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Postwurfsendung [] An alle Beamten! [] Werner Hansen [] KÖLN-KLETTENBERG [] SÜLZGÜRTEL 5 [] Werner Hansen [] Landesbezirksvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes für Nordrhein-Westfalen [] KÖLN-SÜLZ, August 1953 [] SÜLZGÜRTEL 5 [] Verehrte Frau Kollegin! [] Verehrter Herr Kollege! [] Viele unserer Mitbürger werden sich auch bei der kommenden Bundestagswahl die Frage stellen, ob sie sich Überhaupt beteiligen wollen. Sicherlich wird auch mancher sonst Einsichtige angesichts der angespannten außen- und innenpolitischen Situation und dem sich hieraus ergebenden Hin und Her der politischen Meinungen zögern. [] Ihnen als Beamten dürfte die Antwort jedoch nicht schwerfallen. Ihr Schicksal ist mit dem Wohl und Wehe unserer Demokratie aufs engste verbunden. Deshalb kann es für Sie am Wahltag nur einen Weg geben - den zur Wahlurne. [] Wem sollen Sie aber Ihre Stimme geben? Politische Abenteuer, Radikalismus von links oder rechts haben wir zur Genüge kennengelernt. Sie haben sich noch nie zum Segen unseres Volkes ausgewirkt. Dank Ihrer Stellung im öffentlichen Leben sind gerade Sie in der Lage, diese Tatsache klar zu erkennen und kritisch zu würdigen. Ein Abgleiten unseres Volkes zu den Flügelparteien würde wiederum das Ende bedeuten. Ihre Stimme wird also einer der Parteien zukommen, die gewillt sind, den Neubau unseres Staates in demokratischem Geiste weiterzuführen. [] Als Mitarbeiter des verstorbenen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. h.c. Hans Böckler, hatte ich sehr früh Gelegenheit, mich auch speziell mit den Fragen der Beamtenschaft zu befassen. Ich darf darauf hinweisen, daß durch den Mund des Verstorbenen sich der DGB bereits am 14. März 1946 eindeutig zur Beibehaltung des Berufsbeamtentums bekannt hat. Das war zu einer Zeit, als die Frage die Gemüter erregte, ob man den Beamten zur Ausübung der staatlichen Gewalt überhaupt noch beibehalten sollte. [] Ich bin der Ansicht, daß für Deutschland ein Berufsbeamtentum erforderlich ist, dessen Stärke besonders in seiner Sauberkeit und Unbestechlichkeit liegt. Daß das Recht der Berufsbeamten den demokratischen Anforderungen der heutigen Zeit angepaßt werden muß, dürfte selbstverständlich sein. [] Die Arbeiten an einem neuen Bundesbeamtengesetz sind deshalb von mir sehr begrüßt und gefördert worden. Als Mitglied des Bundesausschusses des DGB habe ich mich stets für die Belange der Beamten eingesetzt und freue mich, daß es unseren Bemühungen gelungen ist, ein fortschrittliches Beamtengesetz in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen. [] Zweifellos haben sich nicht alle Erwartungen erfüllt, die ich an dieses Gesetz gestellt habe. Die dienstrechtlichen und wirtschaftlichen Besserstellungen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand können jedoch von keiner Seite übersehen werden. [] Um ein sauberes und leistungsfähiges Berufsbeamtentum zu erhalten, ist es unbedingt notwendig, die materielle Grundlage zu sichern. Es war nach meiner Meinung unmöglich, die Besoldung der Beamten auf dem Stand von 1927 festzuhalten. Die Kluft zwischen Preisen und Gehältern ist besonders nach der Währungsreform immer größer geworden. Es wurde immer mehr offenbar, daß Beamte und auch Angestellte und Arbeiter nicht den Anteil am Sozialprodukt erhalten, der ihnen auf Grund ihrer aufopferungsvollen Arbeit tatsächlich gebührt. Deshalb habe ich mich besonders für die Aufbesserung der Gehälter der Beamten eingesetzt und darf sagen, daß durch die Arbeit des von mir geleiteten Landesbezirks des DGB in Nordrhein-Westfalen Erfolge erzielt werden konnten. [] Ich erinnere an die Besoldungsänderungsgesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, die für den Bund maßgeblich geworden sind. Neben den besonderen Zulagen für die Beamten mit den niedrigsten Gehältern, die dank meiner Initiative immer und immer wieder vom DGB gefordert worden sind und schließlich gesetzlich festgelegt wurden, hat es mich besonders gefreut, daß es gelungen ist, die Besoldungserhöhungen auch für die Pensionäre wirksam werden zu lassen. Hier hat der DGB einen besonders harten Kampf mit dem Bundesfinanzminister führen müssen, der der Meinung war, daß Gehaltsaufbesserungen lediglich den aktiven Beamten zugute kommen dürften. Weil der Beamte von heute der Ruheständler von morgen ist, habe ich mich gegen diese Ansicht ausgesprochen, und der Erfolg hat meinen Bemühungen recht gegeben. [] Meine Bestrebungen um eine Neuregelung des Besoldungsrechtes sind noch nicht abgeschlossen. Ich bedauere, daß ein im vergangenen Jahr vorgelegter Entwurf einer Besoldungsreform in Nordrhein-Westfalen durch den Landtag nicht mit der gebotenen Dringlichkeit behandelt wird. Denn erst dann, wenn wir eine gerechte und übersichtliche Besoldung für die Beamten erzielen, haben wir die materielle Sicherheit für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes erreicht. Hier schweben mir besonders einige Gedanken vor, die ich gesetzlich verwirklicht sehen