Summary: | Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Lochung
Ein gefährliches Experiment: [] "Kohle aus Fett und Fleisch?" [] Kameraden, Bergarbeiter! [] Grubenbeamte und Angestellte im Ruhrbergbau! [] Punktesystem, Carepaket und I.K.-Marken haben die in- und ausländischen Herren der Ruhrzechen nicht an ihr Ziel gebracht, die Kohlenförderung wesentlich zu steigern. Es konnte auch nicht anders kommen. Bestanden und bestehen doch heute noch immer nicht die Voraussetzungen für eine gesunde Fördersteigerung. Jetzt sollt ihr alle, ob Arbeiter oder Beamte, mit schärferen Formen ausländischer Ausbeutung angefaßt werden. Deshalb sollt ihr mit dem Versprechen, 50 bis 200 Gramm Fett oder Fleisch zusätzlich pro Schicht im Monat Juni zu erhalten, gedrängt werden, eine Mindest-Förderleistung von 290000 Tonnen pro Tag zu erreichen. [] Von dieser Mindest-Förderleistung von 290000 Tonnen Kohlen pro Schicht soll in Zukunft jede Sonderzuwendung abhängig sein, d.h., wird die tägliche Förderung von 290000 Tonnen nicht erreicht, fällt der Anspruch auf Punkte, I.K.-Marken und sonstige Sonderzuteilungen weg. [] Das teilte man euch aus verständlichen Gründen in dem Anschlag am schwarzen Brett nicht mit. Es wurde nur verkündet, daß im Rahmen des neuen Anspornplanes bei einer täglichen Fördersteigerung auf 290000 Tonnen Kohle Gedingearbeiter unter Tage 200 Gramm, Schichtlöhner unter Tage 100 Gramm und Schwer- wie Schwerstarbeiter über Tage 50 Gramm Fett oder Fleisch für jede verfahrene Schicht im Juni erhalten sollen. Die verantwortlichen Stellen hielten es aber nicht für zweckmäßig, euch über folgendes zu informieren: [] 1. Krankfeiernde, Unfallverletzte und Urlauber scheiden sofort aus, weil ohne Ausnahme als Basis 26 Schichten zugrunde gelegt werden. [] 2. Das Fördersoll wird für sogen. Konzerne oder Zechengruppen festgelegt. Erfüllt eine solche Gruppe von Zechen das ihr gestellte Fördersoll nicht, verlieren alle Belegschaften dieser Gruppe den Anspruch auf die Sonderzuteilung. [] 3. Gedingearbeiter, die trotz größter Anstrengung den Hauermindestlohn nicht erreichen können, werden wie Schichtlöhner behandelt. [] Kameraden! [] Denkt ihr noch daran, daß eure Frauen und Kinder, die gesamte Bevölkerung, monatelang keine Fleisch- und Fettzuteilungen erhalten haben? Habt ihr dieses Fett für euch auf Kosten der übrigen Bevölkerung gefordert? [] Um verschärfte Ausbeutungs- und Unterdrückungsmaßnahmen im Bergbau durchzuführen, bietet man euch jetzt das an, was man den Arbeitern in den anderen Industrien, den Frauen und Kindern monatelang in skrupelloser Weise vorenthalten hat. [] Vor einigen Wochen hat sich der Vorstand eurer Gewerkschaft in einem einstimmigen Beschluß gegen die weitere Aufstockung der Sonderrechte und Sonderzuwendungen für die Bergarbeiter gewandt. Damit erklärte sich der Vorstand mit eurem Einverständnis solidarisch mit der übrigen Bevölkerung. Und so bedauerlicher ist es, daß einige Mitglieder des Vorstandes eurer Gewerkschaft eigenmächtig und ohne euch zu fragen, den neuen Plan der D.K.B.L. unterschrieben haben. [] Kirdorfs Geist regiert die D.K.B.L.! [] Die D.K.B.L. und ihre ausländischen Auftraggeber wissen selbstverständlich, daß eine gesunde Steigerung der Kohlenproduktion infolge der unzulänglichen technischen Ausrüstung sowie der jetzigen anomalen Arbeits- und Lebensbedingungen unmöglich ist. Deshalb hat die D.K.B.L in einem Schreiben vorn 26. Mai 1948 alle Zechenverwaltungen angewiesen, sofort neue, verschärfte Methoden der Antreibung und Ausbeutung anzuwenden, um die tägliche Förderung unter allen Umständen auf 290000 Tonnen zu bringen und diese Leistung dann für die Zukunft als Mindestleistung zu betrachten. [] Das Rundschreiben der D.K.B.L ist getragen vom reaktionären Geist Kirdorfs, und der brutale Herr-im-Hause-Standpunkt feiert in den Anweisungen zur verstärkten Antreiberei seine Auferstehung. [] Alle Mann vor Kohle! [] In Ziffer 1 und 2 werden die Grubenverwaltungen angewiesen, sofort alle Uebertage-Betriebe nach bergfähigen Männern abzukämmen. Die