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Sonderblatt [] Dresdner Anzeiger [] Verantwortlicher Schriftleiter: Heinrich Flach in Dresden [] Verlag bei K. S. Adreß - Comptoirs in Dresden - Buchdruckerei der Dr. Güntz'schen Stiftung in Dresden [] Sonnabend den 9. November 1918 früh 6 Uhr [] Der provisorische Arbeiter- und Soldatenrat erläßt folgende Kundmachung: [] Freitag abend 8 Uhr bildete sich auf dem Altmarkt ein Menschenauflauf, dessen Mittelpunkt zwei Redner waren, welche mit sinnlosen, aufrührerischen Forderungen die Massen aufreizten. Auf Vorschlag zogen dann die Massen, ständig Verstärkung erhaltend, nach der Neustädter Hauptwache. Dort staute sich die Menge, hob die Wache auf und schickte sich an, die Räumlichkeiten zu plündern. In diesem Augenblick riß in besonnener Weise Herr Otto Knautz die Aufmerksamkeit der Menge durch eine Ansprache auf sich und forderte sie auf, jede Gewalttätigkeit zu unterlassen. Es gelang ihm auch, die aufgeregten Elemente soweit zu beruhigen, daß unter seiner Leitung der Innenhof des Kriegsministeriums von sämtlichen Demonstranten gesäubert werden konnte; die Türen wurden wieder geschlossen. Währenddem zog der größte Trupp durch die Bautzner und Forstftraße nach den Grenadierkasernen, wo die Wachen ohne Widerstand den Demonstranten übergeben wurden. Auch hier mußte vor Plünderungen gewarnt werden. Dies gelang Herrn Knautz unter Beihilfe einiger besonnener Kameraden, darunter die Herren Sergeant Goldberg, Unteroffizier Albert Otto, Grenadier Huter und Musketier Friedrich Garbor. Er wurde der Menge soweit Herr, daß sie sich wieder beruhigte. Dann vereinigten sich die vorgenannten Herren zu einem vorläufigen Ausschuß, unter dessen Führung die Menge nach der Schützenkaserne zog, welche ihnen ebenfalls ohne Widerstand übergeben wurde. Jetzt drang aus der Menge immer stärker die Forderung, sämtliche Militärarrestanten zu befreien. Infolgedessen wandte man sich nach dem Festungsgefängnis auf der Königsbrücker Straße. Dort angekommen, öffnete die Menge gewaltsam das Tor und wollte ihr Zerstörungswerk beginnen. Durch Ansprachen der Herren Knauß und Goldberg von der Kanzlei aus und im Einvernehmen mit den dortigen Offizieren wurden auch hier wieder die unruhigen Elemente gezwungen, daß sie in die Abmachungen des inzwischen auf Vorschlag des Majors gebildeten provisorischen Arbeiter- und Soldatenrates einwilligten, nur die Arrestanten und die Mannschaften mit kleineren Strafen sofort zu befreien, während die wegen schweren Verbrechen Inhaftierten in Gewahrsam verblieben. Hierauf zog die Menge nach dem Generalkommando, woselbst die Wache von einem vorhergehenden Zug bereits aufgehoben worden war. Von dem diensthabenden Offizier Herrn Hauptmann Thierig wurde daselbst dem Arbeiter- und Soldatenrat erklärt, daß Freitag abend bereits eine Sitzung im Kriegsministerium unter Vorsitz des Königs stattgefunden hat, in welcher die Bedingungen des Arbeiter- und Soldatenrates wie in Hamburg und Kiel angenommen worden sind. Es wurde folgendes vereinbart: [] Dresden, 9. November 1918. [] Mit dem heutigen Abend ist die Leitung der Geschäfte der Garnison Dresden in die Hände des provisorischen Soldaten- und Arbeiterrates übergegangen. Sämtliche Militär- und Zivildehörden arbeiten in ihrer bisherigen Zusammensetzung weiter unter der Leitung und Aufsicht des provisorischen Soldaten- und Arbeiterrates. [] Dagegen verpflichtet sich der provisorische Soldaten- und Arbeiterrat mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln Ausschreitungen und Plünderungen, sowie jedes Vergehen gegen die öffentliche Ordnung zu verhinderte. Das Privateigentum und die persönliche Freiheit werden unter allen Umständen gewahrt werden. [] Im Interesse der baldigen Wiederherstellung geordneter Verhältnisse hat sich der Hauptmann Thierig vom stellvertretenden Generalkommando bereit erklärt, in den Soldatenrat einzutreten. [] Die Richtigkeit untenstehender Unterschriften wird durch Abdruck des Dienststempels bescheinigt. (L. S.) [] Thierig. Sergt. Paul Goldberg. Otto Knautz. Erich Helzig. Hans Lindner. Heinr. Huter. Hardy Vehmann. Gren. Kurt Dobenenz. Otto Heck. Konrad Schaefer. Traugott Blöhbaum. Hermann Döhnert. Gren. Paul Klötzer. Utffz.. J. Otto. Emil Fischer. Martin Hofmann. [] Ferner wurde noch vereinbart, daß Sonnabend vormittag eine gemeinsame Sitzung im Beisein des kommandierenden Generals stattfindet, in welcher die näheren Bedingungen mit dem sich bis dahin konstituierten Arbeiter- und Soldatenrat festgelegt werden. [] Der provisorische Arbeiter- und Soldatenrat verpflichtete sich, so viel in seinen Kräften steht, die Massen von Ausschreitungen und Gewaltsamkeiten zurückzuhalten. [] Der Bahnverkehr bleibt vorläufig aufrechterhalten. [] Kameraden und Genossen! [] Unsere Schicksalsstunde hat geschlagen. Die Macht ist in unserer Hand! Hört auf uns! Sammelt Euch um Eure erwählten Führer. Keine Unbesonnenheiten! Ruhe und eiserne Nerven sind das Gebot der Stunde! Zeigt, daß Ihr Männer seid, folgt unseren Sicherheitsorganen, plündert und raubt nicht! Es ist Euer unwürdig und gereicht Euch nicht zur Ehre. Zum Ziel führt es nicht. [] Große Aufgaben liegen vor uns. [] Aber damit sie erfüllt werden können, ist die Einigkeit und Geschlossenheit der Bewegung erforderlich. [] Wir haben einen provisorischen Arbeiter- und Soldatenrat aus Vertretern hiesiger Gewerkschaften und Garnisontruppenteilen gebildet. Folgt seinen Anweisungen und Beschlüssen, sorgt für Ruhe und Ordnung, damit sich nichts ereignet, was gegen uns ausgenutzt werden kann. Denkt auch an die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Kasernen! [] Alle Arbeiter und Soldaten sind auf unserer Seite. [] Wir sind unserem Ziele nahe! [] Dresden, 9. November 1918. [] Der prov. Arbeiter, und Soldatenrat.
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