möchte. [] Notwendig erscheint mir die Reduzierung der fast 50 Besoldungsgruppen auf ein erträgliches Maß. [] Die Dienstaltersstufen müßten gleichfalls verkürzt werden, wobei die Anhebungen in den ersten Stufen höher sein sollten, um dem jungen Beamten die Möglichkeit zu geben, eine Familie aufbauen zu können. [] Die Einstufung der einzelnen Beamtengruppen bedarf der Überprüfung, weil die Besonderheiten hinsichtlich Vorbildung und Dienstleistung einzelner Gruppen bisher zuwenig erkannt und berücksichtigt worden sind. [] Diese wenigen Gesichtspunkte zur Besoldung mögen genügen. Hinsichtlich der Personalvertretung bin ich der Meinung, daß dieses Gesetz die Zusammenarbeit aller im öffentlichen Dienst Stehenden fördern muß. Es ist deshalb erforderlich, ein Gesetz zu schaffen, welches auf den Gemeinsamkeiten der Beamten, Arbeiter und Angestellten aufbaut. Hierbei muß das größtmögliche Maß von Mitbestimmung erreicht werden. Ich betrachte die parlamentarische Kontrolle des öffentlichen Dienstes als den Ausdruck der überbetrieblichen Mitbestimmung, die notwendigerweise ihre Ergänzung in einer innerbetrieblichen Beteiligung sämtlicher Bediensteten im öffentlichen Dienst finden muß. Die Personalvertretung muß mindestens das gleiche Recht in personellen, sozialen und gegebenenfalls auch in wirtschaftlichen Dingen erhalten, wie das im privaten Leben durch das Betriebsverfassungsgesetz garantiert ist. Hierdurch wird die Verantwortlichkeit des einzelnen Beamten gegenüber dem öffentlichen Dienst noch erheblich verstärkt. Ich habe meine ganze Arbeit im letzten Jahr für eine in den Interessen der Bediensteten liegende Lösung eingesetzt und zutiefst bedauert, daß nicht schon anläßlich der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes eine Regelung auch für den öffentlichen Dienst erfolgt ist. Die Atmosphäre wäre sicherlich hierdurch erheblich entgiftet worden. [] Ein Gebiet, welches mir besonders am Herzen liegt, ist die Beseitigung des Unrechts, welches die Beamten auf Grund ihrer politischen und religiösen Einstellung oder auf Grund ihrer Rasse getroffen hat. [] Das Unrecht, das im Verlauf des Nazisystems begangen worden ist, ist heute - acht Jahre nach der Liquidierung dieses Unrechtgstaates - immer noch nicht wiedergutgemacht. Wenn wir die Achtung vor uns selber und damit auch vor der ganzen Welt wiedergewinnen wollen, ist es unsere erste Pflicht, dieses Unrecht auszuräumen. Erst dann können wir darangehen, über die verschiedensten gesetzlichen Maßnahmen all den Beamten zu helfen, die betroffen worden sind durch falsch verstandene Säuberungsmaßnahmen. [] Ich habe mich immer dafür eingesetzt und werde es auch weiterhin tun, daß die ,echten Beamtenrechte auch dieses Personenkreises wiederhergestellt und erhalten werden. Allerdings wehre ich mich gegen die Anerkennung von Rechten, die nur durch die Verbindung mit den damaligen Machthabern erworben werden konnten. Ich wehre mich dagegen, den Lagerkommandanten des Konzentrationslagers und auch seine Wachmannschaften als Beamte anzuerkennen. [] Das Gesetz zu Art. 131 kann aber nur dann fruchtbringend für die Beamtenschaft sein, wenn es all diejenigen ausschließt, die nicht bereit sind, dem Ruf der Verwaltung zu folgen, weil sie anderweitig in bessere Positionen gekommen sind und trotzdem einer gesunden Personalwirtschaft in der Verwaltung durch die Blockierung der Planstellen im Wege stehen. [] Auch das Disziplinarwesen im öffentlichen Dienst hat mich eingehend beschäftigt. Hier ist es m.E. erforderlich, die strafrechtlichen Gedanken zu entfernen. Die im Lande Nordrhein-Westfalen gebrauchte Formulierung "Dienstordnungsgesetz" entspricht dem Gedanken, den ich von einem solchen Gesetz habe. Dementsprechende Vorschläge habe ich bei den verschiedenen Entwürfen zur Neuregelung des Disziplinarwesens der Landesregierung immer wieder vorgetragen und auch gleichermaßen im Bundesvorstand des DGB für die Neuregelung der Bundesdisziplinarordnung vertreten. [] Ich habe die Absicht, im kommenden Bundestag diese Gedankengänge, die ich im Landesbezirk des Deutschen Gewerkschaftsbundes bereits durcharbeiten konnte und deren Ansätze durch diese Arbeit schon in das Stadium der Verwirklichung getreten sind, auch auf der parlamentarischen Ebene durchzusetzen. [] Ich bitte Sie, hierbei um Ihre persönliche Unterstützung, indem Sie mir Ihre Stimme geben. Ich bin Kandidat der Sozialdemokratischen Partei Ihres Wahlbezirks. Vor allen Dingen erbitte ich aber auch Ihre Anregungen, die für eine wirklich fruchtbringende Arbeit unerläßlich sind. [] Ich will keine Schlagworte gebrauchen, weil ich weiß, daß die Tat das wesentliche Moment darstellt. Daß ich gearbeitet habe, darf ich mit gutem Gewissen für mich in Anspruch nehmen. Ich verspreche Ihnen nur eines: mich jederzeit mit meiner ganzen Kraft für die Verbesserung der Lebensbedingungen aller Schaffenden in Deutschland und damit für das ganze deutsche Volk einzusetzen. [] Mit kollegialer Begrüßung [] Ihr [] Werner Hansen
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