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Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; 5 [] "DEN FRIEDEN SICHERN" [] Bürgermeister Klaus von Dohnanyi hat in einem Festakt zum 25-jährigen Bestehen der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg am 19. März 1982 nachfolgend gedruckte Rede gehalten: [] "25 Jahre Führungsakademie, das war eine Generation ohne Krieg in Europa. Das bedeutet Erziehung einer ganzen Generation von Soldaten und Offizieren. Das heißt schließlich: Eine Generation Friedensarbeit an dieser Akademie. [] Die in Europa friedliche Zeit seit 1945 mißt inzwischen eine Strecke viel länger als die von 1914 bis 1945, in der zwei Weltkriege, die große Depression und der Nationalsozialismus Europa und die Welt umstürzten und in weiten Teilen zerstörten. [] Wir haben uns an diesen Frieden gewöhnt. Der Friede ist uns selbstverständlich geworden. Vielleicht sogar gefährlich selbstverständlich. Denn Konfliktherde in der Welt verflochten sich kritisch miteinander, und unter der friedlichen Oberfläche beschleunigen sich Rüstungsausgaben und Rüstungstechnologien im Waffenwettlauf zwischen Ost und West. Waffen werden von aller Welt verkauft gegen die harte Währung von Arbeitsplätzen. Ohne Rücksicht auf soziale Interessen und wirklicher Sicherheit, und zwar sowohl der Waffenkäufer als auch der Waffenverkäufer. [] Hamburg hat die beiden großen Weltkriege mit Blut, Tränen und Zerstörung bezahlt. Den ersten dieser Weltkriege wollte niemand, den zweiten eine kleine, verbrecherische Minderheit der deutschen Reichsregierung. Übrigens nicht von Militärs, sondern von Zivilisten. [] Kriegsgefahr droht heute nicht von Kriegslüsternen und nicht von Soldaten, sondern von politischen Abenteurern und von Zivilisten, die Kontrolle über Interessenkonflikte und Waffenarsenale der Welt verlieren könnten. Was Präsident Eisenhower bei seinem Abschied als gefährliche Verselbständigung des industriell-militärischen Komplexes warnend charakterisiert hat, wäre nämlich nichts als die Kehrseite verlorener politischer Kontrolle über Interessenkonflikte und Technik. [] Es sind auch Nachdenkliche unter denen, die einen dritten Weltkrieg für wahrscheinlich, weil für geschichtlich logisch, halten. Ein dritter Weltkrieg wäre das Ende Europas, wäre die Vernichtung auch unserer Stadt. Es gibt daher für uns Europäer keine wichtigere und dringendere Aufgabe, als der Geschichte diesen Weg zu verbauen. Es gibt nichts Wichtigeres für Europa als den Frieden. [] Kriegsverhinderung in Europa ist noch nicht Frieden im evangelischen Sinne. Eine Weit ohne Krieg wäre das höhere Ziel, Kriegsverhinderung in Europa ist die für uns dringlichere Aufgabe. Übrigens auch das Ziel, auf das wir am ehesten selbst Einfluß nehmen können. [] SPD Hamburg [] Wenn Kriegsgefahr nicht in erster Linie aus böser Absicht, sondern aus Fehleinschätzungen und Führungsversagen entsteht, dann ist es für die Kriegsverhinderung auch nicht mit guter Absicht getan, sondern nur mit richtiger Einschätzung der Zusammenhänge und mit Führung. [] Die Aufgabe der Führungsakademie der Bundeswehr ist es nicht zuletzt, diese Fähigkeiten zu fördern, Urteilsfähigkeit, Entschlußfähigkeit, Führungsfähigkeit zu stärken. Dies ist das Konzept des Bürgers in Uniform. [] Wer Urteilsfähigkeit will, muß im Vorurteil seinen ärgsten Feind sehen. Einsicht in die Interessenlage des politischen und militärischen Gegenüber ist dafür entscheidend. Wer, wie z.B. die Sowjet-Union, im Verhalten der NATO in Europa nicht Sorge über den Verlust militärischen Gleichgewichtes, sondern Agressivität [!] [Aggressivität] erkennen will, der bestätigt seine Vorurteile und stärkt nicht die Urteilskraft. Ebenso sollten unsere amerikanischen Freunde sich nicht einreden lassen, daß die USA weltweit militärisch ins Hintertreffen geraten sei; oder, daß soziale Veränderungen in einer noch von den Folgen des Kolonialismus geprägten Dritten Welt in erster Linie das Ergebnis sowjetischer Konspiration sind. Im Gegenteil: Mit solchen sozialen Veränderungen und ihren Spannungen werden wir noch lange zu leben haben. [] Unser Interesse als Europäer muß es daher sein, Spannungen in der Welt teilbar zu machen. Unser Interesse ist es, natürliche Interessengegensätze der Großmächte nicht zu ideologisieren; ist es, immer der Vernunft eine Gasse zu bahnen. [] Hamburg ist stolz darauf, daß die Führungsakademie der Bundeswehr in seinen Mauern steht. Wir unterstützen alle Bemühungen, die rationale Friedensarbeiten ermöglichen. Verteidigungsfähigkeit gehört zu dieser Friedensarbeit. Und zur Fähigkeit zu verteidigen, gehört die Fähigkeit zu führen. [] Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg unterstützt auch die Deutsche Gesellschaft zur Friedens- und Konfliktforschung. Wir bedauern, daß CDU/CSU geführte Bundesländer anstatt an einer konstruktiven Fortentwicklung dieser Gesellschaften zu wirken, sich der Zusammenarbeit entzogen haben. [] Hamburg wird sein Institut für Friedensforschung ausbauen. Dabei werden wir mit besonderer Aufmerksamkeit uns denjenigen Forschungsbereichen zuwenden, die konkret Aufgaben der Abrüstung in Europa sachkundig unterstützen könnten. [] Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine Mahnung an die junge Generation richten: [] Gerade diejenigen, die der Auffassung sind, daß die notwendigen Fortschritte im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung noch nicht gemacht wurden, müssen wissen, daß ein hohes Maß an Engagement, Sachverstand und zäher Arbeit notwendig ist, um Abrüstung voranzutreiben. Wer die gute Absicht schon für die gute Tat hält, wer aussteigt, anstatt in die Abrüstungspolitik im Detail einzusteigen, der nutzt seiner Sache nichts. Sachverstand ohne Herz ist Technokratie. Aber Herz ohne Sachverstand bleibt am Ende in der Politik bloße Hoffnung. [] Ich möchte deswegen an dieser Stelle all' denjenigen danken, die an dieser Akademie als Lehrer und Forscher sich um einen Sachverstand mit Friedensengagement mühen. [] Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch im Namen des Hamburger Senats und der Bürgerschaft der Bundeswehr für die Erfüllung ihres Sicherheits- und Verteidungungsauftrages ausdrücklich danken. [] Ich wünsche der Führungsakademie der Bundeswehr weiterhin erfolgreiche Arbeit. [] Des Soldaten größter Erfolg heißt: Frieden!" [] V.i.S.d.P.: SPD-Landesorganisation, Eigendruck, 7.4.1982
Published:19.03.1982 - 03.08.1998