zumindest die Bundesrepublik - zugleich auch im Namen der Bevölkerung Mitteldeutschlands - diesen ersten Schritt zur wirtschaftlichen Einheit des durch zwei Weltkriege verarmten europäischen Kontinente unternehmen. Er wird auch die Aussicht verbessern, die Interessen unseres Volkes und Landen bei künftigen Verhandlungen mit den sowjetischen Besatzungsmacht und mit den sowjetdeutschen Stellen erfolgreich wahrzunehmen. Mit Befriedigung haben wir davon Kenntniß genommen, wie die Vertreter der sowjetzonalen Diktatur - trotz aller vorangegangenen hysterischen Proteste - schließlich unter dem Druck der Weltöffentlichkeit gezwungen waren, der Ladung vor den politischen Ausschuß der Vereinten Nationen in Paris Folge zu leisten. Wir hegen keine Zweifel, daß es nur die "Drohung" der Eingliederung der Bundesrepublik in die Gemeinschaft der freien Nationen des Westens war, die Pankow und seine Moskauer Auftraggeber plötzlich dazu bewog dem Deutschen Bundestag Gesamtdeutsche Wahlen anzubieten - wenn auch der zunächst dafür geforderte Preis in Gestalt einer Annerkennung der sowjetzonalen Diktatur durch "Gesamtdeutsche Beratungen" unannehmbar ist. Aber wir hoffen zuversichtlich, daß Sie sich - als die allein rechtmäßig gewählten Vertreter unseres ganzen deutschen Volkes - durch solche Ablenkung und Verwirrungsmanöver nicht von der vor Ihnen liegenden Aufgabe abbringen noch in der Verwirklichung Ihrer Pläne ernstlich behindern lassen: durch eine ständig enger werdende Zusammenarbeit mit der freien Welt das volle Gewicht des Westens - als Gegengewicht zu den Machtgelüsten der Sowjetdiktatur - im Interesse Gesamtdeutschlands zur Geltung zu bringen! Auch wir Wiederstandskämpfer in der Sowjetzone wollen den Frieden. Wir weisen den Gedanken, unsere Befreiung vom Joch der sowjetdeutschen Diktatur einem neuen Krieg verdanken zu müssen, mit Abscheu zurück - so schwer auch die Tyrannei der Stalinisten mit Zwangsarbeit, Gewaltherrschaft, Bluturteilen, Aufrüstung und dem Mangel selbst am Notwendigsten auf uns lastet. Aber wir sind vollkommen davon überzeugt, dass die Annahme des Schuman-Planes durch Sie - und alle weiteren Schritte zur Einigung und Festigung des freien Europa - die Gefahr nicht etwa erhöht, wie es die offene und getarnte kommunistische Propaganda hinausschreit, sondern die Kriegsdrohung verringert! Nur isoliert, neutral und wehrlos ist Westdeutschland in Gefahr, von den kommunistischen Aggressoren überrannt zu werden - so wie diese in Südkorea einfielen, nachdem die Besatzungstruppen abgezogen waren! Darum bitten und beschwören wir Sie im Namen unserer zum Schweigen verurteilten Landsleute hier in Mitteldeutschland: reihen Sie die Bundesrepublik Deutschland in ein geeintes freies Europa, in eine geeintefreie Welt ein! Mit jedem Schritt in dieser Richtung bringen Sie den von allen sehnlichst erwarteten Tag näger [!] [näher] an dem die Zonengrenzen fallen und wir alle - deutsche in Ost und West - wieder in einem einzigen Lande vereint sein werden! Für ein wiedervereintes Deutschland in einem freien Europa! Für Einheit in Freiheit! Für Frieden in starker Gemeinschaft, nicht in wehrloser Isolierung! Die Deutsche Freiheitsliga
Published:1952