Summary: | Bemerkungen: Eingangsstempel: 25. Juli 1960<NZ>handschriftlicher Vermerk: DW 2-2e ; [] = Absatzmarken im Volltext des Originals
Erklärung und Gleichschaltung der SPD [] Das Nichtzustandekommen der Pariser Gipfelkonferenz und die Ergebnislosigkeit der Genfer Abrüstungsverhandlungen haben die Gefährlichkeit jener "Politik der Stärke" erwiesen, die darauf zielt, die immer sichtbarer werdende Schwäche der Positionen des Kapitalismus, die im schrittweisen Verlust seiner Kolonien, die aber auch in den Inflationsanzeichen der westlichen Rüstungswirtschaft und dem Handelskrieg in Westeuropa zum Vorschein kommt, durch Provokationen, Verhandlungssabotage und Ausweichen vor konkreten Abrüstungsvorschlägen zu verschleiern. [] Die Gefahr, daß diese entspannungsfeindliche Politik zur offenen Katastrophenpolitik wird und einen neuen Weltkrieg zur Folge hat, muß jeden alarmieren, dem es um die Zukunft der Menschheit geht. [] In der westdeutschen Bundesrepublik, deren Regierung sich auf Gedeih und Verderb mit dieser von Militärs der USA geführten Politik der Strategie der Stützpunkte und Bollwerke verbunden hat, werden alle von den offiziellen Stellen, den Agenturen der "psychologischen Kriegführung" und vom Großkapital beherrschten Propaganda-. und Publikationsmittel aufgeboten, um die Schuld am Nichtzustandekommen der Pariser Gipfelkonferenz und dem Fehlschlag der Genfer Abrüstungsverhandlungen dem Osten zuzuschieben und die als "Antikommunismus" bekannte Haßkampagne gegen den Osten, den Sozialismus und alle nicht der "atlantischen" Strategie dienstbaren Kräfte zu schüren und zu steigern. [] Das geschieht, obwohl selbst der Außenpolitische Ausschuß des USA-Senats die Schuld der USA-Regierung am Scheitern der Pariser Konferenz festgestellt hat. Es geschieht zur selben Zeit, in der sich in Japan, dessen politische Nachkriegssituation der Westdeutschlands ähnlich ist, eine Volksbewegung gegen die Bindung an die USA-Strategie und die Benutzung des Landes als Stützpunkt und Bollwerk dieser Strategie mächtig entfaltet hat. Es geschieht, obwohl bereits der Sturz und die Flucht des südkoreanischen USA-Satelliten Synghman Rhee und der Sturz und die Inhaftierung des türkischen NATO-Regenten Menderes eine Mahnung an die Bonner Regierung und ein Signal für die Opposition gegen diese Regierung hätten sein müssen. [] Die Ereignisse haben unsere früheren Warnungen vor den Gefahren der Bonner Politik und unsere bisher geäußerten Auffassungen von der Notwendigkeit und den Möglichkeiten einer konsequenten sozialistischen Opposition in der Bundesrepublik vollauf bestätigt Sie haben aber auch unser Urteil über das Verhalten der SPD-Führung bestätigt, die sich unter dem Einfluß der Kapitulanten und Spalter von rechts jetzt bis zum Angebot gemeinsamer Außenpolitik mit Adenauer und Strauß und bis zur Erklärung treiben ließ, daß die bisherigen Stellungnahmen der SPD gegen die NATO-Bindung Westdeutschlands, die Aufrüstung und die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und das Eintreten für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa und die Deutschlandvorschläge, aus Vertretern der beiden deutschen Staaten gesamtdeutsche Körperschaften zu bilden, der Vergangenheit angehören. [] Daß Adenauer die Kapitulationsangebote der SPD-Führung zum Anlaß genommen hat, die völlige Gleichschaltung def SPD mit seiner Außen- und Rüstungspolitik