unproduktiven Schichten unter Tage sind sofort zu beseitigen. Die so ausgekämmten Ueber- und Untertagearbeiter sollen sofort vor Kohle verlegt werden, wobei natürlich ihre Arbeit von den verbleibenden Uebertagearbeitern und Schichtlöhnern unter Tage mitzuleisten ist. [] Im Laufschritt marsch, marsch! [] Ziffer 3 fordert eine gewissenhafte Kontrolle der Arbeitszeit, d.h., daß jeder Gedingearbeiter jetzt wieder auf das gemeinste bespitzelt wird, damit er nicht etwa eine Minute zu spät die Arbeit aufnimmt oder zu früh verläßt, nicht zu lange buttert und sich im Laufschritt vom Schacht zur Arbeit begibt. [] Lohnraub auf der Hängebank! [] Ziffer 4 behandelt das Kapitel vollbeladener Kohlenwagen. Jeder Bergarbeiter weiß, daß die vor Ort beladenen Kohlenwagen auf dem Transport zum Schacht so durcheinander gerüttelt werden, daß sie nicht mehr in dem Zustand auf der Hängebank ankommen, in dem sie beladen wurden. In der Anweisung wird aber verlangt, "daß lt. Betriebsordnung die Wagen strichvoll auf der Hängebank zu erscheinen haben", andernfalls hagelt es Strafen wegen Mindermaß und werden unzählige Wagen genullt, also nicht bezahlt. [] Gedingeschere in Aktion! [] Die Ziffer 5 verlangt die Ueberprüfung der Gedingelöhne oder mit anderen Worten: Gedinge, die den Bergarbeitern heute noch die Möglichkeit bieten, ein paar Pfennige oder Groschen über den Hauer-Durchschnittslohn zu verdienen, werden so gekürzt, daß bei größter Kraftanstrengung im Höchstfall nur noch der Hauer-Durchschnittslohn herauskommt "Die geschriebenen Löhne sind sofort zu vermeiden", d. h., wenn ganze Kameradschaften selbst durch Einwirkung von höherer Gewalt nicht den Hauer-Durchschnittslohn verdienen, bekommen sie das ausgezahlt, was sie nach Ansicht der Grubenverwaltung verdient haben. [] Sechs Tage sollst du arbeiten - am siebenten auch! [] Mit der Ziffer 6 verlangt die D.K.B.L. das Verfahren von Vollsetzschichten als wirksames Mittel zur Steigerung der Förderung. Die gesetzliche Arbeitszeit im Ruhrbergbau beträgt 7 Stunden. Unsere Bergarbeiter leisten schon jahrelang unter schweren Bedingungen und bei vollkommen unzureichender Ernährung eine Stunde Ueberarbeit pro Schicht. Jetzt sollen sie auch noch Sonnabend abends und Sonntag anfahren. Die Durchbrechung der 7-Stundenschicht genügt den in- und ausländischen Nutznießern noch nicht. Der Bergmann soll sich langsam an die Siebentagewoche gewöhnen. [] Raubbaupolitik - Ruin des Ruhrbergbaus! [] Trotzdem schon jahrelang im Ruhrbergbau eine Raubbaupolitik betrieben wurde, verlangen die Ziffern 7 und 8 die Konzentration auf die ergiebigsten Betriebspunkte. Außerdem sollen die Aus- und Vorrichtungsarbeiten weitgehend eingestellt werden, um dadurch die Zahl der produktiven Schichten zu erhöhen. Abgesehen davon, daß man mit dieser Raubbaupolitik unseren Ruhrbergbau vollkommen zugrunde richtet, wird Leben und Gesundheit der Bergarbeiter durch Einstellung von Aus- und Vorrichtungsarbeiten aufs höchste gefährdet, zumal bei allen vorhergegangenen Anreizaktionen schon immer Gesteins- und Reparaturhauer bei der Kohlengewinnung eingesetzt wurden. [] Kameraden, Bergarbeiter! [] Seid wachsam! Ein gefährliches Spiel wird mit euch getrieben. Mit der einmaligen Zuwendung von einigen Pfund Fett will man euch schändliche Ausbeutungs- und Unterdrückungsbedingungen aufzwingen. In den acht Punkten des eben erwähnten Rundschreibens haben die in der D.K.B.L. versammelten Grubenherren ihren Auftraggebern und Heftern ihr neues Programm zur Ausbeutung und Unterdrückung der Ruhrbergarbeiter bekanntgegeben. [] Sie haben den Kampf angesagt! [] Jetzt liegt die Entscheidung in eurer Hand! [] Nehmt Stellung in den Betrieben, fordert von euren Betriebsräten und von der Gewerkschaftsleitung, daß sie mit euch einen entschlossenen Kampf zur Zerschlagung dieses schändlichen Planes führen. [] KPD Bezirksvorstand Ruhrgebiet [] Verantwortlich: Kurt Goldstein, Herne. - Druck: R. Krawehl, R. Dez. 45, Dortmund, 1911, 300000, 7. 6. 48, Kl. C.
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