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Der Kampf im Schlachtergewerbe! [] An die fleischkonsumierende Bevölkerung in Hamburg, Altona, Wandsbeck und Umgebend [] Bürger, Arbeiter und Hausfrauen! [] Trotz jahrelangem Ringen und Kämpfen ist es den Schlachtergesellen noch nicht gelungen, eine Verbesserung ihrer traurigen Lage und Arbeitsverhältnisse zu erreichen. Entrechtet und geknechtet stehen diese heute noch da. [] Entrechtet, weil die Schlachtermeister den Gesellen jeden Gebrauch des gesetzlichen Koalitionsrechtes verbieten. Sie können nicht mit ansehen, daß der Schlachtergeselle von heute seine Denkungskraft auch auf das Wohl und Wehe des Gesellenstandes ausdehnt; daß er einsieht, daß große Mißstände im Berufe vorherrschend sind; daß das ganze Lohn- und Arbeitsverhältnis den heutigen sozialen Verhältnissen nicht mehr angepaßt ist, und daß es anders werden soll und muß. [] Geknechtet ist und wird der Geselle durch die übermäßig lange Arbeitszeit an Wochen-, Sonn- und Feiertagen. In Werkstätten, die sich meist in Kellereien befinden, müssen die meisten Gesellen vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein, meist noch den ganzen Tag bei Licht und ohne irgend welche besonderen Pausen, schwer arbeiten. [] Mehr als 1000 organisierte Schlachtergesellen kämpfen schon seit mehr als 4 Jahren um die notwendigste Verbesserung der hier bestehenden Lohn- und Arbeitsverhältnisse. In jedem Jahre sind die Gesellen an die hiesigen Innungen in der höflichsten Art und Weise herangetreten, mit dem Ersuchen, für bessere Lohn- und Arbeitsverhältnisse Sorge zu tragen. Jedesmal aber sind die Gesellen durch Vorspiegelungen, die Innungen werden Fürsorge treffen, vertröstet worden. [] Abermals und abermals wurden die Innungen gebeten, mit den Vertretern der Gesellen in Verhandlungen einzutreten, um die gegebenen Versprechungen endlich zur Wahrheit zu machen. [] Zwar kam es zu Verhandlungen, doch wurden hierbei nach vielem Hin- und Herziehen auch immer wieder nur Zugeständnisse gemacht, doch zur Einführung kamen dieselben bis heute nicht. [] Dis Situation spitzte sich denn auch immer mehr zu, getrieben durch das rigorose Verhalten der Innungen, die in letzter Zeit sogar jede Verhandlung mit den Gesellenvertretern kurzweg ablehnten, und die immer noch bestehenden elenden Lohn- und Arbeitsverhältnisse, die elenden, sich in Kellern, auf Böden und in sonstigen Winkeln sich befindlichen Schlafräume, die Nichtaushändigung eines Hausschlüssels und damit der Zweck, entweder noch vor Toresschluß im Hause zu sein, oder sich der ständigen Kontrolle des Meisters zu unterwerfen. [] Wer die Lohn- und Arbeitsverhältnisse in unserem Berufe in Hamburg kennt, der weiß sie zu schätzen. [] Niedrige Löhne, lange Arbeitszeit, nicht selten schlechte Behandlung, Ungeziefer in den meisten "Schlafstuben" der Gesellen, die ausgedehnte Sonntagsarbeit und außerdem einen ungeregelten Arbeitsnachweis. Um diese Mißstande zu beseitigen, haben die Schlachtergesellem ihre Lohnkommission beauftragt, einen Lohn- und Arbeitstarif auszuarbeiten, der auch die Innungen unterbreitet wurde. Das Resultat war wiederumpPrompte Ablehnung der Forderungen der Gesellen. Diese riefen nun das Gewerbegericht als Einigungsamt an; aber auch hier lehnten die Innungen jede Verhandlung mit den Gesellen ab, wohlwissend, daß sie den Gesellen daselbst unbedingt bessere und menschenwürdigere Verhältnisse zusagen mußten. [] Würden die Schlachtergesellen wirklich unerfüllbare Forderungen gestellt haben, so würde eine Aussichtslosigkeit auf Erfüllung derselben von vornherein zu erwarten gewesen. Doch was dieselben hauptsächlich fordern, ist [] 1. Eine 12 stündige Arbeitszeit inkl. Pausen; [] 2. die Abschaffung des Logiswesens im Hause der Meister; [] 3. Eine Minimallohn von 11 Mk. pro Woche; [] 4. Die Bezahlung eventuell notwendiger Ueberstunden mit 50 Pfg. pro Stunde; [] 5. Ein paritätischer Arbeitsnachweis. [] Das sind kurz die Forderungen, gegen die sich die Schlächtermeister mit aller Gewalt sträuben. [] Nichts, aber auch gar nichts, will man von all dem bewilligen. Daß diese Handlungsweise die Gesellen zur allergrößten Erbitterung treibt, dürfte wohl sicher jedem denkenden Menschen einleuchten. Daß aber die Gesellen mit derselben Erbitterung sich nunmehr diese Forderungen nicht einfach entgehen lassen wollen, beweist bis Arbeitsniederlegung a 15. Okt. Nicht aus Willkür, sondern getrieben