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Was geht im VDS vor? Kommilitoninnen und Kommilitonen! Vor einigen Wochen hat der Sozialistische Deutsche Studentenbund einen offenen Brief an den Verband Deutscher Studentenschaften gerichtet. Der Inhalt dieses Briefes spricht für sich selbst: Hier der Text: Hamburg, den 31. März 1954 Sehr geehrter Herr Gassert! Sie werden sich sicherlich an unser kürzliches Gespräch in Bonn erinnern; Sie kündigten mir dabei Ihre Absicht an, mich zu Beginn dieser Woche in Hamburg aufzusuchen. Da Sie gestern und heute hier waren, ich aber von Ihnen nichts Näheres erfahren habe, nehme ich an, daß ich mich demzufolge von meiner Ihnen gegenüber gegebenen Zusage entbunden sehen darf, vor Ihrem Besuch in Hamburg keine Stellung zu den in Bonn bereits angeschnittenen Fragen zu nehmen. Erlauben Sie mir deshalb, Ihnen schriftlich einige präzise Fragen hinsichtlich der Entwicklung der Deutschen Studentenzeitung vorzulegen: 1. Ist es richtig, daß der Verlag Broschek & Co. sich in dem Vertrag mit dem VDS einen entscheidenden Einfluß auf die Zusammensetzung der Redaktion vorbehalten hat? 2. Ist es richtig, daß der VDS monatlich 10 000 DM für die Deutsche Studentenzeitung an den Verlag Broschek zahlt, obwohl die Druck- und Vertriebskosten zusammen mit den Unkosten für die Redaktion diesen Betrag nicht einmal erreichen?3. Ist es richtig, daß von den 10 000 DM ein Teilbetrag von 4000 DM vom VDS gezahlt werden, wobei es sich um Mittel handelt, die aus Industriespenden stammen und mit der Auflage verbunden sind, bestimmte politische und personelle Zugeständnisse in der redaktionellen Gestaltung der Deutschen Studentenzeitung zu machen? 4. Ist es richtig, daß die Entlassung des bisherigen Chefredakteurs der DSZ aus einer Begründung erfolgte, die sich angeblich, soweit die VDS in Betracht kommt, auf eine Entscheidung der Organe des VDS stützt, obwohl die Geheimbesprechung im Presseausschuß des VDS in Marburg rechtlich und faktisch nicht als eine solche Meinungsäußerung angesehen werden kann? 5. Ist es richtig, daß der Vertrag mit dem Verlag Broschek auf 10 Jahre abgeschlossen wurde? 6. Unter der Voraussetzung, daß die obengenannten Fragen zutreffend beantwortet werden, erhebt sich das Problem: Konnten Sie in einer solchen Haltung etwas anderes sagen als die Preisgabe der Freiheit der Meinungsbildung der deutschen Studentenschaft schlechthin? Zu Ihrer Information darf ich Ihnen sagen, daß die genannten Fragen dem SDS durch die Redaktion einer nichtsozialistischen Zeitschrift bekanntgeworden sind, wobei es sich nicht um die Deutsche Studentenzeitung handelt. Mir scheinen die hier angesprochenen Fragen für den Charakter und die Aufgabenstellung des VDS von so gravierender Bedeutung zu sein, daß ich Sie bitten muß, dieses Schreiben als einen offenen Brief zu betrachten. Dementsprechend habe ich den wesentlicher, Inhalt dieses Schreibens heute in Form. einer Presseerklärung des SDS an dpa gegeben. Sie können überzeugt sein, sehr geehrter Herr Gassert, daß es dem SDS nicht dabei um die Frage geht, ob die Zeitschrift des VDS einer sozialistischen Vorstellung entspricht oder nicht. Vielmehr sind wir von der großen Sorge erfüllt, daß hier im akademischen Bereich ein Stück Freiheit preisgegeben wurde, eine Tatsache, die bei der besonderen Verpflichtung des Akademikers im öffentlichen Leben voii größter Tragweite sein wiirde. In diesem Sinne bitte ich Sie, dieses Schreiben zu verstehen und wäre Ihnen für eine Stellungnahme dankbar. Mit freundlichen Grüßen Ihr (gez.) Ulrich Lohmar [] Bisher hat der Vorstand des VDS die an ihn gestellten Fragen nicht hinreichendbeantwortet. Wir sind jedoch der Auffassung, daß die deutsche Studentenschaft einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, ob die vom SDS gestellten Fragen mit ja oder nein beantwortet werden. Der SDS hat gefragt - der VDS hat das Wort!
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