zu fordern, deren Konsequenzen in der schon vom Bundestag verabschiedeten Ermächtigung zur Mobilisierung der gesamten männlichen Bevölkerung bis zum 60. Lebensjahr und in dem angekündigten "Notstandsgesetz" erkennbar sind, das die Aufhebung aller demokratischen Rechte und parlumentarischen Formen vorsieht, entspricht der Feststellung, die wir schon in unserer Erklärung vom Mai dieses Jahres trafen: "daß auch die heftigsten antikommunistischen Beteuerungen und Parolen der SPD-Führung sie nicht davor bewahren von der CDU als nicht genug antikommunistisch gerügt und verdächtigt und zu noch weiteren Schritten nach rechts gedrängt zu werden." Und daß die Haltung der SPD-Führung auch in Kreisen des fortschrittlichen Bürgertums und bei allen, die aus menschlicher und nationaler Verantwortung für eine Politik des Friedens, der Abrüstung, des Verhandelns und der Koexistenz eintreten, Enttäuschung und Verachtung hervorruft, stärkt unsere Überzeugung, daß es zwischen uns Sozialisten und den fortschrittlichen Elementen des Bürgertums mehr Verbindendes gibt als zwischen uns und den rechten Kapitulanten in Führung und Apparat der SPD. [] Wir wissen, daß sich viele unter den Mitgliedern und Funktionären der SPD, ja auch manche unter ihren Bundestagsabgeordneten, der Würdelosigkeit des Verhaltens der SPD-Führung und der Gefahr, die der Arbeiterbewegung und der Friedensbewegung von diesem Verhalten droht, bewußt sind. Sie müssen erkennen, daß die deutsche Sozialdemokratie als politischer Faktor nur noch zu retten ist, wenn die Sozialisten in ihr den Trennungsstrick [!] gegenüber denen ziehen, die aus Feigheit, Opportunismus und Hoffnung auf Koaltionsämter Verrat am Sozialismus und an den Pflichten üben, die eine Oppositionspartei in Westdeutschland gerade jetzt zu erfüllen hätte. [] Daß man die Kritik an der Haltung der SPD-Führung und den wachsenden Widerstand gegen sie mit den Methoden der Diffamierung und Denunziation zu ersticken versucht, ist nicht neu. Jetzt hat man gegenüber der Organisation der sozialistischen Studenten, dem SDS, sogar die Taktik der Spaltung angewandt. [] Wir erklären dem von den Machenschaften der SPD-Führung bedrohten SDS und den Mitgliedern, die ihrem Verband die Treue halten und dessen Aktivität nun erst recht zu stärken entschlossen sind, unsere Solidarität. [] Wir grüßen die kämpfenden Sozialisten Japans. Wir grüßen auch die Linken in der britischen Labour-Party, die unter Führung der Gruppe "Victory for Socialism" im Kampfe um Abrüstungspolitik und ein sozialistisches Parteiprogramm gegen den rechten Flügel aktiv sind. [] Wir sprechen unsere Genugtuung über die Bukarester Erklärung der kommunistischen Parteien der Volksrepubliken für die Politik der friedlichen Koexistenz und gegen die These von der Unvermeidbarkeit des Krieges aus. Den Sozialisten des Westens erwächst daraus die erhöhte Verpflichtung zur Mobilisierung aller Kräfte des Friedens gegen eine Politik der Aufrüstung, der Provokationen und der Verhandlungssabotage, die denen Argumente liefern kann, die den Krieg für unvermeidlich erklären. [] Zentralausschuß [] ausgeschlossener und ausgetretener Sozialdemokraten [] Dr. Dr. h.c. VICTOR AGARTZ, Köln [] ALBERT BERG, Hamburg [] KARL ECKERLIN, Kassel [] ALBERT FEIN, München [] Dr. GERHARD GLEISBERG, Hamburg [] LOTHAR SCHIRMACHER, Kassel
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