durch die eiserne Notwendigkeit, die elenden und versumpften Verhältnisse aufzubessern und durch das halsstarrige Verhalten der Innungen sind mehr als 800 Schlachtergesellen in den Streik eingetreten. [] Hierbei sind die Kopfschlachter, welche aus Sympathie für die Wurstmacher- und Fleischergesellen seit dem 18. Oktober mitstreiken, eingerechnet. Bevor diese die Arbeit einstellten, wurde die Innung nochmals gemahnt, mit den Gesellen zum mindesten in Verhandlungen zu treten, um Bewilligungen herbei zu führen. Leider vergebens. Der Starrsinn der Innung zeigt sich aber noch von ganz anderer Seite. Während ein großer Teil von einsichtsvollen Meistern die Forderungen anstandslos persönlich, durch Unterschrift eines Reverses bewilligten, beschlossen die Innungsvorstände, diesen Meistern nicht nur jeden Kredit bei den Viehkommissionären zu entziehen, sondern sie sorgten auch dafür, daß denselben auch nicht ein Stück Vieh, oder Teile von geschlachteten Tieren verkauft werden. Die Frechheit geht soweit, daß man Agenten nach vielen Städten sendet, damit sie "arbeitswillige" Gesellen nach Hamburg exportieren. In Dresden warb eine dieser Krämerseelen 13 junge Gesellen. Nicht aber dadurch, daß den Gesellen gesagt wurde, daß sie nach Hamburg in Arbeit sollten, nein, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen warb man diese weltunkundigen Leute an, indem ihnen vorgegaukelt wurde, eine bestimmte Hamburger Firma habe auf Helgoland eine große Wurstfabrik errichtet und werde daselbst speziell Dresdener Fleischergesellen beschäftigen. In anderen Städten soll man in ähnlicher Weise verfahren haben. Den auf diese schmutzige Art und Weise angenommenen Gesellen werden die Verbandspapiere sofort abgenommen, die Gesellen werden nach hier geschickt und, wenn sie hier ankommen, den ersten besten Meistern, welche am besten schreien können und in der größten "Klemme" sich befinden, ohne daß der betr. Geselle will, übergeben, in eine Droschke verpackt und nach der Behausung des betr. Meisters gebracht. Auf die Frage des Gesellen, was sie hier sollten, sie waren doch nach Helgoland angeworben, hüllt man sich sofort in Schweigen. Sobald die Gesellen jedoch erfahren, daß hier gestreikt wird, verlassen sie gewöhnlich sofort die Arbeit, weil sie nur allgemein wissen, daß die Arbeitsverhältnisse in unserem Berufeüberall die gleich schlechten sind. [] Bürger, Arbeiter, Hausfrauen! Ihr alle werdet schon oft bemerkt haben, daß gerade der Schlachtergeselle der einzige ist, der vom frühsten Morgen bis in die späteste Nacht hinein arbeiten muß, ungeachtet dessen, ob er verheiratet ist oder nicht, ob er Kinder zu ernähren hat oder keine; was geht das seinen Meister an, wenn der nur recht viel aus dem Gesellen herausschlagen kann. Verheiratete Gesellen beschäftigt man eben nicht gern, weil sie auch andere Ansprüche machen, dagegen zieht man junge Gesellen vor, die mit jedem ihnen angebotenen Lohne zufrieden sein müssen, unbekümmert, was die alten Gesellen nun machen werden. Die Schlachtergesellen Hamburgs sind durch das brutale Verhalten der Innungen direkt in den Streik getrieben worden. Die Innungen wollen eine Machtprobe ausüben. Unverhohlen haben sie diese Erklärung wiederholt abgegeben. Unbeachtet alle Wünsche der Gesellen gelassen. Nunmehr ist doch den Gesellen klar geworden, daß diese Art Innungen sie nur als Menschen zweiter Klasse behandeln wollen und daß sie sich dagegen gründlich wehren müssen. Ob es aber den Gesellen gelingen wird, bessere Verhältnisse zu erreichen, wenn sie sich nur auf ihre eigene Kraft verlassen wollen, dürfte bei dem brutalen Widerstand der Innungen fraglich sein. [] Aus diesem Grunde richten wir im Namen aller Schlachtergesellen von Hamburg, Altona, Wandsbek und Umgebend die dringende Bitte an Euch, da wir Eurer Mithülfe bedürfen, uns dieselbe weitgehendst zukommen zu lassen, und zwar dadurch, daß Ihr Eure Ware nur in den Schlachtereien kauft, welche die geringen Forderungen der Schlachtergesellen bewilligt haben. [] Helft uns in unserem Gewerbe Reformen durchzuführen, die eine zeitgemäße sichere Garantie für die mustergültige Herstellung des wichtigen Nahrungsmittels Fleisch- und Wurstwaren gewährleisten. Die Streikleitung [] der ausständigen Schlachtergesellen von Hamburg, Altana, Wandsbek u. Umgegend. [] Verlag von Paul Hensel, Berlin, Druck von Fr. Meyer in Hamburg.
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