Sozialdemokratische Richtlinien zur Entnazifizierung

Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Sozialdemokratische Richtlinien zur Entnazifizierung [] Beschlossen in der Sitzung des Vorstandes der SPD am 13. und 14. März 1947. [] I. Zur Sühne von Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, zur innerdeutschen Wiedergutmachung und zu...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Parteivorstand
Institution:Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)
Format: IMAGE
Language:German
Published: 13.03.1947 - 14.04.1947
Subjects:
Online Access:http://hdl.handle.net/11088/23513F06-9774-489E-B338-F577201A9688
Description
Summary:Bemerkungen: [] = Absatzmarken im Volltext des Originals; Sozialdemokratische Richtlinien zur Entnazifizierung [] Beschlossen in der Sitzung des Vorstandes der SPD am 13. und 14. März 1947. [] I. Zur Sühne von Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, zur innerdeutschen Wiedergutmachung und zur Sicherung der Demokratie ist eine individuelle Prüfung aller ehemaligen Nationalsozialisten und militaristischen und wirtschaftlichen Eroberungspolitiker als deutsche Aufgabe erforderlich. [] Die Säuberung muß in allen deutschen Gebieten nach einheitlichen gesetzlichen Bestimmungen in gleicher Weise und gerecht durchgeführt werden. [] Ziel dieser Säuberungsmaßnahmen ist die Entfernung aller derjenigen Personen, deren Handlungen, Haltung, mangelnde Standhaftigkeit und moralische Schwäche das Leid des deutschen Volkes herbeigeführt haben, aus dem öffentlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben und Auferlegung von angemessenen Sühneleistungen. Nur so werden die Voraussetzungen für einen beständigen künftigen Frieden von deutscher Seite aus geschaffen. [] Aus Gründen der baldigen Befriedung des Volkes ist für Mitläufer ein vereinfachtes und beschleunigtes Verfahren anzuwenden, von dem in weitherziger Weise Gebrauch gemacht werden muß. [] Personen, die nach dem 1. Januar 1913 geboren sind, die also erst 1933 das wahlfähige Alter erreicht haben, sind grundsätzlich als Entlastete anzusehen, soweit sie nicht Naziübeltäter sind. [] II. Die in der Kontrollratsverordnung 38 enthaltenen materiellen Bestimmungen sind im wesentlichen zu billigen, jedoch dürfen Todes-, Zuchthaus- und Gefängnisstrafen nur von den ordentlichen Gerichten ausgesprochen werden. [] In der amerikanischen Zone ist alsbald die 6. Durchführungsverordnung zu beseitigen, da sie dem Artikel 18 des Befreiungsgesetzes vom 5. März 1946 widerspricht. [] III. Das Säuberungsverfahren ist nach folgenden Grundsätzen zu gestalten: [] 1. Das Verfahren ist von Deutschen und in Verantwortung der deutschen öffentlichen Verwaltung gemäß einer für das ganze Reichsgebiet geltenden gesetzlich festzulegenden Verfahrensordnung durchzuführen. [] 2. Alle Personen, die mit der Durchführung des Verfahrens beauftragt werden, müssen als Gegner von Nationalsozialismus und Militarismus bekannt, persönlich unbescholten und gerecht denkend sein. Alle Bevölkerungsschichten sind heranzuziehen. Den Gewerkschaften und den zugelassenen politischen Parteien steht das Vorschlagsrecht zu. Die Ernennung erfolgt durch die Landesregierung (zuständiges Ministerium). Die Uebernahme eines solchen Amtes ist staatsbürgerliche Pflicht, der sich niemand entziehen kann. [] 3. Das Verfahren zerfällt in ein nichtöffentliches Ermittlungs- und ein öffentliches Spruchverfahren. Alle Behörden haben Rechtshilfe zu leisten. [] 4. Das Ermittlungsverfahren wird durch einen öffentlichen Kläger geführt. Er stützt sich auf die Informationen der lokalen politischen Ausschüsse, der Betriebs- und Berufsvertretungen und sonstiger Stellen. [] 5. Aufgabe desöffentlichen Klägers ist a) Ingangsetzung des Verfahrens gegen jeden Betroffenen, b) Herbeischaffung und Prüfung sämtlichen Belastungs- und Entlastungsmaterials. [] 6. Das Ermittlungsverfahren endet a) mit Einstellung des Verfahrens durch denöffentlichen Kläger, b) mit dem Antrag auf Entscheidung im schriftlichen Verfahren, c) mit dem Antrag auf Spruch durch die Kammer. Dem schriftlichen Verfahren ist weitgehend der Vorzug zu geben. [] 7. Das Spruchverfahren wird durch die Spruchkammer in jedem unteren Verwaltungsbezirk (Land- bzw. Stadtkreis) durchgeführt. Die Kammern sind paritätisch aus Vertretern der politischen Parteien und der Gewerkschaften zusammenzusetzen. [] 8. Die Mitglieder der Kammern sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. [] 9. Die Kammern entscheiden in allen Fällen, in denen durch den öffentlichen Kläger ein Antrag auf Spruch durch die Kammer gestellt ist, in öffentlicher Verhandlung unter Mitwirkung des Klägers. Sie können den Betroffenen, Zeugen und Sachverständigen vernehmen, den Augenschein einnehmen und Urkunden verwerten. [] 10. Der Betroffene darf sich in jeder Lage des Verfahrens eines Beistandes oder Verteidigers bedienen. [] 11. Gegen den Spruch der Kammer ist Berufung zulässig. Die Vorsitzenden der Berufungskammern sollen zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst zugelassene Personen sein. [] 12. Das Verfahren ist gebührenpflichtig. [] IV. Entnazifizierte können wiederbeschäftigt werden, haben jedoch keinen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung und Schadenersatz. [] Kein Nazigegner darf wegen Wiedereinstellung Entnazifizierter aus seiner Stellung entfernt oder geschädigt werden.
Published:13.03.1947 - 14.04.1947